08.11.2019

Wendake und New Allies


Heute dürfen die Eurospieler mal ganz genau hinhören bzw. hinschauen, denn ich rezensiere Wendake aus dem Hause Placentia Games in Italien. Italienische Autoren sind ja in der Brettspielszene oft Schöpfer von komplexen Eurospielen (Marco Polo, Newton, Lorenzo). Anders auch nicht bei Wendake  bei dem aber - und soviel sei vorweggenommen - eine gehörige Portion Thema dazukommt.

Wo befinden wir uns denn eigentlich thematisch bei Wendake  Konkret sind wir indianische Stämme vor der Kolonialisierung Amerikas (bzw. gerade zu dessen Beginn) und vertreiben und die Zeit in unserem Alltag mit Jagen, Fischen, Gemüse anbauen, Masken sammeln, Handeln und am Lagerfeier rumstehen. Klassischer Indianer-Alltag eben. Dabei treffen wir immer wieder auf konkurrierende Stämme, die nicht immer neben uns koexistieren wollen, sondern mit uns um die besten Jagdgründe wetteifern. Frauen werden beim Gemüse ernten von feindlichen Kriegern vertrieben und müssen nach dem Schock erstmal ins heimische Medizinmann-Zelt. Da sagt noch einer, dass die Europäer die Gewalt in den neuen Kontinent mitgebracht hätten. Am Ende kann es halt (nach alter Highlandermanier) nur einen geben; nämlich den mit den meisten Siegpunkten.


Wendake ist spielmechanisch ein Arbeitereinsetzspiel, bei dem wir unsere Arbeiter auf unserem individuellen Dorf einsetzen können. Dreh-, und Angelpunkt und zugleich Einzigartigkeit ist eben jenes Dorf, welches aus einem 3x3-Raster an Einsetzmöglichkeiten besteht. Meine drei Aktionen darf ich nämlich nicht nur in einer horizontalen, vertikalen oder diagonalen Linie auf diesem Aktionsraster ausführen (was gehörig Planung bedarf), sondern eben jenes Raster werde ich im Laufe einer Partie Wendake individuell verändern und verbessern, indem ich mir neue Aktionsplättchen hinzukaufe, bzw. ertausche. Klingt spannend? Ist es auch. Nicht nur, dass dieser Mechanismus einzigartig ist, sondern er sorgt auch für gehöriges Gehirnverzwirbeln. Die unterste Reihe rutscht nämlich zusätzlich am Ende einer Runde noch aus dem Raster raus und wird oben wieder angelegt. In einer Runde benutzte Felder werden zudem umgedreht und können erst wieder genutzt werden, wenn ihre Rückseite (ein Stammesritual, was Punkte und Verletzte zurückbringt) auch genutzt wurde. Allein dieser Mechanismus in Wendake ist einen Blick für jedermann, der sich im Bereich der komplexen Euros tummelt, wert.


Zweite Besonderheit bei Wendake ist das interaktive Brett in der Tischmitte, wo sich die Jagdgründe befinden und wir Krieger aussenden können. Wendake ist nämlich - und das ist eher untypisch für komplexe Euros - höchst interaktiv. Ich kann nämlich mit meinen Kriegern andere Krieger angreifen (simpler Austausch), oder (viel sinnvoller) gegnerische Arbeiter auf den Feldern vertreiben, um im Anschluss eigene Arbeiter dort zu platzieren. Macht das Spaß? Vermutlich nicht jedem. Mir persönlich ist diese Art der Interaktion eine willkommene Abwechslung in diesem Genre, denke aber, dass es viele Hardcore-Fans auch abschrecken könnte. Dabei ist es mit der richtigen Planung durchaus möglich die eigenen Bereiche zu schützen.


Wie komme ich denn jetzt eigentlich an die begehrten Siegpunkte? Auch hier macht Wendake einiges clever. Tatsächlich gibt es vier Siegpunktleisten, welche durch unterschiedliche Aktionen im Spiel bedient werden. Dabei hängen jeweils zwei zusammen. Am Ende bekomme ich jeweils die Punkte der am wenigsten vorangeschrittenen Leiste der beiden Paare. Was? Nochmal in langsam: Ich muss also auf allen Leisten möglichst voran kommen, da ich sonst bei einer Leiste zu wenig bekomme, bzw. muss darauf achten, dass die „Paarleisten“ gleichmäßig bedient werden.

Bleibt mir nur noch etwas zum Material zu sagen, welches großartig ist. Die Meeples sehen wie kleine Indianer aus und das generelle Artwork wirkt rund, wenn auch nicht sonderlich modern. Die Box selbst ist vorbildlich. Kein verschenkter Platz und nimmt daher wenig Platz im Regal weg.


Wie sieht denn nun mein Gesamtfazit zu Wendake aus? Wendake ist ein modernes Eurogame mit einer hervorragenden und einzigartigen Grundmechanik. Allein deswegen lohnt sich ein Blick. Allein aufgrund dieser Mechanik behält es seinen Platz in meiner Sammlung. Die Varianz in den Strategien ist dadurch enorm hoch und lädt zum Ausprobieren ein. Keine Partie ist wie die andere, weshalb Wendake immer wieder frisch wirkt. Wem das Grundspiel nicht genug ist, der schaut mal zur Erweiterung…

…New Allies

Und schwups ist es vorbei mit der Indianer-, und Lagerfeuerromantik. Die Europäer kommen und haben Gewehre dabei. Diese bilden eine neue mächtige Ressource, die ich mit den Europäern (Engländer und Franzosen) handeln kann.

Grundsätzlich wurde das Kolonialisierungsthema hier aber recht human behandelt. Wir haben hier eben nicht die brutalen Weißen, die sich nehmen ,was sie wollen, sondern die beiden Nationen dienen eher als Verbündete, die den Spielern weitere Optionen bieten. So laufen nun beispielsweise Engländer- und Franzosenmeeples durch das Gestrüpp und vertreiben lediglich die gegnerischen Krieger (während eigene Indianerkrieger die Gegner noch angreifen). 


Prinzipiell dreht sich alles in der Erweiterung um eben jene Ankunft der Europäer und die Komplexität wird nochmals eine Stufe nach oben geschraubt. Nun muss man nämlich noch den Europatrack im Auge behalten, sowie neue Plättchen, neue Meeples und neue Möglichkeiten Siegpunkte zu machen. Macht es das Spiel besser? Ganz ehrlich: Besser nein. Komplexer ja. Braucht man die Erweiterung? Vermutlich nur, wenn man das Basisspiel sehr sehr sehr oft gespielt hat und noch weitere Möglichkeiten haben möchte. Ein Must-Have ist sie jedenfalls nicht. Produktionstechnisch ist sie ebenfalls nicht so ganz gelungen, da sie mit vielen Stickern arbeitet, die sich farblich auf den Meeples nicht so gut unterscheiden lassen (ich habe allerdings auch eine rot-grün Schwäche). Probleme, wie sie andere hatten, dass sich die Aufkleber immer ablösten, hatte ich in meiner Version nicht.

Was bleibt zu Wendake zu sagen? Tolles Basisspiel mit einzigartigem Grundmechanismus, mit einer Erweiterung, die man sich erst zulegen sollte, nachdem man das Basisspiel einige male gespielt hat.

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Wendake von Danilo Sabia
Erschienen bei Post Scriptum
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Post Scriptum)