19.04.2019

Downforce


Es gibt Spielschachteln die einem sofort ins Auge fallen; mal positiv, mal weniger positiv. Die Box ist das erste was wir vom Spiel sehen, und wahrscheinlich das letzte was uns am Ende der Spielrunde in Erinnerung bleibt. Unser Interesse jedoch wird mit der Schachtel geweckt, natürlich nur, wenn wir das Spiel nicht kennen, und wir entwickeln automatisch eine Erwartungshaltung an den Inhalt dieser; Wir sehen einen Drachen und erwarten, dass wir auch im Spiel gegen diesen Drachen mit Schwert und Zauberstab antreten. Und wenn wir das Spiel dann gespielt haben, merken wir, dass wir uns mehr erhofft haben und der Inhalt nicht nur spielerisch, sondern auch stilistisch nichts mehr mit dem Versprechen der Verpackung zu tun hat.


Manchmal sehen wir aber auch eine Verpackung die aussieht wie Omas alter Zipfelrock, spielen dann aber das Spiel und verlieben uns.
Und ganz selten finden wir Spiele die von der Verpackung bis zum Spielgefühl wie aus einem Guss sind. Und im Falle von Downforce trifft für mich letzteres definitiv zu! Downforce ist ein richtiger Hingucker, sowohl von außen als auch von innen. Die drei Künstler, Coburn, Crampton und Taylor, haben den Art Style von vorne bis hinten durchgezogen, und das, indem sie für alle Komponenten nur fünf Farben verwendet haben. 

Aber schauen wir zunächst, was unter der Haube des Autorennen-Wetten-Spieles steckt.

Downforce heißt auf Deutsch Abtrieb und beschreibt das Phänomen eines sehr schnellen Objektes, das, aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit in Kombination mit dem Luftwiderstand, stärker zu Boden gedrückt wird, als es alleine durch das Eigengewicht möglich wäre. Das ist der Grund, warum Formel 1 Autos trotz ihres vergleichsweise geringen Gewichtes nicht abheben, wenn sie mit 300 kmh um die Kurve rasen. 


Im Spiel Downforce wetten wir auf den Ausgang eines Rennwagen-Rennes und kassieren dafür ordentlich Kohle. Am Ende gilt natürlich: Wer mehr Geld hat, gewinnt!
Zu Spielbeginn ersteigern wir uns mindestens ein Auto, was zunächst ein Minus auf dem Konto bedeutet, das durch einen vorteilhaften Rennverlauf schnell zu einem Plus werden sollte. Dazu werden Karten heimlich platziert und gleichzeitig umgedreht. Wer den höheren Wert der entsprechenden Autofarbe auf seiner gespielten Karte aufweist, schnappt sich das Auto und notiert sich die Kosten auf dem Spielerzettel. Alle sechs Rennautos werden so unter den Spielern versteigert. 

Aber wir sind nicht bloß stille Beobachter und heimliche Geldgeier, nein wir legen noch selber Hand an, wenn es darum geht das eigene Auto bzw. die eigenen Autos zu manövrieren. Wir sind sozusagen Investor und Fahrer gleichzeitig. Dieselben Karten, die für das Ersteigern der Wagen benutzt werden, werden später auch für das Bewegen der Autos selbst benutzt. Außerdem ersteigern wir gleichzeitig mit dem Auto eine individuelle Fähigkeit. Diese gibt ausschließlich unserem Auto bzw. unseren Autos Vorteile im Rennen, sodass wir hoffentlich nicht nur auf den richtigen Sieger tippen, sondern auch mit einem unserer eigenen Autos als erste durch die Ziellinie fahren.
Ach, fast hätte ich es vergessen, die Rennautos sind natürlich kleine Formel 1 artige Plastikfigürchen, die ihren Zweck sehr gut erfüllen.


Nachdem also die Auktion geendet und jeder mindestens einen Wagen hat, werden diese zufällig auf den Startfeldern platziert und das Rennen geht los. Das Spielbrett ist doppelseitig und bildet zwei verschiedene Rennstrecken ab. Gespielt wird nacheinander und es gibt nur eine Aktion: Das Ausspielen einer einzigen Geschwindigkeitskarte. Wer eine solche Karte spielt, bewegt alle darauf abgebildeten Rennwagen, und zwar der Anzahl der abgebildeten Felder entsprechend in absteigender weise, also von oben nach unten. Es müssen alle abgebildeten Autos, um den angezeigten Wert, bewegt werden. Spielt also jemand die Karte „5 Rot“ „2Grün“ „1Gelb“ bewegt er zuerst das rote Auto fünf Felder, dann das Grüne zwei und schließlich das Gelbe eins nach vorne.
Dabei darf er die Fahrbewegung selber bestimmen und kann so in den Kurven, durch geschicktes ausspielen der Bewegungskarten, den Weg blockieren um die hinten liegenden Autos, die im Idealfall nicht die eigenen sind und auch nicht die, auf die er gewettet hat, am Vorbeifahren zu hindern.
Neben den Farbkarten tauchen auch immer wieder Joker Karten auf, die dem Spieler die Wahl überlassen, welches Gefährt er bewegen möchte.


Gewettet wird, sobald die erste der drei gelben Linien auf der Rennstrecke von einem Rennwagen erreicht wird. Sofort dürfen alle Spieler heimlich notieren, auf wen sie ihr Geld setzen. Dies findet im Rennen dreimal statt und bringt mit jeder Wette weniger Geld, da es gegen Ende deutlicher wird, wer gewinnen könnte.
Überqueren alle Rennwagen die Ziellinie, werden die Wetten verglichen und der Platzierung entsprechend Geld ausgeschüttet. Neben den Autos, auf die man gewettet hat, bekommt man auch Geld für die Leistung der eigenen. Wer also gewinnen will, muss sowohl ein Auge auf dem Gesamtrennen als auch auf seinem Team haben.

Das erste woran ich denken musste, als ich Downforce spielte, war Camel Up. Downforce fällt in eine ähnliche Nische und beinhaltet auch eine ähnliche Spielmechanik, was das Bewegen der Rennwagen angeht. Jedoch löst Downforce die Unberechenbarkeit hier mit Bravour, indem es den Spieler aktiv in die Bewegung der Rennwagen eingreifen lässt und mehr Platz für Strategien bietet. Dies wird natürlich nur dadurch möglich, dass es mehrere Spuren gibt, was dem Spiel eine weitere Dimension verleiht. Das Zielpublikum für Downforce ebenfalls weiter gefächert als das von Camel Up. Familien mit kleinen Kindern, aber auch Vielspieler werden hier fündig.


Ich habe ja schon vorweggenommen, dass mir Downforce sowohl optisch als auch spielerisch sehr gut gefallen hat. Der Hauptgrund dafür ist das, ich möchte es schon fast minimalistische Design nennen. Was ich damit meine lässt sich an folgenden Beispielen aus dem Spielablauf erklären:

Ich Ersteiger gleichzeitig einen Wagen und eine individuelle Fähigkeit, nicht beides nacheinander. Ich nutze die Geschwindigkeitskarten auch als Einsätze in der Auktionsphase, so brauche ich nicht noch mehr Karten auf dem Tisch. Ich muss mich gleichzeitig um einen Rennwagen als auch um das Gesamtrennen kümmern, was dem Spiel eine zusätzliche Tiefe verleiht, ohne aufgesetzt zu wirken.


Dadurch dass das Spiel immer wieder einen Spagat zwischen diesen Mechanismen schafft, wird das Spielerlebnis auf das nötigste reduziert und endet in einem spannenden Rennen ohne Downtime.
Dieser Minimalismus spiegelt sich weiter im Art Design, in den Regeln und im Spielgefühl wieder; Es ist ein Autorennen ohne Schnick Schnack, nicht mehr nicht weniger. Es ist schnell erklärt, schnell aufgebaut, schnell gespielt, schnell abgebaut. Und vor allem spaßig!

Noch nie war die Bezeichnung elegant passender!


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Downforce von Rob Davian und Wolfgang Kramer
Erschienen bei iello
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 30 Minuten
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier iello)