28.01.2019

Der Schrecken der Meere


Leute, heute will ich Euch mal wieder von einem Prototyp erzählen. Vor einiger Zeit schrieb mich Michal Vitkovsky an und fragte mich, ob ich daran Interesse hätte seinen Prototyp namens Der Schrecken der Meere anzuschauen dazu gabs eine ausführliche Beschreibung inkl. Bildmaterial.

Die geplante Veröffentlichung ist für das Frühjahr 2019 per Kickstarter angestrebt. Warum Kickstarter? Das wurde bereits nach dem ersten Öffnen der sehr sehr fortgeschrittenen (fast finalen) und sehr liebevoll gestalteten Prototypenbox klar. Der Schrecken der Meere setzt auf großartiges Material, welches man natürlich per Crowdfunding wunderbar finanzieren kann. Herzstück des Spiels sind die individualisierteren Piratenschiffe. Piratenschiffe? Achja, Der Schrecken der Meere ist ein Piratenspiel. Ein Sandbox-Piratenspiel. Aber mal ganz auf Anfang zurück.

In Der Schrecken der Meere können bis zu vier Spieler in einer Spielzeit von bis zu 200 Spielminuten ihr Glück auf hoher See versuchen. Die Wege zu Ruhm und Ehre sind dabei vielfältig. Dabei findet sich in Der Schrecken der Meere alles wieder, was eigentlich so ein klassisches Piratenleben ausgemacht hat. Schatzsuche, Handel, Seegefechte und wilde Säbelrasseleien. Wir fühlen und hier ein klein wenig an den All-Time-Classic Merchants and Marauders erinnert. Der Schrecken der Meere macht aber einige Dinge anders.


Herzstück und bereits im Prototyp Hingucker Nummer 1 sind die Segelschiffe, welche den einzelnen Spielern zur Verfügung stehen. Diese sind nämlich individualisierbare Miniaturen, welche mit einem cleveren Steck- und Drückmechanismus den exakten Status des eigenen Schiffes wiedergeben. Kaufe ich ein neues Segel, dann stecke ich es einfach aufs Schiff. Kaufe ich mehr Feuerkraft durch mehr Kanonen hinzu? Kein Problem. Ich stecke sie einfach an die Seiten dran! Klar hätte Der Schrecken der Meere es auch ganz einfach so lösen können wie andere Vertreter seiner Zunft und auf einem Spielertableau Platz für diverse Tokens bieten können, aber es macht einfach optisch eine gute Stange her, wenn ich den Fortschritt an meinem Schiff direkt optisch auf dem Spielfeld erkennen kann. Das ist irgendwie enorm befriedigend. Getreu dem Motto: Schaut, was ich geschaffen habe!

Aber auch auch ansonsten ist Der Schrecken der Meere optisch ein Augenschmaus. Die bereits im Prototypen größtenteils finalen Grafiken sehen schick aus und vermitteln ein tolles Piratenfeeling. Für jeden einzelnen Spieler gibt es eigene Schatzkisten, um die Beute zu verstauen und auch ansonsten ist das vorhandene Spielmaterial der Spieldauer von knapp 3 Stunden angemessen. Was das schlussendlich auf Kickstarter preislich aufruft, müssen wir dann schauen. Günstig wird es vermutlich nicht. Ihr bekommt aber sicherlich etwas dafür.


Optisch als einzigen Wermutstropfen empfinde ich die modulare Seekarte, auf der wir von A nach B segeln. Ich verstehe die Vorteile einer modularen Karte, aber gerade im Bereich der Piratenspiele bevorzuge ich eine vollständige Map mit toller Grafik. Im direkten Vergleich mit The Pirate Republic oder vor allem mit Merchants and Marauders (und diesem muss sich Der Schrecken der Meere zwangsläufig aufgrund der ähnlichen Spielart stellen) sehe ich hier einen klaren Nachteil. Gerade bei The Pirate Republic empfinde ich es als unheimlich toll von A nach B zu segeln und die Details auf der Map zu lesen. Bei Der Schrecken der Meere sieht es schlicht mechanisch aus.

Aber um was geht es denn eigentlich bei Der Schrecken der Meere  Spielmechanisch haben wir es hier mit einem Sandboxspiel zu tun, in welchem wir mehr oder weniger frei in der Wahl unseres Weges zu Ruhm und Ehre sind. Dabei wird reihum gespielt, wobei jedem Spieler drei Aktionen zur Verfügung stehen, welche er im Zweifel auch mehrfach nutzen kann (z. B. segeln, angreifen, Schatz suchen etc.). Ein Zug in Der Schrecken der Meere geht schnell von der Hand, da er nicht selten daraus besteht von A nach B zu segeln, da ich entweder Waren verkaufen will oder zu einer bestimmten Insel fahren möchte um einen Auftrag zu erledigen. Das ist angenehm. Es kommt zu wenig bis keiner Downtime.


Die Aktionen sind dabei spannend. Als sehr interessant empfand ich den Aspekt einen Schatz suchen zu können. Ihr müsst Euch das so vorstellen: Ich fahre auf eine Insel, gehe dort in die lokale Taverne und schnappe ein Gerücht auf. Ein mysteriöser Mann in der Kneipenecke hat einen Hinweis, wo sich mein lang verschollener Sohn aufhalten könnte (Sid Meier´s Pirates lässt grüßen). Ich gehe dem Hinweis nach und fahre zur besagten Insel und begebe mich auf die Suche. Soweit so spannend. Das Konzept ist hier toll umgesetzt. Äußerst thematisch und auch fesselnd. Was dann leider folgt ist ein eher abstraktes Ausgeben von Aktionen. Bin ich nämlich erst einmal auf der gesuchten Insel angekommen, besteht mein einziges Ziel darin Aktionen in meinen Folgezügen auszugeben, um auf einer Schatzkarte einen Pöppel voranzuziehen. Habe ich das ausreichend getan, finde ich den Schatz. Ok, manchmal muss ich zwischendrin auch nochmal einen Würfel werfen, bevor ich den Schatz bekomme. Hmm, hier hätte ich mir etwas mit etwas mehr Höhepunkt gewünscht. So fühlte sich das Ende der Aktionskette eher wie eine Art „ich setze aus, und mache nichts anderes, als meinen Stein vorzuschieben“, denn fast nie macht es Sinn eine einmal begonnene Schatzsuche zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Aktionsoptimierung und so. Vielleicht tut sich hier noch etwas. Ein Schatzsuchenaktionsdeck, von dem man ründlich ziehen muss vielleicht?


Dieser - in meinem Empfinden etwas suboptimaler - Mechanismus findet sich auch im Kampf mit den Seeungeheuern wieder. Richtig gelesen. In Der Schrecken der Meere gibt es nämlich nicht nur den 0815 Piratenkram, sondern auch Flüche, Zaubersprüche und Seeungeheuer. Habe ich letztere nämlich unter großem Aufwand beschworen, geht es dabei sie zu besiegen (bringt Siegpunkte) schlussendlich eigentlich nur darum - ähnlich wie bei der Schatzsuchenaktion - Aktionspunkte auf dem Feld des Ungeheuers auszugeben. Was sich bereits bei der Schatzsuche antiklimatisch angefühlt hat, fühlt sich hier das noch weniger nach epischem Kampf, sondern eher nach Abarbeiten an. Für mich eine leicht vertane Chance, denn Der Schrecken der Meere hat einen tollen Kampfmechanismus dabei (gleich mehr), den man in abgewandelter Form hier hätte sicherlich auch verwenden können.

Neben dem optischen Reiz des Schiffausbaus und dem befriedigenden Aspekt des Ressourcenhandels (fahre von A nach B, um Ressource X gewinnbringend zu verhökern), ist das heimliche Highlight in Der Schrecken der Meere für mich persönlich der Schwertkampf mit den fahrenden Händlern auf dem Brett und den Mitspielern. Bereits vor einem evtl. Entern des Schiffes oder der Eroberung eines Forts, kann man versuchen die Stärke des Gegenübers durch geschickten Einsatz der Kanonen zu drosseln. Kommt es zum Entern, tritt ein herzerfrischender Kampfmechanismus im Kraft, den Der Schrecken der Meere zwar nicht exklusiv hat, aber ihn nicht minder fesselnd macht.


Gekämpft wird auf einer Planke (auch hier wurde sich am digitalen Vorbild SM:Pirates orientiert) und nacheinander im direkten Fechtkampf versucht den Gegenüber an den Rand der Planke zu drängen. Als Angreifer wähle ich dabei aus meinen Kampfkarten eine von drei Attacken (oben, Mitte oder unten). Mein Gegenüber muss dabei eine passende Parade wählen, ansonsten muss er eine entsprechende Anzahl an Schritten auf der Planke nach hinten. Etwas Würze kommt durch Spezialattacken oder Spezialparaden hinzu. Ich werfe Sand, um eine Attacke abzuwehren oder schwinge mich an einem Seil in den Kampf, um unvermeidbaren Schaden zuzufügen.

Diese simple Mechanik hat es in sich, denn sie spiegelt den unmittelbaren Charakter eines Nahgefechts, sowie des Tempo perfekt wieder. Auch ist hier genug Platz für entsprechende taktische Manöver. Lasse ich einen Schaden durchgehen, um keine Karte für die Verteidigung abzuspielen und dafür mehr Karten für den Angriff über zu haben (alle Karten haben sowohl eine Angriffs- als auch eine Abwehrfunktion), oder muss ich hier parieren? Unbekannt ist dieser Mechanismus nicht in seiner Gänze, denn auch einer meiner absoluten Favoriten Hannibal & Hamilcar verwendet ihn in ähnlicher Form. Das macht ihn aber nicht schlechter.


Der Schrecken der Meere bietet noch einiges mehr. Spezialfähigkeiten der geretteten Familienmitglieder, versteckte Ziele, auf die man hinarbeiten kann, Aufträge des Gouverneurs, das Erlernen von Zaubersprüchen auf einer verfluchten Insel, die Pest usw.. Der Schrecken der Meere ist, wie bereits am Anfang meines Textes angedeutet, ein abendfüllendes Spiel, was gut unterhält und so ziemlich alles bietet, was ein Piratenspiel haben muss. Als besonders wichtig empfinde ich bei einem Sandboxspiel, dass alle Wege zum Sieg in etwa gleichstark erscheinen. Viel hängt natürlich von den am Anfang ausgelegten gemeinsamen Zielen ab, welche es möglichst schnell zu erreichen gilt, denn wer dies als erster tut, bekommt eine nicht unbedeutende Siegpunktanzahl extra.


Dem direkten Vergleich mit Merchants & Marauders muss sich Der Schrecken der Meere dennoch stellen. Dafür schlagen beide Spiele in eine zu selbe Kerbe. Der Schrecken der Meere ist deutlich interessanter im Kampf. Der ist einfach fürchterlich komplex und verkopft in Merchants & Marauders. Dafür punktet Der Schrecken der Meere hier mit einer tollen Kampfmechanik und schnellen, actiongeladenen Gefechten. Ein klarer Punkt für Merchants & Marauders gibt es im Bereich des Spielbrettes. Auch wenn die Modularität bei Der Schrecken der Meere sicher den zahlreichen Optionen und der Wiederspielbarkeit geschuldet ist, ist es bei Merchants & Marauders einfach deutlich attraktiver in See zu stechen, ohne dabei die Flexibilität in Bezug auf wechselnde Handelswarenangebote in den Häfen etc. vermissen zu lassen.

Alles in allem braucht man sicher nicht beide Titel in seinem Regal. Will ich meinen Fokus eher auf das Handeln legen und will ein komplexeres Spiel (was Merchants & Marauders mit seiner Erweiterung zweifellos ist), greife ich zu Merchants & Marauders. Will ich ein schnelleres Spiel (was dennoch abendfüllend ist) mit weniger Downtime und einem tollen Fokus auf Gefechte, dann greife ich zu Der Schrecken der Meere.
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Der Schrecken der Meere von Michal Vitkovsky
Erscheint beim Weltflucht Verlag
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 140 Minuten

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Weltflucht Verlag)