17.07.2020

Spicy


Ab und zu gibt es mal kleine Kartenspiele, die stechen aus der breiten Masse hervor. Das waren beispielsweise in der Vergangenheit Titel wie Hanabi oder auch LAMA. Zugegebenermaßen habe ich mich bei diesen beiden Titeln nicht unbedingt als Zielgruppe betrachtet und sie deswegen zwar gespielt, aber so wirklich der Dauerbrenner konnten sie bei mir nicht werden. Als dieses Jahr dann Spicy von Heidelbär Games auf den Markt kam, schaute ich mal etwas genauer hin. Abgefahrenes Thema und goldglänzende Box mit goldglänzenden Karten. Wow, was ein Hingucker. Wie das Spiel funktioniert, ist doch dann egal, oder? Also zugeschlagen. Alles richtig gemacht. Warum?


Spicy ist von seinem Regelgerüst verdammt einfach und in wenigen Worten erklärt. Spieler legen reihum verdeckt Karten auf einen gemeinsamen Kartenstapel. Dabei gilt es regeltechnisch eine von drei Farben zu bedienen und noch dazu immer einen höheren Wert dieser Farbe abzulegen. Alternativ zum Ablegen, habe ich die Möglichkeit die aktuell ausgespielte Karte anzuzweifeln. Anzweifeln? Richtig, anzweifeln. Dadurch, dass Karten verdeckt ausgelegt werden, kann ich als auslegender Spieler auch flunkern. Habe ich beispielsweise die zu bedienende Farbe garnicht auf der Hand, kann ich einfach behaupten es wäre diese. Da die Karte verdeckt ist, sieht es ja schließlich keiner. Nach der angesagten „rot, 4“, kann ich beispielsweise selbstsicher die „grün, 6“ ablegen und sagen „rot, 6“. Zweifelt das keiner an, geht es einfach weiter. Wird aber angezweifelt, muss der Zweifler entscheiden, was denn nun genau nicht stimmt. Farbe oder Zahl. Zweifle ich korrekt an, bekomme ich alle gespielten Karten, die am Spielende je einen Punkt wert sind und der überführte Lügner muss zwei Karten ziehen, die am Spielende auf der Hand je einen Minuspunkt darstellen. Schaffe ich alle Karten abzulegen, erhalte ich 10 Bonuspunkte und bekomme wieder eine Starthand zugeteilt.


Selten habe ich bei einer Rezension einmal die kompletten Regeln eines Spiels wiedergegeben. In Spicy sind sie aber einfach so schön knackig kurz, dass sie einfach jedem erklärt werden können - egal ob Vielspieler oder Nichtspieler - was auch zugleich die erste riesengroße Stärke von Spicy ist. Spicy überzeugt selbst bekennende Nichtspieler. Das habe ich selbst mehrfach erlebt. Diese spielen dann nicht nur mit, sondern haben auch noch ihren Spaß am permanenten Flunkern und Anzweifeln. Dass Spicy einen hohen Aufforderungscharakter hat, liegt auch zum großen Teil am tollen Material. Das Thema und die damit wunderbaren Illustrationen der Karten habe ich Euch nämlich noch garnicht näher gebracht. In Spicy duellieren sich nämlich Raubkatzen nicht mit den Tatzen, sondern im Verzehr von besonders scharfen Gewürzen. Die drei zuvor angesprochenen Farben sind nämlich selbige Gewürze (Pfeffer, Chili und Wasabi) und jede Zahlkarte von 1-10 hat eine individuelle abgefahrene Illustration. Dazu dann noch die bereits angesprochenen glitzernden goldenen Kartenrückseiten und der Hingucker schlechthin ist perfekt.


Der Spielreiz bei Spicy erinnert einen Ticken an das in die Jahre gekommene Bluff von Ravensburger. Es geht darum seine Mitspieler einzuschätzen und selbst clever während einer Partie immer neue Wege zu finden diese hinters Licht zu führen. Überlege ich beispielsweise zu lange vor dem Ausspielen einer Karte, kann das ein Hinweis darauf sein, dass ich lüge - oder mache ich das etwa bewusst? Ein Klassiker könnte beispielsweise sein bei der ersten Karte eines Stapels (die zw. 1 und 3 liegen muss) zu schummeln - erfahrungsgemäß wird die nämlich nicht oft angezweifelt, da selbst erfolgreiches Anzweifeln dann nur ein Punkt winkt, während das Risiko beim Falschliegen zwei Karten zu ziehen einfach zu hoch ist.

Spicy sorgt für Emotionen am Tisch. Bei jeder und wirklich jeder Runde, waren alle Spieler mit vollem Elan dabei. Zu groß ist einfach die Schadenfreude, wenn man die „Chili, 8“ ablegt und selbige auch ansagt und der Gegenspieler seine Hand drauf legt und sagt „Stimmt nicht!“ und man selbst (im vollen Bewusstsein, dass man den Stapel auf jeden Fall bekommt) mit breitem Grinsen scheinheilig fragt „Was stimmt denn nicht? Schau ruhig nach“. Diese Momente machen Spicy aus.


Eine kleine Schwäche hat das tolle Material jedoch: Die Karten nutzen sich an den Rändern leider zu schnell ab - was insbesondere bei einem solchen Spiel doof ist, da man mit der Zeit gewisse Karten an Macken identifizieren kann. Hier helfen dann leider nur Kartensleeves, wenn man nicht nach 20-30 Partien eine neue Packung Spicy kaufen will - und bei 20-30 Partien ist man aufgrund des außerordentlichen Spielreizes und der kurze der Partien sehr schnell. Spicy ist eine klare Empfehlung für jedermann und bietet mit diversen Spielmodi auch noch nach zahlreichen Partien interessante Abwechslung. Klasse!

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Spicy von Győri Zoltán GáborErschienen bei Heidelbär Games
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 15 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Heidelbär Games)