29.07.2021

Escape Tales: Children of Wyrmwoods


Du bist Gilbert und wohnst in einem kleinen Kaff am Rande der Welt. Dein Städtchen ist umgeben von Wyrmvine. Hybride Tierpflanzen, die einen Menschen bei Berührung verrückt werden lassen. Und genau das ist auch leider Deinen Eltern passiert. Denn am Tag Deiner Geburt ist das Wyrmvine in Euer Haus eingedrungen und hat Deine Familie für immer zerstört. Der einzige Lichtblick in Deinem tristen Leben ist Sevilia, die Tochter des Bürgermeisters. Doch ist es eben jener Bürgermeister, der so gar nichts von Dir hält, so dass ihr Eure Beziehung vor ihm geheim halten müsst. Als Du eines Morgens bei Deiner Liebsten erwachst, erzählt sie Dir, dass sie ihren Vater belauscht hat. Der Bürgermeister hat irgendetwas…Geheimes…mit Dir vor und die Antwort auf das „was?“ scheint sich im Keller des Hauses Deiner Holden zu verstecken. Also macht ihr Euch auf den Weg in eben jenen Keller und….


Soviel zur Einleitung von Children of Wyrmwoods und mehr wird hier auch nicht verraten. Außer dass das Setting diesmal stark im Bereich der Dark Fantasy angesiedelt ist und somit den Autoren erneut ein toller schwenk in ein anderes Story-Genre gelungen ist, nachdem wir uns bereits ins Okkulte sowie die Zukunft begeben haben. Eben jenes neue Setting zieht sich natürlich erneut durch alle Komponenten des Spiels, was für eine entsprechend düstere Atmosphäre und Grundstimmung sorgt. Aber lasst mich erstmal von mir selbst erzählen.

Seit ich vor gar nicht allzu langer Zeit mit The Awakening in die Escape Tales Reihe eingestiegen bin, lassen mich die Abenteuer in den mittelgroßen Boxen einfach nicht mehr los. The Awakening zog mich komplett in seinen Bann (was ihr vielleicht in meiner Zweiten Meinung zum Spiel nachlesen könnt) und auch Low Memory war klasse und trotz gleicher Mechaniken ein wirklich tolles neues Spielerlebnis, das bei uns mehrfach auf den Tisch kam. Umso mehr hab ich mich gefreut, das auch Children of Wyrmwoods nun endlich da war. Wenn auch leider in der englischen Version, da der Kosmos Verlag ja leider nicht auch diesen Teil übersetzt hat. Zum Zeitpunkt, in dem ich diese Zeilen schreibe, wurde die deutsche Übersetzung aber erfolgreich in der Spieleschmiede finanziert, so dass sich bald auch all jene mit Gilbert mitfiebern dürfen, die des Englischen nicht ganz so mächtig sind. Freut Euch drauf! Ups…gespoilert. Macht nichts, das vergesst ihr gleich, ich wechsle noch einmal schnell das Thema…


Die Box ist mal wieder reich mit Orts- und Spielkarten gefüllt. Wie bereits bei Low Memory haben wir hier drei Story Books mit eigenen Teilgeschichten („Kapiteln“). Statt Verzweiflungs- oder Stress-Karten gibt es diesmal aber „Rest“- (also Ausruhen) und Focus-Karten, jeweils getrennt nach den drei Kapiteln. Hat man keine Aktionsscheiben mehr, muss man nun also wählen, ob man eine Pause einlegen, oder die Grenzen des Charakters ein wenig strapazieren möchte. 

Gespielt wird in den Wyrmwoods nicht mehr auf einem klassischen Spielbrett, sondern mit Hilfe einer Papier-Landkarte und bereits der erste Ort – die Kellertür – bringt ein Rätsel mit sich, das geknackt werden will, bevor man überhaupt in den Ort hineinkommt. Außerdem bietet der Kartenstapel zwei neue Kartentypen: Charakter- und Modifikationskarten. Durch diese beiden Kartentypen kommt ein wenig Rollenspielflair in den Escaperoom, denn jeder Charakter hat vier Attribute, die durch die Modifikationskarten (= Gegenstandskarten) während des Spiels im positiven und negativen Sinne verändert werden. Und diese Attribute beeinflussen (natürlich) den Lauf der Geschichte. Die Modifizierungen werden dabei unter die Charakterkarte geschoben, können aber durchaus auch mit anderen kombiniert werden, damit man vielleicht etwas noch besseres erhält oder weiter durch die Story kommt. Im Gegenzug wurden Bedingungs-, Fortschritts- und mal wieder Ausgangskarten aus dem Spiel hinausgeworfen.


Die Spielmechaniken sind dabei im Kern die gleichen, wie auch bei den Vorgängern, so dass ich hier gar nicht weiter darauf eingehen möchte. Aber eine kleine neue Mechanik hat sich dann doch ins Spiel gemogelt und ich habe sie eben schon mal erwähnt: Das Kombinieren von Karten. Während in den Vorgängern zwar bereits die Infos der Karten kombiniert werden mussten, um zu einer Lösung zu kommen, lassen sich nun auch die Karten bzw. Gegenstände selbst in der App kombinieren. Laut Anleitung möchten die Macher hiermit Point & Click Fans abholen und ihnen genau dieses Spielgefühl vermitteln…und was soll ich als alter Monkey Island, Day of the Tentacle, Maniac Manison, Zak McKracken…also Point & Click Spieler sagen…es funktioniert! Möchte man zwei Karten kombinieren, gibt man beide Kartennummern in die App ein und bekommt …ein Ergebnis. Schön ist hierbei auch, dass man Karten mit den Charakterkarten kombinieren kann und so erfährt, was unser guter Gilbert über eine Karte „denkt“. Das öffnet der Neugier und Freude am Ausprobieren natürlich Tür und Tor und wird durch die grundlegende Spielmechanik, dass man hier nicht auf Zeit spielt und somit durch blödsinnige Kombinationen keine Zeit verliert, massiv unterstützt. Sofern man denn mit den Konsequenzen leben kann…


Ihr seht also: Auch Teil 3 der Escape Tales hat mich erneut gepackt, auch wenn an der ein oder anderen Stelle die Nutzung eines Online-Translators ein wenig Atmosphäre geraubt hat, aber das hat mit dem Spiel als solches nichts zu tun. Wie auch bei den Vorgängern zieht die Story einen so richtig in ihren Bann, wenngleich sie diesmal komplexer und länger ist als in den beiden Vorgängern. Dafür bot uns auch ein zweiter Durchgang (natürlich mit bewusst anderen Entscheidungen als im ersten Durchgang) einiges an neuen Karten nochmal vieles entdecken, dass es so im ersten Durchgang nicht gab. Zugegeben: Die angepriesenen 60 Enden haben wir uns nicht alle angesehen bzw. bis zu ihnen durchgespielt, aber die Handvoll Enden, die wir nun kennen, waren es durchaus wert. Und natürlich ist es auch hier so: Irgendwann hat man sicherlich alles einmal gesehen und dann ist es am Ende die Kombination der gewählten Entscheidungen, die ein bestimmtes Ende triggert, was dazu führt, dass man eigentlich nicht mehr wirklich spielt. Aber das ist ja wieder wie bei Heavy Rain… 

Unterstrichen wird das ganze wieder einmal durch handwerklich solide Puzzles in verschiedenen Schwierigkeitsgraden. Und wieder einmal steht man das ein oder andere Mal da und droht durchaus auch mal zu scheitern, so dass man die Hinweise in der App dringend braucht. Doch das ist ja das Schöne an den Escape Tales spielen…man wird fürs „Mogeln“ nicht bestraft!

Wer also gut erzählte Stories und Puzzlespiele mag, kann hier erneut einige spannende Stunden – diesmal in einer dunklen Fantasywelt – verbringen.

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Escape Tales: Children of Wyrmwoods
Erschienen bei Board&Dice
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 450 Minuten ab 16 Jahren

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Board&Dice)