11.02.2019

Raids


Man muss sich erst ein bisschen daran gewöhnen, dass Raids von IELLO Games die martialischen Raubzüge der Wikinger als Grundlage für ein relativ familientaugliches Renn- und Sammelspiel hernimmt. Dörfer wollen geplündert und geklaute Waren verkauft werden. Ab und zu muss man sich auch mal mit der Wikingerkonkurrenz prügeln. Da in den meisten Fällen aber Seemonster oder eben die Wikinger selbst ihrer Gier zum Opfer fallen, lässt sich der Gedanke an die beklauten Betroffenen schnell beiseite schieben.

Bis zu vier Wikinger bemannen ihre Schiffe und unternehmen insgesamt vier Raubzüge, auf denen sie jedes Mal anderen Ereignissen und Gefahren begegnen. Das große Schiffsplättchen vor den Spielern dient als Stauraum für etwa Waren, neue Segel, Standarten oder – nicht zu vergessen – eure Wikinger. Auf dem wunderschönen Spielbrett klappert ihr nach bestimmten Regeln verschiedene Orte ab und nehmt mit, was nicht niet- und nagelfest ist bzw. kloppt alles zu Klump, was nicht bei drei auf den Bäumen oder wieder in die Tiefen des Meeres verschwunden ist. 


Alle Spieler starten im selben Hafen, den sie nach einer Rundreise zu den besten Plündergebieten auch wieder ansteuern. Danach endet die Runde. Die Reihenfolge der Ereignisse auf diesen Raubzügen wird größtenteils zufällig durch die Verteilung von Ereignisplättchen auf die entsprechenden Felder des Bretts bestimmt. Der erste Spieler, der den Hafen verlässt, darf einen beliebigen der ausliegenden Orte auf der Route ansteuern und zu Beginn seines nächsten(!) Zuges dort eine Aktion ausführen (Plündern, Kämpfen, Sammeln etc.). Orte, die man einmal passiert hat, können jedoch nicht mehr besucht werden. Zu jeder Zeit ist dabei relevant, auf welcher Position sich die Spieler zueinander befinden. Haben alle Spieler den Hafen verlassen, ist immer derjenige an der letzten Position am Zug. Dieser muss dann mindestens mit einem Konkurrenten gleichziehen oder ihn überholen und eines der nachfolgenden Felder ansteuern. Alle Orte zwischen ihm und dem vorletzten Spieler verfallen somit.

Möchte man dabei ein Feld betreten, auf dem bereits ein anderes Schiff steht, kommt es zum Kampf. Jetzt wird die Zahl der hübschen, hölzernen Wikingerfiguren wichtig. Beginnend mit dem Angreifer muss abwechselnd immer ein Wikinger mehr geopfert werden als es das Gegenüber getan hat. Der Verteidiger muss also bereits zwei seiner bärtigen Gesellen opfern, bevor der Angreifer drei über Bord gehen lassen muss. Kann oder möchte eine Wikingertruppe keine Mitglieder mehr opfern, muss sie sich vom umkämpften Feld zurückziehen.


Mit Blick auf das Angebot der Ereignisse der Rundreise und dem Fokus der Mitspieler und deren Position gilt es abzuwägen, auf welche Art und Weise Siegpunkte errungen werden sollen. Steht das Bekämpfen von Seemonstern im Vordergrund? Dann braucht man viele Wikinger oder riesige Äxte, die allerdings viel Platz auf eurem Schiff beanspruchen. Alternativ könnt ihr Waren einsammeln und diese gewinnbringend gegen Siegpunkte eintauschen, sofern die Mitspieler nicht die entsprechenden Felder blockieren. Oder man fokussiert sich auf den Erwerb von Standarten oder Mjölnirs, die in jeder Runde Punkte gewähren, aber ebenfalls Platz beanspruchen. Unentschlossene haben aber zwischendurch die Möglichkeit, ihre Strategie zu ändern und alte Plättchen durch neu erworbene zu ersetzen. Denn: Gesammelte Beute oder die Wikinger verbleiben beim nächsten Raubzug ebenso auf dem Schiff. In einer Zwischenwertung am Ende jeder Runde werden nochmals Punkte vergeben, abhängig von den Bedingungen, die das aktuelle Hafenplättchen präsentiert. Hier kann derjenige kassieren, der beispielsweise als Erster den Hafen erreicht oder die meisten Waren an Bord hat.

Hat man die Regeln erstmal verinnerlicht, spielt sich Raids angenehm flott. Das Navigieren der Schiffe hat man nach kurzer Zeit schnell verinnerlicht. Etwas gewöhnungsbedürftig fühlt es sich immer nur an, erst zu Beginn des nächsten eigenen Zuges die Aktion auf dem angesteuerten Feld durchzuführen. Die Gier, die wichtigen Plättchen an sich zu reißen, ergreift da sehr schnell Besitz von den Spielern. Und das ist bei der Ausstattung des Spiels auch kein Wunder. Das Artwork ist bezaubernd, die Wikinger sind sehr filigran aus dem Holz geschnitten und die wenigen Münzen, die im Spiel verteilt werden, sind aus Metall. Das kann sich definitiv sehen (und fühlen) lassen.


Schade ist nur, dass man schon nach wenigen Partien das Gefühl hat, alles gesehen zu haben. Das hat vor allem mit der geringen Variation von Ereignisplättchen zu tun. Für jede der vier Runden gibt es ein eigenes Deck, das jeweils vollständig auf den Spielplan verteilt wird. Das bedeutet, dass man nach einigen Spielsitzungen genau weiß, welche Plättchen in den jeweiligen Runden aufgedeckt werden. Lediglich die Reihenfolge, in der die Wikinger auf ihren Raubzügen auf sie stoßen, ist eine andere. Das sorgt andererseits natürlich dafür, dass nicht allzu viele Zufälligkeiten den Spielfluss verändern und man irgendwann sehr gut auch über eine Runde hinaus planen kann. Wer Raids aber nicht regelmäßig in einer festen Runde mit etwa gleich guten Spielern spielt, dürfte von den sporadischen Überraschungen, die das Spiel bei jeder Partie mit sich bringt, wenig begeistert sein. Das ist natürlich ein Problem, das viele Spiele betreffen kann. Für ein Spiel dieser Komplexität und Aufmachung zeigt Raids diese Problematik allerdings relativ früh auf.

Raids bleibt dennoch ein gutes, nicht zu komplexes Renn- und Sammelspiel, das durch die vielfältigen Möglichkeiten Siegpunkte zu erringen, genug Knobelpotenzial für jedermann bietet. Die tolle Ausstattung trägt erst recht dazu bei, dass man so viel von dem glänzenden Kram anhäufen möchte wie nur irgend möglich. Fans des Wikinger-Szenarios sollten definitiv einen Blick riskieren.
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Raids von Matthew Dunstan und Brett J. Gilbert
Erschienen bei iello
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 40 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier iello)