15.06.2020

Era of Kingdoms


Vom kleinen Dorf im Walde zur blühende Feste. Am Hofe weilt alles nur vorstellbare Gesinde und eure Herrschaft wächst! Während sich die Gebäude immer weiter entwickeln und wir Angriffe unserer Konkurrenten abzuwehren versuchen, schmieden wir heimlich unseren Plan für die Macht – was wie in einem Mittelalter-PC-Spiel klingt, verspricht Era of Kingdoms auf den Tisch zu bringen. Und dafür will es gerade einmal nur ein gutes Stündchen unserer wertvollen Zeit haben. Ob das was werden kann? Lasst es uns herausfinden!

Die Kontrolle über ein kleines Konglomerat mitten im Wald übernehmend, bauen wir unser Reich mittels Tableaubuilding, wie es im Brettspiellehrbuch steht, auf. Ich werde hier als erstes die Standardversion beschreiben und später auf enthaltene Minierweiterungen eingehen, welche einen enormen Einfluss auf das Spiel haben. Zunächst Schachtel auf und Spiel auf den Tisch. Es fällt auf, dass ein minimalistisches Inlay enthalten ist, welches seinen Zweck – die vielen Karten zumindest etwas an Ort und Stelle zu halten – jedoch erfüllt. Die Grafik bietet dabei einen besonderen Moment, denn sie ist irgendwie untypisch für Spiele, mit denen ich bis jetzt in Berührung gekommen bin. Nicht wirklich cartoonlastig, eher sehr realistische Zeichnungen, wie man sie vielleicht aus einem Was-Ist-Was-Kinderbuch übers Mittelalter kennt. Zudem sind an einigen Stellen Elemente historischer Darstellungen eingearbeitet, bzw. werden sie nachempfunden. Die allgemeine Qualität ist dem heutigen Standard entsprechend, also alles fein. 


Man bekommt ein eigenes Tableau, auf welchem insgesamt 12 Karten Platz finden. Ein Spot ist dabei jedoch für unser Haupthaus reserviert, welches man später im Spiel erhalten und upgraden kann. Karten bekommt man dann vom ersten der drei Stapel, den Basic-Karten. Hierin befinden sich nur Karten der Stufen eins und zwei, welche man jedoch als Grundlage für den weiteren Ausbau benötigt. Nun wird entweder ein Wald/Feld/Berg/Dorf platziert oder eine Person angeheuert (immer unter der Voraussetzung, dass man etwaige Kosten begleichen kann), welche dann wieder Vorteile, meist in Form von Ressourcen, für das eigene Reich bringen. Ist man fertig mit seinen Aktionen, darf man vom Stapel (am Anfang immer Basic!) aufs Handkartenlimit aufziehen und der Nächste ist dran. 

Interessant wird es, wenn man mehrere Stufe 2 Karten in seinem Reich liegen hat, dann darf man nämlich sein Haupthaus setzen (rein kosmetisch, aber schön) und beim Nachziehen auch vom zweiten Stapel eine Karte ziehen, den Intermediate-Karten. Hier beginnt es spaßig zu werden, weil man jetzt Zugriff auf die Stufe drei und vier Gebäude/Personen hat. Hat man dann auch ein paar Stufe drei Karten gespielt, wird die Haupthauskarte auf die schönere Rückseite gedreht und man hat die Ehre, Karten vom Advanced-Stapel zu ziehen – der richtig heiße Scheiß. Denn hier warten die Bonus-Punkte, die siegentscheidend sein können. 


Aber Rouven, jetzt hast du schon so oft vom Aufleveln gesprochen – wie funktioniert das? Gute Frage! Also alle Karten haben Stufen 1-4. Für Personen gelten keine besonderen Voraussetzungen, man darf sie immer Spielen, wenn man die nötigen Kosten begleichen kann. Für Gebäude hingegen muss man sich nach oben arbeiten. D.h. eine Stufe-Zwei-Karte kann nur und muss auch unbedingt auf eine Stufe-Eins-Karte gelegt werden. Damit wird diese dann geupgraded. Baut man jedoch weiter aus, ist die Reihenfolge nicht relevant, meint auf eine Zweier kann auch eine Vierer gebaut werden. Auch kann eine Vierer auf eine Einer gebaut werden. Dieses Fundament der ersten Karte braucht man jedoch immer! Was manchmal dazu führt, dass man im späteren Spielverlauf richtig schöne Stufe-Vier-Gebäude auf die Hand zieht, aber auf Teufel-komm-raus keine Basiskarte ergattern kann, um die Punkte zu bekommen. Strategisch sollte man daher sehr breit bauen, um im Late-Game zur Not für alles das passende Fundament parat zu haben. 


Und das war auch schon das ganze Spiel – also fast. Es wird gespielt, bis jemand im Advanced-Stapel die Karte „Zeitalter der Aufklärung“ zieht, dann ists vorbei und die meisten Punkte krönen dann den oder die, welche die Era of Kingdoms am erfolgreichsten gemeistert haben. Abseits dessen kann man sich noch ein bisschen in die Fahrt crashen, indem man Seuche Karten auf gegnerische Felder spielt (mindern Erträge), oder die Gegner mit Angriffen belegt. Dabei gibt es Siegpunkte zu klauen, von denen jeder am Anfang einige bekommt. Hat man jedoch keine mehr, gibt’s auch nichts zu holen. 

Und, was denke ich dazu? Schön ists. Angenehm zu spielen, auch wenn die Symbole etwas fiddelig und klein sind. Man kommt relativ schnell rein und Era of Kingdoms weist auch eine angenehme Spielgeschwindigkeit auf. Das Aufleveln der Gebäude ist das Schönste, es ergreift mich irgendwie sehr, zu sehen, wie die Gebäude größer werden und aus einem kleinen Dorf eine wahre Stadt mit Kathedrale geworden ist. Auch die Sticheleien mit den MitspielerInnen sind ganz nett. 


Ja, nett. Denn alles in allem ist das Grundspiel so stark zufallsabhängig, dass man sich manchmal an den Haaren raufen könnte, wenn man nicht die passenden Karten zieht. Denn es kann durchaus vorkommen, dass eine ganze Hand für die Tonne ist. Aber zum Glück gibt es die Minierweiterungen! Hoch soll’n sie leben! Die Erste führt direkt eine sogenannte Handelsroute ein. Nichts anderes als ein Tableau auf dem die Karten zur Auswahl liegen und man nun nicht blind zieht, sondern sieht, was man bekommen kann! Warum man das nicht schon ins Grundspiel gepackt hat, ist mir ein Rätsel. Es verbessert Era of Kingdoms mindestens um das Doppelte! Klar ist es immer noch glückslastig, was für Karten da so kommen, aber heureka, es ist ein viel besseres Spielgefühl!

Und ja, es gibt noch weitere Minierweiterungen, die noch ein bisschen mehr mit dieser Handelsroute interagieren und auch Spielern zwischen den Zügen anderer Zugriff auf die Auslage gestatten. Aber keine hat mich so vom Hocker gerissen, wie die ursprüngliche Einführung der Handelsroute.

Was machen wir jetzt? Era of Kingdoms an die Mittelalter-LiebhaberInnen empfehlen. Denn das ist es wohl: Ein Kartenspiel mit viel Liebe zum grafischen Detail, was spielerisch im oberen Mittelfeld rangiert. Es ist solide, macht (mit der Erweiterung!!!) wenig verkehrt und vieles richtig und lädt zu einer entspannten Tableaubuilding-Runde ein. Durch diesen Level-Mechanismus hat es sogar etwas, was man nicht so oft findet und vielleicht auch Menschen vom Computer an den Tisch locken kann. Probierts ruhig mal aus.


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Era of Kingdoms von Michael Erisman
Erschienen bei KC Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 40 Minuten ab 8 Jahren
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier KC Games)