19.06.2022

Dodos Riding Dinos


„…und da biegt Riggs auf Sauro auf die Zielgrade ein, doch was ist das? Ein Meteorit trifft sie kur vor dem Ziel am Kopf und bremst sie aus, Osborn nutzt auf Reynaldo seine Chance und wird von einer Feder getroffen, die ihn zum Stillstand bringt. Othniel auf Tracy ist glücklich, doch noch eine Chance zu haben aufzuholen und lässt zusätzlich noch ein paar Blitze auf die Führenden los…und schon ist Riggs auf dem letzten Platz…“

So in der Art könnte eine stimmungsvolle Stadionkommentierung einer Partie Dodos Riding Dinos klingen. Erinnert Euch an bekannte Party-Rennspiele auf diversen Konsolen? Oh ja, spielt sich auch genauso (hier könnt ihr ein für Euch passendes Adjektiv einsetzen: z.B. schadenfroh, spaßig, frustrierend, spannend, nervig, aufregend, blutdrucksteigernd, etc.), wie die Videospielrenner. Sofern ihr unseren Blog regelmäßig verfolgt, dürfte Euch vielleicht aufgefallen sein, dass ich durchaus ein Faible für derartige Funracer habe. Und – so viel sei schon mal verraten – auf dem Papier macht das Dodos Riding Dinos auch eigentlich alles richtig, was man hier richtig machen kann:


Das Material in der uns vorliegenden Variante ist absolut umwerfend. Das Spiel macht mit seinen toll designten acht Rennstrecken (auf vier Welten, sprich 2 doppelseitig bedruckten Boards), den Meeples und Minis (die danach schreien, bemalt zu werden) und den witzigen Karten auf dem Tisch richtig viel her und selbst die Verpackung macht samt dem passenden Inlay einen unfassbar wertigen Eindruck. Die Mischung aus Glück, Taktieren und Geschicklichkeitseinlage ist super ausgewogen. Man kann ein Einzelrennen oder einen Pokal spielen, jede Strecke hat ihre besonderen Felder und Eigenarten, an Sonderregeln für das Solo-Spiel oder das Spiel zu zweit wurde gedacht (je mehr echte Mitspielende dabei sind, desto besser wird es aber natürlich) und man kann den Kontrahenten so richtig eins vor den Latz knallen. Sogar an Achievements wurde gedacht, die wirklich nicht ohne sind und den Wiederspielreiz durchaus erhöhen, wenn man es drauf anlegt.

Aber vielleicht mal kurz zu den Regeln: Alle Mitspielenden suchen sich einen Dino samt Dodo-Jockey aus und nehmen sich die entsprechende Karte. Auf dieser ist jeweils eine Spezialfähigkeit vermerkt. Dann bekommt noch jeder vom Kartenstapel sechs Bewegungskarten, die in drei Farben (blau, rot, grün) daherkommen, doch dazu gleich mehr. Das eigentlich Spiel läuft dann in zwei Phasen ab: Die Planungs- und die eigentliche Rennphase. In Phase 1 spielt jeder eine verdeckte rote oder blaue Karte aus der Hand aus. Auf diesen stehen in der Regel sowohl eine Tempoangabe (= Felder, die man laufen darf), sowie ein spezieller Effekt. Dann werden die Karten aufgedeckt. Sollten nun zwei oder mehr rote Karten offen liegen, dürfen die Effekte der roten Karten in dieser Runde nicht genutzt werden. Danach arbeiten alle – beginnend beim der Startspielenden – ihre Karten ab. Hier kommen jetzt die grünen Karten ins Spiel: gefällt einem nämlich nicht, was ein Mitspieler mit den Effekten seiner Karte so treibt, kann man jederzeit eine grüne Karte als Reaktion ausspielen. Hat man am Ende seines Zuges keine Karten mehr, muss man drei Felder zurückgehen und erhält 5 neue Karten. Gleiches gilt, wenn man in der Planungsphase keine roten oder blauen Karten hat. Am Ende einer Runde darf die führende Spielerin natürlich noch ein Feld vorlaufen, während alle anderen eine Karte ziehen dürfen und dann geht das Ganze von vorne los, bis jemand die Ziellinie überquert.


Was wäre aber ein Funracer, wenn man seine Mitspielenden nicht so richtig ärgern könnte und die Strecke keine Aktionsfelder haben würde? Richtig. Formel 1. Und das will niemand mit Dinos. Entsprechend gibt es diverse Karten, die entweder direkten Schaden austeilen oder dazu auffordern, einen Meteoriten auf das Feld plumpsen zu lassen, ein Ei zu schnipsen, eine Banane oder eine Feder auf den Tisch zu werfen oder einen Baumstamm rollen zu lassen. Berühren diese Klötzchen Spieler, bekommen sie Schaden. Letzterer besteht daraus, dass man je Schadenspunkt eine Karte ablegen muss. Und – wir erinnern uns – wer keine Karte mehr hat, muss 3 Felder zurückgehen, um die eigene Kartenhand zu erholen. Hinzu kommen Sonderfelder auf drei der „Welten“. Während es einem im Ignis Vulkan Flammenfelder ermöglichen, Karten aus dem Ablagestapel zu nehmen oder Schaden auszuteilen, muss im Nordhimmel (Regenbogenboulevard lässt grüßen!) an Sprungchancen gezielt über die Rampen geschnipst werden, damit man überhaupt weiterfahren darf und auf dem Polareisberg muss mitunter gewürfelt werden, ob eine Abkürzung erfolgreich genommen wird oder nicht, während gleichzeitig noch Schneefelder die Fahrt verlangsamen.


Soweit die Regeln des Spielablaufs. Man kann jedes beliebige Rennen in unterschiedlicher Personenzahl spielen, wobei im Solo und 2er-Spiel zwei bzw. ein Bot(s) dazukommt. Diese Bots sind wiederrum in verschiedenen Schwierigkeitsgraden enthalten und machen einen ordentlichen Job. Aber natürlich mit den „Problemen“, die alle Bots mit sich bringen: sie wollen verwaltet werden. Das ist hier aber nicht so schlimm, denn letztlich deckt man nur eine Karte auf und arbeitet sie ab, wobei die Bots immer Bewegungsboni auf ihrer Charakterkarte haben.

Wer von den Einzelrennen genug hat, sollte sich aber an den Pokal machen, denn erst dort entfaltet das Spiel die volle Mario-Kart-Atmosphäre: Nachdem man seine Dinos aufgestellt hat, werden alle übrigen Figuren als „Fans“ bereitgelegt. Gespielt werden alle vier Strecken nacheinander. Wer eine Strecke gewinnt, bekommt zwei Fans, wer es als zweites schafft einen Fan und alle anderen bekommen eine Verstärkungskarte. Letztere bringen besondere Boni für die nachfolgenden Strecken. Außerdem darf man für jede Verstärkungskarte, die man zu Beginn einer Rennstrecke hat, direkt 3 Felder nach vorne gehen.


Soviel dazu. Und nun zum wichtigen Teil: Dem Spaßfaktor. Wenn das Spiel auf dem Papier alles richtig macht, müsste es doch ein absoluter (Party)Knaller sein, oder? Die Antwort lautet hier Jein. Oder besser: Es kommt drauf an. Und zwar darauf, wer so mit einem am Tisch sitzt. Denn Mario Kart kann jedes Kind zumindest Mitspielen (ja, gewinnen ist da was ganz anderes). Bei Dodos Riding Dinos ist das nicht so ohne weiteres möglich. Durch die Kombination aus Charakter-Fähigkeiten, Verstärkungskarten, Bewegungskarten und Streckeneffekten ist es eben kein Kinderspiel, auch wenn ich die Altersempfehlung 14+ etwas sehr hoch empfinde. Wer mitspielt, sollte zumindest gut lesen und in begrenztem Maße taktisch spielen können. Da ist jedes Kind anders, aber ich schätze mal spätestens mit 10 dürfte man mit etwas Übung schon ganz gut mithalten können. Als Familienspiel „für alle“ taugt es also nicht uneingeschränkt, für alle anderen Gruppen gilt aber: Auf die Plätze, fertig, los…wenn denn die Mitspielenden a) Spaß an Schadenfreude haben und b) ausreichend frustrationstolerant sind. Oder anders: wer mit seiner Spielerunde an Mario Kart Spaß haben würde, kann hier bedenkenlos zugreifen und wird eine riesen Gaudi haben. Wer damit aber so gar nichts anfangen kann, sollte einen großen Bogen um Dodos Riding Dinos machen, denn ein hochernstes, strategisches Spiel, ist es nicht – und will es offensichtlich (oder habt ihr schon mal Dodos gesehen, die auf Dinos reiten?) auch nicht sein. Und wie ich bereits angeklungen habe: Lieber mit möglichst vielen Menschen spielen, denn in kleinen Gruppen kann sich der Spielspaß nicht so wirklich „entfalten“.



Ich persönlich hätte zwar die Geschicklichkeitseinlagen der Projektile und das Schnipsen auf der Himmelsstrecke nicht gebraucht und finde es etwas unnötig (grade für ein Spiel, das kein Kinderspiel sein will). Aber mich stört es auch nicht derartig, dass es mir das Spiel vermiesen würde, denn dafür kommt es zum Glück nicht ganz so häufig vor. Aber auch das muss jeder für sich selbst entscheiden. Außerdem würde ich persönlich immer direkt den Pokal-Modus spielen, wenn die Zeit es zulässt, da bei den Einzelrennen doch recht schnell die Luft raus ist. Kommen wir zu guter Letzt vielleicht noch zur Preis-Leistungs-Relation: Aufgrund der hohen Produktqualität verstehe ich den durchaus gehobenen Preis. Ich bin mir nur nicht ganz sicher, ob es hier nicht auch von allem eine Schippe weniger hätte werden dürfen. Ohne Minis und Inlay/dickem Karton wär’s vielleicht auch zum halben Preis zu haben gewesen, ohne dass der Spielspaß leidet und wäre dann dem „Spielspaßumfang“ ein wenig gerechter geworden. Einen großen Anteil des Preises zahlt man also für die Tischpräsenz, das muss einem hier bewusst sein.

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Dodos Riding Dinos von Rubén Hernández
Erschienen bei Taverna Ludica Games
Für 1 bis 6 Spieler in ca. 20 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Taverna Ludica Games)