11.06.2021

1565, St. Elmo´s Pay: The Great Siege of Malta


Von Mai bis September im Jahre 1565 lieferten sich zwei Heere einen Schlagabtausch, der insofern besonders ist, als dass sich der stark unterlegene Verteidiger gegen einen übermächtigen Feind wehren konnte. Und dass Tristan Hall über eben jene Schlacht (Oder müsste man eher Belagerungsepisode sagen?) ein Brettspiel kreiert hat: 1565 – St. Elmo’s Pay. The Great Siege of Malta. Ob diese Umsetzung des verzweifelten Verteidigungskampfes des Malteser Ordens durch die Hand des Machers von Shadows of Kilfort spielenswert ist, wollen wir uns nun gemeinsam anschauen. 

Zunächst: St. Elmo ist nicht das erste Spiel dieser Art aus der Feder Halls, es ist der Nachfolger von 1066 – Tears to Many Mothers, welches die Schlacht bei Hastings zwischen den Sachsen und den Normannen nachstellt. Im Deutschen ist es bei Schwerkraft unter dem weniger poetischen Titel 1066 – Kampf um England erschienen. Außerdem ist während der Entstehung dieser Rezension eine Kickstarter Kampagne von Hall zu einem dritten Spiel dieser Reihe erfolgreich beendet worden: 1815 – Scum of the Earth. The Battle of Waterloo. Jene Schlacht zwischen Franzosen und Preußen (oder besser der antifranzösischen Koalition) während Napoleons 100-tägiger Rückkehr. Alle drei Spiele haben das gleiche System zugrunde liegen: Das Historic Epic Battle System. Große Worte – schauen wir mal was so dahinter steckt. Da eines meiner beiden Studienfächer Geschichte ist, werde ich auch mal einen Blick auf das Attribut historisch werfen. Los geht’s!


Das Historic Epic Battle System

Ja, um die Reihe von Hall zu verstehen, von welcher wir uns den zweiten Teil anschauen, reicht es eigentlich, wenn wir dieses System verstehen. Hall’s Kampfsystem simuliert eine Schlacht für zwei Kombattanten (im dritten Teil soll es auch einen Modus für 2v2 geben), welche sich gegenüber sitzen und ihre Handkarten in ein Raster aus drei mal drei Karten spielen. Diese beiden Felder werden von drei Karten getrennt, welche in 1565 – St. Elmo’s Pay. The Great Siege of Malta den Namen Grenzen tragen. In Tears to Many Mothers ist das Konzept gleich, nur heißen diese Karten hier Schlachtabschnitte. Durch das Spielen der Karten in das eigene Raster bedient man drei Wege, die jeweils zu einer dieser Grenzen führen. Doch bevor man diese direkt angreifen und damit das Spiel gewinnen kann, muss man sich durch einen Stapel an stets gleichen Missionen arbeiten. Diese fragen dabei die beiden Werte der Einheiten, Macht und Eifer, ab. Wenn man hierbei einen bestimmten Wert erreicht, schreitet man im Missionsdeck voran. Am Ende angekommen, sollte die Streitmacht stark genug sein, die Grenzen anzugreifen, bzw. diese zu verteidigen. Eine andere Möglichkeit die Auseinandersetzung für sich zu entscheiden ist das Ausschalten des gegnerischen Anführers. 


Episch? Episch verbinde ich mit einer gewissen Länge, aber vor allem mit Immersion. Eine Schlacht kann in St. Elmo’s Pay gut und gerne mal eine Stunde dauern, was schon in diese Kategorie fallen kann. Als wirklich immersiv habe ich es jedoch nicht empfunden. Vor allem eher als zäh, denn: Um Karten zu spielen, muss man gewisse Ressourcen zahlen. Klar, die Einheiten wollen auch versorgt sein. Jedoch ist dieses Generieren von Ressourcen unheimlich schwer. Entweder wirft man Handkarten ab, was meist ziemlich teuer ist, oder aber man hat bereits Einheiten im Spiel, welche als Effekt Ressourcen erzeugen. Davon gibt es aber nur wirklich wenig und wenn man nicht geschickt um diese paar Einheiten spielt, bekommt man gefühlt so gut wie keine Karten aufs Schlachtfeld. 

Historisch? Props an dieser Stelle definitiv an die Recherche hinter dem Spiel. Wenn man anfängt, sich mit der Geschichte um die Belagerung von Malta auseinanderzusetzen, merkt man, wie viel davon in dieses Spiel geflossen ist. Die Missionen stellen reale Geschehnisse dar, die vor den großen Schlachten stattfanden. Die Grenzen bilden die drei Hauptschauplätze ab und jede Karte hat Informationen zu ihrer Gefechtsgattung und oftmals darüber hinaus noch spezifische Details; Zum Beispiel über die Aushebung der osmanischen Infanterie durch viele Freiwillige. An einigen Stellen haben sich mir aber doch die historischen Nackenhaare aufgestellt, als Vertreter hierfür die Fähigkeit der Kavallerie: Wenn sie in der dritten Reihe des Schlachtfeldes platziert ist, also am weitesten von den zu erobernden Grenzen entfernt, erhöht sich ihr Machtwert. Warum? Das ergibt historisch für mich keinen Sinn. Schon seit jeher ist eine Kavallerie an den Flanken am effektivsten. Oder aber in der ersten Reihe als Ansturm. Aber hinter allen Truppen? Also gerade in Bezug auf dieses Beispiel muss man diesem Historic Epic Battle System das Historische fast absprechen. 

In meinem letzten Kritikpunkt wird es aus historischer Sicht nahezu anachronistisch: Das System ist darauf ausgelegt, dass alle Heere aller Boxen gegeneinander Kämpfen können. Also zum Beispiel Sachsen gegen Malteser oder mit dem dritten Teil dann gegen die Franzosen. Hierbei sind natürlich alle in etwa gleich stark, wobei es doch relativ offensichtlich ist, dass die französische Waffentechnik der der Sachsen haushoch überlegen ist. Dazwischen liegen 800 Jahre! 


Und? Sollte ich ins Historic Epic Battle System investieren?

Ich bin da ehrlich gespaltener Meinung. Das Spiel funktioniert als Zweispielerspiel im unteren Kennerspielbereich recht gut. Auch wenn mir persönlich der Rhythmus und die Geschwindigkeit des Spieles viel zu langsam sind. Alles zieht sich ein wenig, über das langwierige Einsetzen von Einheiten, eh man sich durch das Missionsdeck gearbeitet hat und schließlich der Kampf um die Hauptschlachtplätze – die Grenzen. Mir ist schon klar, dass wenn der Kampf direkt um die Grenzen ginge, das Spiel recht schnell vorbei wäre. Dennoch gefällt mir diese Lösung nicht so. Weiterhin sehe ich nicht ganz den Reiz der Reihe wie die vielen tausend Unterstützer, welche derzeit den dritten Teil gekickstartet haben. Warum will man noch mehr davon? Ich habe nur die St. Elmo’s Pay Box untersucht, aber auf den ersten Blick wirkten die Heere der ersten Box und auch der kommenden ziemlich ähnlich. Wo ist da der Reiz? Aber gut, vielleicht bin ich damit auch einfach nur allein. Oder es hat mich zu sehr aufgeregt, dass die Box aus 90% Luft besteht.

So Rouven, Rage-Modus aus, Klartext: St. Elmo’s Pay bietet ein solides Karten-Kampf-System, was sich vor allem für Einsteiger in das Genre ganz gut eignen sollte, da die Regeln überschaubar und relativ einfach sind. Schnell gelernt, braucht es doch einige Erfahrung, die gezogenen Karten richtig einzuschätzen und einzusetzen. Jedoch würde ich dir empfehlen, dich mit einer Box ranzutasten und nicht aus purem Hype direkt alles haben zu wollen.


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1565, St. Elmo´s Pay: The Great Siege of Malta von Tristan Hall
Erschienen bei Hall or NothingGames
Für 1 bis 2 Spieler in ca. 35 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Hall or Nothing Games)