24.04.2019

Villainous


Als ich Villainous von Ravensburger in den Regalen gesehen habe, musste ich es einfach haben. Sofort waren die Kindheitserinnerungen wieder da. Lange Filmnachmittage zuerst im Kino und später dann auf VHS daheim. Ich rede von Disney. Und als Kind der 90er Jahre gibt es da so einige Klassiker: Das Dschungelbuch, Der König der Löwen, Aladin und und und. Villainous bringt nun endlich mal ein Disney Spiel mit offizieller Lizenz auf den Markt, welches nicht nur für das heimische Kinderzimmer gedacht ist - nein, die Familienrunde ist die angestrebte Zielgruppe.

Materialtechnisch überzeugt Villainous auf ganzer Linie. Die Lizenz wurde würdig verarbeitet. Das fängt bereits damit an, dass Ravensburger auf die klassische blaue Ecke verzichtet hat, um dem Cover seine volle Entfaltung zu ermöglichen. Die Filmszenen sind gut in die mitgelieferten Karten transportiert, die Kartenrückseiten gefallen mir persönlich auch außerordentlich gut und auch das restliche Material ist schick. Villainous weiß durchaus zu gefallen und macht Lust auf die erste Partie.


In Villainous übernehmen wir aber nicht etwa die Rollen der lieben Filmhelden, sondern wir spielen die Bösewichter. Dschafar, die Herzkönigin, Captain Cook usw. Ganze 6 Bösewichter sind mitgeliefert (Erweiterungen bereits angekündigt - hoffentlich auch auf deutsch), welche sich allesamt völlig unterschiedlich spielen. Villainous ist nämlich ein höchst asymmetrisches Spiel, das dann endet, wenn einer der Bösewichte sein ganz persönliches Ziel erfüllt hat. Während Little John beispielsweise einfach nur eine bestimmte Anzahl an Machtpunkten haben muss, versucht Captain Hook beispielsweise Peter Pan auf der Jolly Roger zu erledigen. Das fühlt sich nicht nur thematisch an, sondern ist auch herzerfrischend.


Spielerisch bietet Villainous mittelschwere bis familientaugliche Kost, die in ca. einer Stunde abgespielt ist (bei 3-4 Spielern). Die Aktionen dabei sind simpel. Wie in beispielsweise Scythe bewege ich meinen Bösewicht auf meinem ganz persönlichen Brett zu einem Ort (stehenbleiben ist verboten) und führe dort die abgebildeten Aktionen aus. Diese sind dabei zumeist solitärer Natur. Ich spiele Handkarten aus, bewege Handlanger (alle thematisch zu meinem Bösewicht passend und aus dem Film bekannt) oder sammle Macht. Interaktion kommt erst durch die Schicksalaktionen in Spiel. Führe ich eine solche Aktion aus, kann ich den Gegnern in die Suppe spucken, indem ich eine von zwei gezogenen Karten aus deren Schicksalsdeck bei ihnen ins Spiel bringe. Was beherbergt das Schicksalsdeck? In kurz und knapp all das, was der jeweilige Bösewicht hasst. Im Falle von Captain Hook beispielsweise Peter Pan himself!


Diese Helden (in Villainous eher ungeliebt) erschweren uns das Leben. Sie blockieren nicht nur bestimmte Aktionen auf unseren Orten, sondern interagieren auch zumeist mit unseren Machenschaften. Wir wollen sie also loswerden. Gut, dass wir in der Regel auch eine eigene Gefolgschaft haben, die wir einsetzen können, um uns dieser „Helden“ zu entledigen. All das ist höchstthematisch und von Bösewicht zu Bösewicht sehr unterschiedlich. An dieser Stelle muss auch gesondert erwähnt werden, dass für jeden Bösewicht aufgrund der angesprochenen Asymmetrie ein extra Handbuch beigelegt wurde mit den jeweiligen Besonderheiten. Das erleichtert den Einstieg erheblich.


Der Hauptreiz von Villainous geht ganz klar vom liebevoll umgesetzten Thema aus und der sehr unterschiedlichen Bösewichte, welche ich alle einmal ausprobieren möchte. Aber bleibt der Reiz auch danach? Ganz klar: Er schwächt sich ab. Villainous ist spielerisch kein Überflieger und hat auch einige sehr derbe Take-That-Momente, die es erstmal zu verdauen gilt. Spieler, die eine solche direkte Interaktion nicht mögen, sind hier nicht unbedingt gut aufgehoben. Bemängeln könnte man ebenfalls, dass Villainous spielerisch nicht unendlich viele Möglichkeiten bietet. Die Aktionen sind oft klar und orientieren sich ohnehin oftmals daran, welche Stöcke einem die Gegner im Verlauf einer Runde zwischen die Felgen werfen.


Villainous will aber auch nicht mehr. Es orientiert sich ganz klar an Familienspieler und dafür ist es gold wert! Es setzt die Disneylizenz liebevoll an jeder Stelle um und lässt auch Kinderaugen aufblitzen. Für Vielspieler bietet es einen schönen nostalgischen Ritt in die Vergangenheit und lädt auch zum Ausprobieren der unterschiedlichen Bösewichte ein. Ich persönlich bin fasziniert von Villainous und warte sehnsüchtig auf Erweiterungen (König der Löwen wo bist Du?). In meinen Familienspielrunden, aber auch in den Runden mit Kennerspielern kam es prima an, nicht zuletzt da es einen enormen Aufforderungscharakter für Nichtspieler hat, die man mit Villainous prima ans Hobby heranführen kann.
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Villainous von Prospero Hall
Erschienen bei Ravensburger
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 50 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Ravensburger)