21.08.2021

Zestrea



Bemüht man das allwissende Google, so bedeutet „Zestre“ auf rumänisch Mitgift bzw. Aussteuer und da Zestrea ein kleines kompaktes Spiel aus Rumänien ist, liegt natürlich der Verdacht nahe, dass es hier ums Heiraten geht. Und wie der „Zufall“ es will, steht dies bereits als erster Satz der Anleitung: Es geht ums Heiraten und Verhandeln. Mit mindestens 3 Mitspielern. Jetzt mag sich der ein oder andere vielleicht denken „3? Ist Polygamie nicht verboten?“. Aber keine Sorge, wir spielen nicht die Brautleute auf der Suche nach dem Glück fürs Leben, sondern adelige, die sich um ihre Dörflinge sorgen. Das Ziel ist dabei, die meisten Zestre einzusammeln. Klingt logisch, oder?

Zestrea ist ein Kartenspiel, sodass wir eine kleine kompakte Box mit so einigen Karten und einem Würfel vor uns liegen haben. Die Karten haben Standardqualität und das Design ist…ich würde mal „folkloristisch“ sagen. Die Optik könnte einem weismachen, dass dieses Spiel schon seit „Tausenden von Jahren“ gespielt wird. Kann man mögen, mein Fall ist es ehrlich gesagt nicht, aber das ist durchaus Geschmackssache. Wie so oft kommt es hier natürlich vor allem auf die inneren Werte an, die wir uns mal anschauen wollen:


Zu Beginn erhält jeder eine Charakterkarte seines Adeligen, einen Burschen und eine Maid, die man zum Zeichen dessen, dass sie verheiratet sind, aufeinander legt, sowie drei Ländereien. Nun ziehen wir noch zufällig 5 schlechte Zeiten und legen hierauf 3 fixe gute Zeiten obendrauf. Bei diesen Karten handelt es sich im Kern um Ereigniskarten, die jede Runde sehr stark beeinflussen. Nun werden noch die restlichen Karten (Dorfbewohner, Schicksale und Zestre) parat gelegt und los gehts:

Zu Beginn einer Runde wird eine gute/schlechte Zeiten-Karte gezogen und vorgelesen sowie parat gelegt, damit jeder weiß, was in unseren Ländereien in dieser Runde so geschieht. Dann dürfen die Adeligen für jedes ihrer Paare, die auch einer Länderei zugeordnet sind, würfeln, ob sie Zestre und Babys oder nur Zestre „produzieren“, anschließend wird eine Schicksalskarte aufgedeckt und gegen Zestre versteigert, dann kommt die Hauptphase des Spiels, die ich mal als „Heiratsmarkt“ bezeichnen möchte und zum Schluss wollen natürlich alle noch ernährt werden.


Während des Heiratsmarkts versucht jeder für seine ledigen Dorfbewohner passende ledige Personen des anderen Geschlechts aus den Ländereien der anderen Adeligen zu finden und diese erfolgreich zu verheiraten. Gleichgeschlechtliche Ehen sind ebenso möglich, aber nur, wenn man eine passende Schicksalskarte hierfür besitzt. Im gleichen Dorf heiraten ist dagegen nie möglich. Und das hat einen spielmechanischen Grund: Sollen zwei ledige verheiratet werden, müssen zunächst zwei Zestre an den Staat abgegeben werden. Dies kann ein Adeliger alleine zahlen, die beiden Beteiligten können sich die Kosten aber auch teilen. Dann wird einmal gewürfelt. Bei einer 1 oder 2 wird geheiratet, ansonsten hat man Pech gehabt und kann erneut Zestre zahlen, um noch einmal zu würfeln. Die möglichen Würfelergebnisse lassen sich aber noch durch Schicksalskarten beeinflussen. Ist die Hochzeit geglückt, so wandert immer die Maid aus ihrem Dorf aus und zieht zum Burschen. Der verlassene Adelige bekommt dafür aber eine Schicksalskarte. Bei gleichgeschlechtlichen Ehen handeln die Adeligen unter sich aus, wer das Paar und wer die Karte bekommt.


Doch Heiraten ist nicht alles, was man in dieser Spielphase machen darf, denn es dürfen auch Schicksalskarten vom verdeckten Stapel gekauft sowie gespielt werden, Ländereien können vom Staat gekauft werden und es dürfen Dörfler vom Staat adoptiert werden (die lustiger weise direkt heiratswillige Erwachsene sind). Auch dürfen die Adeligen Schicksalskarten und Zestre untereinander handeln (aber nicht Ländereien und auch keine Dorfbewohner). Im Kern spielen die Schicksalskarten eine nicht zu unterschätzende Rolle, da sie einerseits einem selbst helfen können, andererseits aber auch „Angst und Schrecken“ auslösen können. So kann man beispielsweise mit einer Karte ein Ehepaar eines Gegners trennen…oder man droht einfach damit, die Karte zu spielen, wenn man nicht irgendwas dafür bekommt. Erpressung ist also durchaus ein gewolltes Spielelement…auch wenn das hier nett als „verhandeln“ bezeichnet wird. Schließlich sind ja alle Mitspielenden Feudalherren und das Mittelalter war halt nunmal dunkel…und so…

Und bei all diesem Treiben sollte man immer tunlichst drauf achten, am Ende auch alle ernähren zu können. Ein Paar mit Land braucht kein zusätzliches Essen. Ein Paar ohne Land isst ein Zestre und auch alle anderen Singles essen jeweils ein Zestre. Hat man zu wenig Zestre muss man eines seiner Ländereien pro fehlendem Zestre opfern und kann man auch das nicht, sterben die Dorfbewohner den Hungertod. Und das kann schneller passieren, als einem lieb ist.


Nach insgesamt 8 Runden und so einigen schlechten Zeiten, wie der Katastrophe in Tschernobyl, dem Kommunismus oder dem Singen von Weihnachtsliedern (kein Witz), die sämtliche Strategien zunichtemachen können, kommt es zur Abschlusswertung. Man zählt seine Zestre sowie Ländereien (die jeweils einen Zestre wert sind) zusammen und der Adelige mit den meisten Ehepaaren bekommt dann noch einen Bonus von 5 Zestre oben drauf. Wer nun am meisten hat, gewinnt. Fertig.

Klassischer Fall von schnell ausgepackt, schnell erklärt und schnell gespielt. Und die erste Partie ist auch recht lustig, da die Ereignisse doch eine ordentliche Prise Humor mit sich bringen (der natürlich relativ schnell nach mehreren Partien nachlässt). Auf den zweiten Blick sind die Ereignisse (und teilweise auch die Schicksalskarten) jedoch dermaßen spielbeeinflussend, dass ein taktisches Vorgehen fast unmöglich wird. Dies ist spielmechanisch sicherlich so gewollt, auch wenn der Ersteindruck zunächst trügt. Wer sich also Zestrea zulegt, sollte daher wissen, dass es hier eben nicht um Taktik und Strategie geht, sondern darum, einfach schnell drauflos zu spielen, ohne groß seine Ländereien zu planen. Wobei natürlich durchaus der Fall eintreten kann, dass eigene Taktiken doch mal aufgehen. Doch bewusst planen lässt sich das nicht. Oder kurzum: Im Kern ist es ein Glücksspiel, und das muss einem bewusst sein, sonst hält sich der Spielspaß stark in Grenzen.

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Zestrea von Patiu Alexandra und Horatio Roman
Erschienen bei Valiant Game Studio
Für 3 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Valiant Game Studio)