04.06.2020

No Return


„Nur noch die paar Steine…“, hörte man mich bei der dritten Partie des Tages vor mich her murmeln. Ich kläre auf: Es ist nicht bei den paar Steinen geblieben, ich war wieder einmal zu gierig und habe einmal mehr überzeugend knapp verloren! Denn bei No Return geht es um das richtige Timing, also wann genau ich von Phase 1 in Phase 2 wechseln sollte… Aber jetzt mal ganz von vorne… No Return ist ein Zahlen-Steinchen-Lege-Reihenbildungs-Spiel und erinnert einerseits an Keltis und andererseits an Qwirkle. Wie bei Keltis müssen in der ersten Phase des Spiels verschiedenfarbige Zahlenreihen mit den Spielsteinen gebildet werden, wobei man als alternative Aktion auch jeweils bis zu vier seiner insgesamt acht Spielsteine austauschen kann, wie man es so ähnlich aus Qwirkle gewohnt ist. Der besondere Kniff bei No Return liegt dann jedoch in der zweiten Phase, in der mithilfe der eigenen Handsteine die ausliegenden Zahlenreihen wieder abgebaut werden. Alle auf diese Weise abgebauten Steine bringen am Spielende Pluspunkte, alle noch ausliegenden Steine Minuspunkte. Die entscheidende Frage, die sich daher in jeder Partie erneut aufdrängt, ist also: Wann gehe ich von Phase 1 in Phase 2 über? Lege ich potentielle Pluspunkte noch schnell an oder beginne ich aus Angst vor drohenden Minuspunkten lieber schonmal mit dem Abbau? Aber sei gewarnt, denn einmal in Phase 2, gibt es, wie der Name des Spiels bereits verrät, kein Zurück!


Material

Das Spiel kommt in einer recht eleganten Box und schlankem Inhalt daher, nämlich einer Anleitung und einem Beutel, der mit insgesamt 132 Spielsteinen in sechs verschiedenen Farben gefüllt ist. Mehr braucht man zum Spielen aber auch nicht. Die Steine sind recht handlich und groß genug, um die Zahlen darauf gut erkennen zu können. Allerdings sind zwei dieser Farben – rot und pink – bei durchschnittlich guten Lichtverhältnissen zeitweise nur mit Mühe und Not auseinanderzuhalten. Nicht spielbar ist das Spiel hingegen für Farbenblinde oder Menschen mit einer Rot-Grün-Schwäche, da es abgesehen von den unterschiedlichen Farben keine weiteren Unterscheidungsmerkmale – bspw. durch Symbole auf den Spielsteinen – gibt. 


Ablauf

Eine Partie No Return durchläuft immer zwei Phasen, wobei jeder Spieler individuell entscheidet, wann er in die zweite Phase wechseln möchte. Reihum hat der aktive Spieler immer die Wahl zwischen dem Auslegen gleichfarbiger Spielsteine und dem Austauschen von Spielsteinen, wobei die auszutauschenden Steine hierbei unwiderruflich aus der Partie entfernt werden. Beim Bilden der Reihen muss lediglich darauf geachtet werden, dass man in einem Zug immer nur gleichfarbige Steine in absteigender Reihenfolge aus- bzw. anlegen kann, wobei Lücken in den Zahlenreihen erlaubt sind, die im Nachhinein jedoch nicht mehr aufgefüllt werden können. Jeder Spieler hat somit bestenfalls jeweils bis zu sechs Zahlenreihen unterschiedlicher Farbe vor sich liegen. Sobald sich ein Spieler dazu entscheidet, in Phase 2 zu wechseln, muss er ab jetzt die ausliegenden Zahlenreihen abbauen, indem er gleichfarbige Handsteine zusammenaddiert und eine entsprechende Summe ausliegender Steine aus derselben Zahlenreihe als Pluspunkte einheimst – nun von der niedrigsten Zahl beginnend. Natürlich darf man auch in Phase 2 alternativ bis zu vier Handsteine pro Zug austauschen, was vor allem auch dann Sinn macht, wenn man bereits alle eigenen Steine abgebaut hat, während die anderen Spieler noch fleißig im Abbau begriffen sind. Etwas anderes bleibt einem in dieser Situation auch nicht übrig, denn wie inzwischen klar sein sollte, gibt es in diesem Spiel kein Zurück zur ersten Phase. Das Spiel endet, wenn der Beutel mit den Spielsteinen leer ist und jeder gleich oft an der Reihe war.


Fazit

Die größte Stärke von No Return ist meines Erachtens nach die Spieldauer und der Wiederspielreiz. Denn eine Partie ist schnell gespielt und immer aufs Neue spannend, da man beim Timing für den Phasenwechsel zwar von Partie zu Partie feinfühliger wird, sich jedoch nie vollends voraussagen lässt, wie viele Steine die Mitspieler nachziehen werden und ob man für den Abbau die richtigen Zahlen und Farben ziehen wird. In manchen Partien sind die Versuchungen in Phase 1, noch mehr und höhere Zahlen anzulegen, einfach zu hoch und man schafft es beim Gegenrechnen der Plus- und Minuspunkte am Ende gerade noch einem Minuspunkte-Resultat zu entgehen. In anderen Partien weiß man es besser und geht frühzeitig in Phase 2 über, um am Ende festzustellen, dass man ruhig noch den ein oder anderen Stein in Phase 1 hätte anlegen können. Besonders befriedigend sind jedoch die Partien, in denen man mit dem letzten Zug den letzten ausliegenden Stein mit dem Wissen abbaut, es nicht hätte besser machen zu können. Natürlich lässt sich das Endresultat in manchen Partien bereits relativ früh vorhersagen, doch in der Regel sind alle Spieler so auf ihre eigenen Reihen fixiert, dass dies niemandem wirklich auffällt. Außerdem lässt sich eine scheinbar aussichtlose Partie unter Umständen vielleicht doch noch dadurch gewinnen, dem Gegner durch ständiges Nachziehen von vier Steinen die Spielzeit so zu verkürzen, dass dieser beim Abbau der eigenen Zahlenreihen nicht hinterherkommt und am Ende noch zu viele Minuspunkte vor sich liegen hat.


Dem Hochgefühl des richtigen Timings auf der einen Seite, steht in einigen Partien jedoch auch ein recht hoher Frustrationsgrad gegenüber, der durch den hohen Glücksfaktor beim Ziehen neuer Spielsteine entsteht. Man stelle sich vor, man tausche in Phase 2 vier niedrige Spielsteine unterschiedlicher Farbe mit der Hoffnung auf höhere oder gleichfarbige Steine aus, um dann jedoch sogar noch niedrigere und abermals verschiedenfarbige Spielsteine aus dem Beutel zu fischen. Auf diese Weise kann auch das perfekte Timing durch fehlendes Ziehglück bitterlich und rasch neutralisiert werden. Hinzu kommen noch die erwähnten Schwächen bei der Farb- bzw. Spielsteingestaltung, bei der farbenblinde Spieler leider komplett ignoriert wurden. Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass in diesem Spiel recht viel gerechnet wird, da beim Abbau der Zahlenreihen in Phase 2 die Summen gleichfarbiger Handsteine ständig den Summen ausliegender Zahlen gegengerechnet werden müssen. Für uns war dies eine willkommene Gelegenheit, mal wieder etwas für die eigenen Kopfrechenkünste zu tun. Für diejenigen, denen das Zusammenrechnen der finalen Punkte bei Kniffel bzw. Yahtzee bereits zu viel ist, könnte das ständige Zusammenaddieren jedoch unter Umständen ein wenig zu anstrengend werden.


Alles in allem kann ich No Return vor allem Genreliebhabern, die sich bereits für Keltis, Qwirkle und ähnliche Vertreter des Genres begeistern konnten, ohne Weiteres empfehlen. Das Spiel funktioniert zu zweit wie auch zu viert einwandfrei, und vor allem das ständige Abwägen zwischen munterem Anlegen von Spielsteinen und rechtzeitigem Abbaubeginn besagter Steine sorgt bei No Return immer wieder aufs Neue für große Spannung. Ich wünsche euch jedenfalls viel Glück beim Ziehen!


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No Return von Marco Teubner
Erschienen beim Moses Verlag 
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 30 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Moses Verlag)