09.08.2020

Montmatre


Montmartre Anfang des 20 Jahrhunderts. Wir befinden uns im Le Bateau-Lavoir, in der Kunstgalerie des französischen Kunsthändlers, Ambroise Vollard. Abschätzend starrt der Kunstsammler Sie an. Nur ein hauchdünner, schwarzer Stoff umhüllt ihre sonnengewärmte Haut. Ihr freigelegter Rücken ist zugewandt und eine dicke, braune Haarsträhne schlängelt sich ihren Weg über ihre Wange, an ihrem Hals vorbei und verschwindet an ihrem Brustkorb. Ihr prachtvolles, braunes Haar ist wie eine geschlossene Blüte nach oben gezwirbelt und ihr graziles Gesicht wandert in die abenteuerliche Fremde. Sie scheint unerreichbar, unnahbar und doch hält sie ihn mit ihrem Blick fest und lässt ihn nicht mehr entkommen. Und beinahe scheint es, als würden sich ihre Lippen in einem sanften Wellengang nach oben bewegen und das Porträt würde zum Leben erwachen. Mit fordernder Stimme drängt der Kunstsammler: "Ich nehme es!" 


In dem Kartenspiel Montmartre von BLAM! sind wir Künstler, die darauf hinmalen Berühmtheit zu erlangen. In dem abgelegenen Montmartre  in Paris suchen wir Inspiration und hoffen auf der Kunstaustellung des bekannten Kunsthändlers, Ambroise Voillard auf unseren Durchbruch.
Jeder Spieler hat 4 Inspirationskarten auf der Hand, von denen jede eine schrittweise Fertigstellung eines Gemäldes darstellt. Reihum beginnen wir die Kunstwerke zu skizzieren, indem wir 1-2 Karten ausspielen. Wer ein Gemälde mit der höchsten Punktwertung oder die meisten Karten eines Gemäldes ausliegen hat, kann an den entsprechenden Kunstsammler verkaufen. Konnte man mehrere verschiedene Kunstsammler überzeugen, hat man einmalig die Möglichkeit im Auftrag der Zeitung zu Malen. Aber Achtung, steht der Kunsthändler, Ambroise Voillard bei einem Kunstsammler, kann man diesem keine Kunstwerke unterbreiten. Es gibt jedoch immer die Möglichkeit, einzelne Zeichnungen oder fertige Gemälde an den Markt zu verhökern. Sobald 2 Stapel der Kunstsammler leer sind oder ein Spieler 15 Franken eingenommen hat, endet das Spiel und derjenige mit dem meisten Geld hat es geschafft, der berühmteste Künstler in Frankreich zu werden.
Im Spiel zu zweit wird ohne Ambroise Vollard verhandelt. Zudem kann nur derjenige Kunstwerke verkaufen, der die Aufmerksamkeit von zwei Kunstsammlern gleichzeitig erhält. Für die Zeitungsverträge benötigt man eine höhere Gunst der Sammler (je 2 Paare verschiedener Kunstsammler).


Fazit: 

Als Montmartre auf unserem Tisch gelandet ist, haben sich unsere Söhne, 7 und 10 Jahre, desinteressiert vom Staub gemacht und meinen Mann und mich alleine zurückgelassen. Ein Kartenspiel Date? Warum eigentlich nicht, dachten wir! Also haben wir uns einen Rotwein aus Sonnengereiften Trauben ins Glas eingeschenkt, uns dem Klang von französischer Musik hingegeben und sind ins 1900 Jahrhundert nach Paris eingetaucht. Dabei entpuppte sich Montmartre als ein stimmiges Spiel, dass durch sein Spielthema einen gewissen Charme versprüht, der genau zu solchen Momenten passt. Paris, die Stadt der Liebe, Kunst, Frauen in schicken Kleidern und verrückten Hüten und erotische Porträts. Montmartre eignet sich gut als lockeres Kartenspiel für ein Date, einen schönen Abend mit der Liebsten oder für eine lebhafte Damenrunde. Und natürlich für all die Kunstliebhaber unter uns, die gerne in Kunstgalerien, in der Welt der Malerei versinken. Auf Kinder und Jugendliche wirkt das Thema jedoch eher befremdlich, weshalb Montmartre für mich nicht als Familienspiel in Frage kommt. An dieser Stelle kann ich das Kartenspiel Harvest Island empfehlen, bei dem wir als Obstgärtner, um die größten Ernteerträge wetteifern und uns dabei Tiermedaillien verdienen können.
Spieltechnisch geht es bei beiden Spielen um das Sammeln, und verkaufen von Karten mit einer begrenzten Kartenauslage. Harvest Island überzeugt dabei durch ein zugängliches Thema und sehr schönes Design. Erschien uns aber in der Vielfalt der Erntekarten etwas überladen. Wodurch das sammeln sehr glücksabhängig sein kann. Hier wirkt Montmartre ausgeglichener. 


Dort müssen wir stets abwägen welche Inspirationskarten wir auslegen, um unsere Meisterstücke im richtigen Moment an einen Kunstsammler zu bringen. Präsentieren wir unsere Gemälde zu früh, erhalten wir einen geringeren Preis, denn mit jedem Kunstwerk, das ein Kunstsammler erhält, wird sein Honorar für weitere Sammlerstücke größer. Warten wir jedoch zu lange, versperrt uns womöglich ein anderer Künstler die Darbietung und wir müssen einige unserer, malerischen Kreationen für Peanuts auf dem Markt verschmöckern. 
Ähnlich verhält es sich mit dem Malauftrag, den wir für die Zeitung erhalten können. Entweder wir geben uns früh mit einem kleinen Ausschnitt in der Zeitung zufrieden oder wir versuchen durch unterschiedliche Malstile, ein breiteres Spektrum an Kunstsammlern anzusprechen, um dann groß in den Schlagzeilen zu erscheinen. Doch so manches Mal endet das Spiel, ehe wir den letzten Pinselstrich vollzogen haben und die letzte Zeitungsseite wird zugeschlagen, ohne eine Bildnotiz von uns. Wer im Wettkampf der Kunstmalerei, in vollem Farbenglanz erstrahlen will, muss auch die Pinselführung der Konkurrenz im Auge behalten! 


Apropos Pinselführung! Diese ist in Montmartre etwas durch den Wind geraten. Denn es ist erlaubt zuerst ein fertiges Gemälde auszulegen und dieses anschließend mit einer Skizze zu erweitern. Es ist zwar angeraten die Bilder aufeinander aufbauend zu platzieren, das ist jedoch beim ausspielen der Karten keine Pflicht! Auch fand ich es etwas merkwürdig, das bei nicht bestehender Konkurrenz eines Gemäldetypus, man dem Kunstsammler auch eine plumpe Skizze andrehen kann. Der sammelt auch alles! Prompt habe ich meine Kritik umgesetzt und Montmartre mit erschwerten Regeln ausprobiert. Porträts durften nur aufbauend ausgelegt werden und der Kunstsammler wollte mindestens ein Kunstwerk mit Punktwertung vier oder mehr. Heraus kam eine kopflastigere Variante von Montmartre, die zu häufigeren Gemäldeverkäufen auf dem Markt führte, dadurch aber auch seine Leichtigkeit verlor. Schlussendlich gefiel mir also die Regeln, so besser wie sie vorher waren. 
Und nun sortiere ich meine Skizzen nachträglich unter das fertiggemalte Kunstwerk, damit mir meine Kartenauslage als stimmig erscheint.
Die nächste Kunstaustellung wird dann nicht in Paris, sondern zwischen den Weinreben am Bodensee stattfinden. Wo Montmartre bei uns einen Platz als Gelegenheitsspiel für gewisse Momente erhält.

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Montmartre von Florian Sirieix
Erschienen bei BLAM!
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 25 Minuten ab 8 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier BLAM!)