13.11.2021

Merchants Cove


Hallo liebe Gäste auf unserem Weg zur berühmten Dracheninsel. Das Wetter dort ist feurig heiß und wir rechnen dort mit einem Aufenthalt von ca. 3h. Bis dahin bleiben Sie bitte in Ihren Booten. Auf dem Weg dorthin kommen wir auf einem örtlichen Markt vorbei, wo Sie nach Herzenslust shoppen können. Viel Freude.

Wie Ihr es vielleicht schon gemerkt habt, bekomme ich bei Merchants Cove immer leichte Vibes von Teppichfabrik bei einem Urlaubsausflug, wo die armen Touristen durchgeschoben werden, um den ein oder anderen Profit zu machen. Heißt das, dass Merchants Cove ein doofes Spiel ist? Nein, keineswegs. Heißt es, dass es thematisch in die Richtung geht? Nein, auch nicht. Mir kam ganz einfach dieser kreative Einfall zu einer Einleitung. Sorry!


Merchants Cove ist ein Spiel der besonderen Art. Es ist nämlich höchst asymmetrisch. Während manche Grundmechanismen für alle Spieler gleich sind und auch das Ziel klar ist, ist die Herangehensweise, der Komplexitätsgrad und die Art zu spielen bei jedem Spieler komplett unterschiedlich. Während ein Spieler ein Workper-Placement Spiel spielt, spielt der andere ein Roll & Write, noch ein weiterer ein Push your Luck und noch ein anderer ein Dice-Manipulation Spiel.

Geil, denken sich jetzt bestimmt viele Hardcore-Fans von Root und Co. Dann aber Obacht! Merchants Cove geht zwar mit dem selben Spielprinzip an den Start, ist aber bei weitem kein Kenner- bis Expertenspiel, wie Root eines ist. Merchants Cove ist ein gehobenes Familienspiel bis hin zum leichten Kennerniveau. Eher leichte Kost also. Vermutlich auch ein Grund, weshalb viele Backer der Kickstarterkampagne enttäuscht waren nach der Auslieferung. Erwartungsmanagement und so. Dabei hat die Kampagne nicht mit einem knallharten Klopper geworben. Macht es das zu einem schlechten Spiel? Auf keinen Fall. Merchants Cove ist ein Keeper bei mir und wirklich eine Bereicherung meiner Sammlung.


Punkten tut der Titel nämlich mit den unterschiedlichen Händlern, welche wir übernehmen können. So habe ich zwar einerseits erstmal die Lust alle einmal durchzuprobieren, aber spätestens danach kann ich den Händler nehmen, der aktuell zu meiner Laune am besten passt. Habe ich Lust auf ein bisschen Roll & Write? Dann nehme ich das Orakel! Will ich ein bissl Worker-Placement? Dann greife ich zum Zeitreisenden! Merchants Cove deckt förmlich fast jede Spielmechanik einmal ab. Sind alle Händler gleich stark? Wie immer ist das bei einem asymmetrischen Spiel schwer zu sagen. Gefühlt gibt es aber einfach zu spielende Charaktere und komplexere. Das hilft ungemein, wenn man Runden aus Spielern mit unterschiedlicher Spielerfahrung am Tisch hat. Die evtl. nicht ganz passende Balance kommt ohnehin kaum zum tragen, aufgrund der hohen Interaktion von Merchants Cove.


Aber um was buhlen wir denn eigentlich alle? In Merchants Cove produzieren wir auf unsere ganz eigene Weise Gegenstände. Diese unterscheiden sich lediglich in groß und klein. Pro Runde kommen diverse Abenteurer in der Händlerbucht an und haben unterschiedliche Bedürfnisse. Nun gilt es bis zu deren Ankunft uns bestmöglich vorzubereiten und diese Gegenstände in der korrekten Größe und Farbe zu produzieren. Während ein Charakter das durch das Platzieren und Manipulieren von Würfeln macht, macht wiederum ein anderer das Ganze durch ein Worker-Placement. Diese Varianz ist äußerst spannend!


Clever ist auch der gemeinsame Aktionspunkte-Track. Hier bewegen wir uns nämlich auf einer Uhr vorwärts. Bevor der Zeiger einmal rum gelaufen ist, muss ich meine Waren am Start haben. Jede Aktion kostet unterschiedlich viel Zeit. Starke Aktionen logischerweise mehr als weniger mächtigere. In Merchants Cove kommt es daher in erster Linie darauf an den eigenen Charakter zu verstehen, seine Abläufe zu optimieren und dann noch auf die Gegenüber zu schielen. Denn auch bei der Ankunft der Kundschaft können wir taktisch vorgehen. Hier kommt die enorme Interaktion ins Spiel. Habe ich beispielsweise viele große gelbe Gegenstände, versuche ich ein Bott mit vielen gelben Kunden zu einem bestimmten Anlegesteg zu lotsen, welcher große Gegenstände verkaufen lässt. Nicht jede Anlegestelle ist dafür nämlich geeignet. Und natürlich versucht jeder die Boote entsprechend nach seinen Vorstellungen hin- und herzuschippern.


Spannend in Merchants Cove ist auch die Varianz durch unterschiedliche Szenarien, welche die gemeinen Diebe im Spiel unterschiedlich ins Spiel kommen lassen. Allein hierdurch muss das eigene Augenmerk nochmals besonders justiert werden.

Was bleibt in Merchants Cove? Ein spannendes, äußerst variantenreiches und optisch auch hervorragendes Spiel im leichten Kennerniveau. Für mich definitiv ein Keeper in der Sammlung.
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Merchants Cove von Jonny Pac, Carl van Ostrand und Drake Villareal
Erschienen bei Final Frontier Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Final Frontier Games)