23.01.2019

Neom


Erbaue die Stadt der Zukunft, so der Slogan des neuen Spiels aus dem Hause Lookout mit dem klangvollen Namen Neom. Das Spiel ist für 1-5 Spieler ab 10 Jahren geeignet und dauert ca. 45 Minuten und dabei handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um ein "Schwergewicht", denn das Spiel enthält jede Menge Pappe. 6 Stadtpläne und 150 (!) Stadt-Plättchen, 65 Münzen und 85 Warenmarker sind enthalten und müssen ausgepöppelt werden. 

Bei Neom handelt es sich um ein Mix aus Drafting und Legespiel und zu Beginn wählt jeder Spieler sich einen Stadtplan, welcher in der Mitte bereits einen Rohstoffabbau zur Verfügung stellt. Insgesamt gibt es sechs Rohstoffe: Erz, Erdgas, Holz, Öl, Kohle und Stein. Nette Dreingabe: jeder Stadtplan passt sich optisch seinem Rohstoff an. Passend zu seinem Rohstoff legt sich jeder Spieler den Marker über sein Spielplan, so dass jeder Spieler sofort sehen kann, welche Rohstoffe dem Mitspieler zur Verfügung stehen. Zum Start erhält dann noch jeder 6 L-Coins (die Münzen).

Die Stadtplättchen unterteilen sich in vier Kategorien. So gibt es 30 sogenannte Ankerplättchen und je 40 Generationsplättchen von I bis III. Das Spiel startet mit der Vorbereitungsphase, in der die Ankerplättchen zum Einsatz kommen. Jede Spieler erhält zufällig vier Ankerplättchen, die restlichen kommen aus dem Spiel. Nun wählt jeder ein Plättchen und legt dieses verdeckt zur Seite und gibt die restlichen dem linken Nachbarn. Das wiederholt man so lange bis jeder drei verdeckte Ankerplättchen gewählt hat, die restlichen kommen ebenfalls aus dem Spiel. Jeder Spieler deckt nun seine drei gewählten Ankerplättchen auf und legt sie neben seinen Stadtplan. 


Bei den Ankerplättchen handelt es sich um öffentliche Gebäude, die ich im Laufe des Spiels gegen andere Stadtplättchen tauschen kann, um sie in meinem Stadtplan zu verbauen. Wichtig ist hierbei, dass ich nie mehr Ankerplättchen in meiner Stadt haben darf, als die Generation in der man gerade spielt. Heißt: in der ersten Generation darf ich nur ein Ankerplättchen gelegt haben, in der dritten und letzten hingegen bis zu drei. 

Nach der Vorbereitungsphase geht es also weiter mit den jeweiligen Generationen. Jeder Spieler erhält je 8 Stadtplättchen aus der jeweiligen Generation (sollte komplett aufgehen, wenn man bei gewissen Spieleranzahlen Plättchen vorher entfernt). Und wie schon in der vorherigen Phase darf man sich nun jeweils immer ein Plättchen aussuchen und die restlichen dem linken Nachbarn weitergeben. Das gewählte Plättchen legt man zunächst verdeckt vor sich hin und wartet bis alle sich für eins entschieden haben, danach wird dann eine Aktion ausgeführt. 

Bei der Auswahl des Plättchen gibt es natürlich einiges zu beachten. Grundlegend gibt es fünf verschiedene Arten von Plättchen: Wohngebäude (grün), Wirtschaftsgebäude (blau), Industriegebiete (gelb), öffentliche Gebäude (orange) und Abbaugebiete (grau). Viele Plättchen haben Voraussetzungen, die es zu erfüllen gilt, bevor man sie legen darf. Entweder dass meine Stadt bereits gewisse Rohstoffe oder Handelsgüter produziert oder dass ich Geld bezahlen muss und in der dritten Generation muss ich hin und wieder schon eine gewisse Anzahl an Plättchentypen gebaut haben.


Die verschiedenen Arten haben auch verschiedene Auswirkungen auf das Spiel. Wohngebäude und öffentliche Gebäude bringen mir für gewöhnlich Siegpunkte am Ende des Spiels. Wichtig ist es überhaupt Wohngebäude zu haben, denn eine Stadt mit weniger als 2 Wohngebäuden ist eine Geisterstadt und bringt Minuspunkte. Die Wirtschaftsgebäude bringen mir einmalig oder zum Ende jeder Generation Geld ein. Industriegebäude hingegen führen dazu, dass ich in meiner Stadt Handels- und/oder Luxus-Güter produziere, die ich wiederum benötige um andere Plättchen zu bauen. Abbaugebiete bringen, wie man sich denken kann, Rohstoffe. 

Nach der Auswahl gibt es nun beim Legen ebenfalls einiges zu beachten. Jedes Plättchen enthält nebst dem Gebäude auch Straßen und beim Legen muss immer gewährleistet sein, dass ich von dem Plättchen aus über die Straßen zum Stadtausgangspunkt (die Mitte) gelange. Ich kann das Plättchen also nicht wahllos irgendwo hinlegen, sondern muss es immer ans vorhandene Straßennetz anbinden. Wäre das noch nicht genug, möchten meine Bewohner natürlich nur sehr ungern in der Nähe von schmutzigen Industriegebieten leben und so gibt es Punktabzüge wenn sich Industrieplättchen in direkter Nachbarschaft zu Wohngebäuden befinden. 

Sollte mir mein gewähltes Plättchen doch nicht zusagen oder ich wollte es einem Mitspieler nur wegnehmen, hab selbst aber keine Verwendung dafür, darf ich dieses Plättchen entweder gegen eines meiner Ankerplättchen tauschen oder für 5 L-Coins wieder verkaufen. Die Ankerplättchen bringen mir übrigens meistens nochmal eine Belohnung am Spielende für eine gewisse Bauweise wie z.B. die Industriegebäude nur am Rand des Plans zu setzen, Straßen in gewisse Formen zu platzieren oder ähnliches. 
Beim Legen darf ich auch vorhandene Plättchen ersetzen, diese müssen allerdings von der gleichen Art oder ein Abbaugebiet sein. 


Haben alle ihr Plättchen verbaut, nehm ich mir den Stapel der mir vom Nachbarn weitergegeben wurde und wiederhole das ganze nochmal, bis nur noch jeweils ein Plättchen übrig bleibt, dieses kommt dann aus dem Spiel. 

In jeder Generation gibt es auch immer ein Katastrophen-Plättchen, die ich gegen meine Mitspieler einsetzen kann. Hierbei gibt es Überschwemmung, Großbrand und Gewaltwelle. Je nach Katastrophe sind unterschiedliche Plättchentypen betroffen. Für die genannten Typen muss ich dann Kosten zahlen, kann ich das nicht, muss ich Plättchen wieder aus meiner Stadt entfernen (und verliere damit evtl. auch Rohstoffe oder ähnliches). Mit anderen Plättchen wie z.B. die Feuerwehr oder Polizei kann ich aber gewisse Bereiche meiner Stadt dagegen schützen. 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist auch, dass ich von den Rohstoffen oder Handelsgütern meiner Nachbarn profitieren kann. Für 2 L-Coins darf ich Rohstoffe, für 4 L-Coins Handelsgüter und für 10 L-Coins Luxusgüter der Mitspieler nutzen. Je weiter weg der Mitspieler sitzt desto teurer wird es, da ich eine Tranportgebühr zahlen muss. Also für die direkten Nachbarn gibt es keinen Aufschlag, aber für den danach, erhöht es sich jeweils um 1. Schaffe ich es eine Straße vom Zentrum meiner Stadt an die linke und/oder recht Stadtseite zu bauen, habe ich eine Handelsroute erschlossen und zahle nun 1 L-Coin weniger in diese Richtung. 


Am Ende der Generation überprüfe ich nun, ob ich Gebäude habe, die mir Einkommen bringen und erhalte dann das Geld. Dann geht es auch schon weiter mit der nächsten Generation und nach drei Generationen endet das Spiel und der Spieler mit den meisten Siegpunkten gewinnt das Spiel. Es gibt zum Ende mehrere Wege um an Siegpunkte zu kommen. Zum einen natürlich die Plättchen mit aufgedruckten Siegpunkten, aber es gibt auch Punkte für Wohngebiete, je größere desto besser. Für jeden Rohstoff und für jede Ware, die ich produziere, gibt es ebenso Punkte und 2 L-Coins sind jeweils einen Siegpunkt wert. 

Dann kann ich auch Punkte wieder verlieren. Wie bereits erwähnt, bringen Industriegebiete in direkter Nachbarschaft zu Wohngebäuden Abzüge, zu wenig Wohngebäude ebenso und ihr müsst mindestens ein Gebäude haben, welches Strom produziert, ansonsten verliert ihr auch dafür Punkte. 
Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt das Spiel und hat sich als bester Stadtbauer erwiesen. 


Kommen wir zum Fazit. Beim ersten Blick in die Schachtel und in die Anleitung mag man sich zunächst etwas erschlagen fühlen. Viele Plättchen, Marker und eine komplexe Anleitung mit Glossar und einer Übersicht ALLER (!) Plättchen am Ende. Ja, es ist ein Kenner-Spiel und für Kennerspieler sollte das kein Problem sein, aber andere mag es halt erstmal abschrecken. Was schade wäre, denn das Spiel selbst ist gar nicht mal so komplex. Jeder der schon mal 7 Wonders gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen beim Drafting und der Legeteil erschließt sich auch schnell, denn Straßen verknüpfen erscheint im ersten Moment doch logisch.

Wie schreibt einer meiner Kollegen? Leicht zu lernen aber schwer zu meistern. So ähnlich sehe ich das bei Neom auch. Die Abläufe hat man bei Neom sehr schnell erlernt und verstanden, aber dann entfaltet sich mehr und mehr die Komplextität durch die Vielzahl an Plättchen und dadurch möglichen Strategien. Setze ich auf Wohngebäude oder auf die volle Industriekraft oder ist die gesunde Mischung das Wahre?! Inwiefern binde ich meine gewählten Ankerplättchen in mein Spiel ein? Und und und... hier bedarf es schon einiger Partien um die Möglichkeiten ein wenig besser zu überblicken und inwiefern es gut oder schlecht ist, jemanden das oder jenes Plättchen zu überlassen. 

Auch die Handelsrouten und das Kaufen von Rohstoffen bei Mitspielern bringt einen interessanten Kniff mit sich und es ist gar nicht immer so leicht, die gewählten Plättchen auch wirklich unterzubringen und eine Verbindung zum Zentrum zu haben. Schnell war man zu gierig, bevor man feststellt dass es gar keine Möglichkeit gibt...


Das Spiel macht mir Spaß und ich habe Lust weiterhin die Möglichkeiten zu entdecken, trotz der Komplexität dauert eine Partie nicht zu lange und spielt sich zum Teil flott weg. Klar, mit Grüblern am Tisch, kann es auch etwas länger dauern. Die Mischung aus Drafting- und Legespiel funktioniert sehr gut. Die Endwertung ist vielleicht ein wenig fummelig und zu Beginn etwas schwer durchzuzählen, doch hat man den Bogen raus, geht auch das. 

Das Material ist ebenfalls gelungen, die Pappen sind stabil und machen einen wertigen Eindruck. Die Optik ist so eine Sache, zum Teil wirken die Plättchen etwas überladen mit Symbolen, so dass die eigentlichen Gebäude, um die es geht, etwas untergehen. Aber ansonsten ist das ok, aber nicht überragend. Die Anleitung ist gelungen, der zweite Teil mit Glossar und Liste ist aber sehr klein gedruckt und unübersichtlich, eine gute Hilfe ist es aber dennoch, gerade beim Einstieg.

Kommen wir zum größten Manko des Spiels und das ist für mich die Thematik! Baue ich eine Stadt? JA! Baue ich eine Stadt der Zukunft? NEIN! Zu keinem Zeitpunkt kommt das Gefühl auf, dass ich etwas in der Zukunft tue. Vielmehr sind das alles Gebäude, die es auch jetzt gibt. Ja, die Gebäude haben optisch eine leichte Tendenz zu etwas modernen, aber ich hatte mir schon etwas aufregenderes vorgestellt. Neue Technologien, neue Energiemöglichkeiten, etc. Stattdessen bauen wir Uhren- und Autofabriken. Hmm... Generell habe ich ja kein Problem damit, aber wenn man mir vorab mitteilt "Neom - Erbaue die Stadt der Zukunft", das Cover mit futuristischen Grafiken daherkommt und dann geht es um Glas, Plastik, Erz und Autos, dann ist das für mich wenig neues. In gewisser Hinsicht fehlt quasi eine 4. und/oder 5. Generation, die dann wirklich Zukunftsmusik mitbringt. Schade! Oder riecht das schon nach einer geplanten Erweiterungen?! 

Ich würde das Spiel auf jeden Fall dennoch immer mitspielen und immer mal wieder auch vorschlagen. Die Kombination macht Spaß und Städtebau macht ja auch ohne futuristische Thematik Freude. Mir zumindest.


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Neon von Paul Sottosanti
Erschienen bei Lookout
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 40 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Lookout)