10.06.2021

Alien RPG


Die Pandemie trifft Brettspielliebhaber besonders hart. Wenn die ausgiebig langen Abende voller Partyspiele und epischer Schlachten ausbleiben, so nagt das doch sehr an unserem Gemüt. Die Boxen vertauben im Regal, während wir auf digitale Medien ausweichen, um doch noch irgendwie in den Genuss eines Brettspiels mit Freunden zu kommen. Noch härter als die Brettspielwelt, trifft es aber sicherlich die Rollenspieler, die zwar auch auf digitale Alternativen ausweichen können, das Erlebnis dort jedoch nie eine echte Pen And Paper Runde ersetzen können wird. Nichtsdestotrotz musste ich als großer Fan einen Blick auf das Alien - The Roleplaying Game von Free League werfen. Worauf sich die Rollenspieler unter euch nach der Pandemie freuen können, erfahrt ihr hier.


Alien – The Roleplaying Game kommt, wie die meisten Free League Spiele, in zwei Varianten daher. Zum einen gibt es das große Hardcover Regelbuch mit allen Spielregeln und zum anderen ein sogenanntes Starter Set um den Einstieg in das Spiel zu vereinfachen. Angeschaut habe ich letzteres. Das Schöne am Starter Set ist, dass es nicht nur eine abgespeckte Regelerklärung hat, sondern auch, dass es bereits mit vielen Komponenten und einem Szenario daherkommt, welches einem verspricht an nur einem einzigen Spieleabend, eine thematische und abgeschlossene Geschichte zu erzählen. Aber alles der Reihe nach. 


Das Alien Rollenspiel ist in einer etwa DINA4 großen und 5 cm tiefen Box untergebracht. Bereits das rot-schwarze Boxcover, auf dem wir die Silhouetten einer bewaffneten Figur und des Aliens zu sehen bekommen, vermittelt das bekannte Flair aus den Filmen. Öffnet man die Box stechen einem sofort die Custom Dice ins Auge; 20 Würfel in den Farben Gelb und Schwarz. Dann wären da die Karten, die neben persönlichen Zielen, Charakteren und Initiativwerten auch Waffen aus dem Alien Kosmos repräsentieren. Diese sind nicht nur hübsch illustriert, sondern haben auch Kampfwerte und Kosten auf der Rückseite aufgedruckt. Das erspart das übliche Nachschlagen oder Aufschreiben der Informationen und ist besonders thematisch, da man die Waffen den Spielern aushändigen kann. Weiter unten in der Schachtel finden sich fünf vorgefertigte Charakterbögen. Diese Charaktere sind für das beinhaltete Szenario Chariot Of The Gods ausgelegt und müssen bei voller Besatzung von fünf Spielern verteilt und bei weniger als NPCs eingesetzt werden. Auf der Vorderseite finden wir neben den üblichen Informationen, wie der Bio, den Werten des Charakters und einem Bild findet sich ein individuelles Talent, das einem beispielsweise erlaubt Würfel erneut zu würfeln oder manche Werte zu ignorieren. Soweit so bekannt. Auf der Rückseite der Bögen finden sich die dynamischen Werte und Attribute des jeweiligen Charakters. Hier tragen wir im Laufe des Spiels unseren Schaden, Erfahrungspunkte, Gegenstände, Fähigkeiten und den Stresslevel ein. Letzteres ist die Besonderheit des Alien-Rollenspiels auf die ich später noch genauer eingehen werde. Weiterhin beinhaltet das Starterset eine riesige, doppelseitige Karte, die auf der einen Seite das erschlossene Weltall im Jahre 2183 und auf der anderen Seite die Flurpläne der im Szenario erwähnten Raumschiffe abbildet. Um auf dieser Karte Markierungen zu setzen, werden runde Tokens benutzt. Einige dieser Tokens sind mit dem typischen Radarbild aus Alien bedruckt. Auf der Rückseite diese Tokens ist dann entweder ein Mensch oder ein Alien abgebildet. So versucht da Spiel die berühmten und spannenden Verfolgungs- bzw. Suchszenen aus den Filmen analog nachzustellen. 


Kommen wir nun zum Herzstück des Ganzen, dem Regelheft. Dieses ist im Vergleich zur Hardcover-Variante, die 392 Seiten groß ist, auf 104 Seiten heruntergebrochen. Die abgespeckte Variante soll mit vereinfachten Regeln und kurzen Erklärungen besonders Einsteiger in das PnP Hobby heranführen. Die Einführung in die Regeln beginnt mit einer Geschichte die uns die Hintergründe und die Alien Welt erklärt. Neben den Regeln, die logisch in den Gesamtzusammenhang und die Spielwelt implementiert sind, findet sich auf jeder Seite ein Teil einer Geschichte, die sich wie ein Ausschnitt aus einem unveröffentlichten Alien Film liest und selbstverständlich jedes Klischee der Filme bedient. Hier bekommt man gleich Lust in diese Welt einzutauchen und die Regeln erscheinen auch gleich weniger trocken. Natürlich finden sich auch hier wunderschön-thematische Illustrationen, die unterschiedlichste Gefahren aus dem Franchise darstellen. Das ganze bedient sich aber nicht nur der alten Alien Filme, sondern ist in die moderne Zeit eingebettet, indem z. B. der TED Talk erwähnt wird und auf Ereignisse aus dem aktuellsten Alien Film „Covenant“ Anspielungen gemacht werden. Gespielt werden kann entweder ganz klassisch über mehrere Abende hinweg in einer Kampagne oder man bedient sich dem beigefügten Szenario und spielt das sogenannte Cinematic Play. Letzteres verspricht eine dramaturgische Spielnacht mit vielen kritischen Erignissen mit massig Horror und Sci-Fi Elementen. 


Die Regeln des Spiels sind relativ übersichtlich. Neben Besonderheiten die die Umgebung betreffen, wie beispielsweise Radioaktivität oder Temperatur, treffen wir auf altbekannte Attribute die sich in körperliche und geistige Eigenschaften unterteilen lassen. Möchte man eine Fähigkeit verwenden, addiert man den Wert der Fähigkeit und den Attributwert. Möchte ich beispielsweise kämpfen addiere ich meinen Attributwert „Stärke“ zu meinem Fähigkeitswert „Nahkampf“ und erhalte die entsprechende Anzahl an Würfeln. Natürlich können sich diese manipulieren lassen, bzw. werden durch äußere Umstände manipuliert. Schaffe ich mehr Erfolge zu Würfeln als nötig, kann ich diese ausgeben, um meine Aktion noch effektiver zu machen. Schaffe ich eine Probe nicht oder erlebe im Spiel etwas verstörenden, erhält mein Charakter Stresspunkte. Diese Stresspunkte sorgen dafür, dass ich neben den „guten“ schwarzen Würfeln auch „böse“ gelbe Stresswürfel würfeln muss. Auf der Einser Seite der Stresswürfel ist ein Face Hugger abgebildet und dass das nichts Gutes heißen kann, ist ja wohl klar. Immer wenn ein Face Hugger gewürfelt wird, schaue ich mir die Stresstabelle an und erleide Konsequenzen, wenn ich in Panik verfalle. Diese Mechanik ist das, was das Alien Rollenspiel besonders macht, da sie eine Angst vor diesen Würfeln erzeugt und man immer bangen muss, wenn diese gewürfelt werden müssen, gleichzeitig hat man aber auch eine höhere Chance auf Erfolg, da auch die Stresswürfel auf der Sechser Seite als Erfolg gelten. Da jeder vorgefertigte Charakter einen Schwerpunkt hat und dementsprechend gespielt werden muss, muss man nicht erst den ganzen Abend mit der Charaktererschaffung verbringen und kann sich gleich ins Abenteuer stürzen. Leider verrät uns das Spiel aber auch nicht, wie man sich selbst einen Charakter erstellt und es liegt auch kein leerer Bogen bei, kann aber kostenlos von der Free League Seite heruntergeladen werden. 


Alle Regeln im Alien RPG sind höchst thematisch und sorgen bereits beim Lesen für eine großartige Atmosphäre. So sind Stresswürfe manchmal an meine Aktion gekoppelt. Wenn ich Waffen nutze kann die Munition ausgehen und wenn ich Strahlung ausgesetzt werde, kann diese einen permanenten negativen Effekt auf mich haben. Weitere Regeln, wie das Herumschleichen in den Gängen, dass Androiden kein Stress bekommen können oder dass man in riesige Arbeitsroboter steigen kann, sind mehr als nur das Tüpfelchen auf dem i. 

Das Szenario Chariot Of The Gods ist in drei Akte eingeteilt. Jeder Akt stellt die Spieler vor eine große Aufgabe und ist in mehrere kleinere Szenarios unterteilt ist. Dabei verfolgen die Spieler nicht nur ein gemeinsames Ziel, sondern haben dank der „Personal Agenda“ Karten auch ihre eigenen, vielleicht sogar geheimen Ziele. Diese Ziele sollten auch verfolgt werden und nicht als Gimmick abgetan, da sie mit bekannten Alien Klischees spielen und dem Geschehen nochmal eine riesige Menge Pepp geben können. 

Fazit: Es sei an dieser Stelle der Hinweis angebracht, dass das Szenario aus dem Starter Set, Cheriot Of The Gods, sich sehr stark an die neueren Filme orientiert und ihr vieles aus dem Alien Universum nicht zu sehen bekommen werdet. Außerdem bringt das Starter Set nicht genug mit sich um euer eigenes Abenteuer erschaffen zu können. Dafür fehlt nicht nur die Erklärung zur Erstellung des eigenen Charakters, sondern auch viele Werte und Eigenschaften zu markanten Charakteren und Eigenheiten aus dem Xenomorph Universum. Das heißt aber nicht, dass ihr gleich zum Hardcover Regelbuch greifen solltet, denn neben dem einfachen Einstieg in das Spiel bringt das Starter Set Würfel, Karten und einen großen Plan mit sich. Das alles sind Komponenten die das ganze Geschehen viel thematischer und händelbarer machen. Wer jedoch von vorneherein weiß, dass dieses Spiel definitiv seinen Geschmack trifft und es nicht abwarten kann seine eigenen Geschichten im Alien Universum zu erschaffen, der sollte gleich zum kompletten Regelwerk greifen oder sich beides gönnen.

So oder so, das Alien RPG ist definitiv ein hochwertiges Geschenk für alle Fans des Franchises, die Lust auf ein persönliches Erlebnis in der Welt von Ellen Ripley und Co. haben möchten. Man merkt, dass die Autoren große Alien Fans sind und wie viel Liebe zum Detail hier geflossen ist. Chapeau!


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Alien RPG
Erschienen bei Free League Publishing

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Free League Publishing)