28.08.2022

Schichtwechsel


Kennt ihr das? Man schaut sich das Cover eines Spiels an und ist sich nicht ganz sicher, ob das nun das schrecklichste oder das genialste Cover aller Zeiten ist? Ein wenig ging es mir so bei Schichtwechsel, das vom deutschen Verlag Spielefaible herausgebracht wurde. Dieses Spiel von Thomas Spitzer entführt uns ins Ruhrgebiet der 50er Jahre. Nach dem Krieg befindet sich Deutschland im Wiederaufbau, und wir sorgen als Besitzer einer Zeche für wirtschaftlichen Aufschwung durch den Abbau von Steinhohle. Wir werden Kohle abbauen, veredeln, verladen; unser Straßen-, Schienen- und Kanalnetz ausbauen; unsere Kumpel geschickt durch die Schicht führen; und letztendlich wie immer auf Siegpunktejagd gehen. Hierbei stoßen wir spielmechanisch ganz im Eurostyle auf Workerplacement und Ressourcenmanagement.

Doch nun zurück zum Cover. Grässlich oder genial? Auf den ersten Blick mit Sicherheit ersteres: trostlos, grau, simpler Zeichenstil… Doch fängt nicht genau dies das Thema und die Spielidee ein? Irgendwie ist das Cover also auch authentisch und passt zur Thematik des Spiels. Doch wir wollen uns nicht allzu lang mit dem Cover aufhalten. Es wird euer Spieleregal mit Sicherheit nicht verschönern, aber es passt irgendwie doch auch zum Spiel. Das restliche Material ist qualitativ recht solide, doch auch nicht mehr – einige Holzcubes, -häuser, und -leute und der Rest in Pappe bzw. Papier für die Karten.


Und die Karten, die rund ums Spielbrett platziert werden, sind gleichsam auch die Workerplacementfelder, auf denen wir die verschiedenen Aktionen im Spiel durchführen werden. Diese Aktionen bauen aufeinander auf, da sie thematisch dem Prozess des Kohleabbaus bzw. der Weiterverarbeitung der Kohle folgen. Zunächst wollen wir Kohle in unsere Waggons fördern, dann volle Waggons in Koks verarbeiten und schließlich das gewonnene Koks auf unsere Kokswaggons verladen, um sie im darauffolgenden Schritt gewinnbringend zu verkaufen. Darüber hinaus gibt es Aktionen, die uns auf drei verschiedenen Leisten voranschreiten lassen (Ausbau unseres Kanal-, Schienen- und Straßennetzes), solche, die das Grubenwasser senken, dass uns sonst Schwierigkeiten bereiten wird, und wiederum andere, die uns unseren Bergmann auf dem Schichtrondell weiterbewegen lassen. Natürlich erhalten wir sowohl auf den Leisten als auch auf dem Rondell gewisse Boni in Form von Siegpunkten, Geld, Gebäuden und mehr. Außerdem bekommt derjenige, der am schnellsten bis ans Ende einer Leiste und des Rondells vorgerückt ist – ganz klassisch – mehr Siegpunkte dafür als diejenigen, die danach erst dazustoßen.

Punkte bekommt man jedoch nicht nur durch die Leisten und das Rondell, sondern auch durch das verkaufte Koks sowie die platzierten Zechenhäuser. Letztere muss man, sobald man sie erhält, auf einen freien Platz für ein Zechenhaus legen, wo es je nach gewähltem Platz extra Siegpunkte bspw. für volle Kohlewaggons oder Abraum auf der Halde etc. am Spielende abwirft. Allerdings gibt es nicht nur am Ende Siegpunkte, sondern auch nach jeder Runde gemäß der gerade ausliegenden Rundenwertungskarte.


Ansonsten sollte man noch wissen, dass manche Karten Platz für mehrere Worker bieten und andere nur Platz für einen einzigen; dass die Worker, die man in Form von Aktionssteinen hat, zwei verschiedene Wertigkeiten besitzen, sodass man mit einem einfachen Standardworker nicht alle Aktionen ausführen kann; und dass noch vor den Aktionen, die in einer Runde im Uhrzeigersinn reihum ausgeführt werden, noch gewisse Dinge passieren. Einerseits bekommt jeder Spieler Ressourcen in Form von Kohle und/oder Abraum. Danach sucht sich jeder à la Terra Mystica je ein Auswahlplättchen mit einem bestimmten Bonus aus, den man am Anfang der nächsten Runde wieder gegen ein anderes verfügbares Auswahlplättchen austauschen muss. Im Anschluss steigt das Grubenwasser, wofür es Minuspunkte geben könnte, falls man sich vorher nicht um das Grubenwasser gekümmert hat. Schließlich bekommt jeder seine Aktionssteine zugewiesen und darf das Koks auf den eigenen Kokswagen verkaufen. Haben wir zudem bereits Zechenhäuser gebaut, bekommen wir zusätzliche Boni in dieser Phase. Und das wär‘s auch schon mit dem groben Überblick.

Widmen wir uns nun also den wichtigen Fragen: macht das Ganze Spaß? Ich persönlich liebe Expertenspiele, die das Gehirn zum Schmelzen bringen. Aber es müssen nicht immer die großen Expertentrümmer sein, denn auch ein gutes Kennerspiel mit der richtigen Balance zwischen Spieltiefe und Leichtigkeit ist doch einfach etwas Fantastisches, oder? Und tatsächlich bietet Schichtwechsel als Kennerspiel eben jene Balance. Nichtsdestotrotz hat es mir persönlich einfach keinen Spaß gemacht. Die triste Optik drückt am Ende des Tages dann wohl doch ein wenig auf die Stimmung, und auch sonst macht man irgendwie immer dasselbe, wobei das wiederum davon abhängt, welche Ressourcen man zu Beginn einer Runde erhält, und auch hier wurde ich spielmeschanisch nicht wirklich warm mit dem Titel. Denn der Startspieler zieht eine gewisse Anzahl an Cubes aus einem Beutel und verteilt diese dann mehr oder weniger beliebig an alle Spieler, wobei hier auch fiese Cubes dabei sind, die das Grubenwasser steigen lassen und einfach keine Ressourcen bringen. Man beginnt also die Partie, bekommt gleich nen blauen Grubenwasser-Cube und Abraum (statt Kohle) zugeordnet, und startet mit einem klaren Nachteil. Wieso? Habe ich da etwas nicht richtig verstanden?


Und dann macht man, wie gesagt, im Grunde immer nahezu dasselbe, da man immer wieder versucht den Kohleabbau- und Verladeprozess durchzugehen, um Koks zu verkaufen, was schon ziemlich stark ist, vor allem, wenn man es gleich in der ersten Runde bzw. zu Beginn der zweiten hinbekommt. Natürlich kann man auch Abraum auf der Halde sammeln und dafür Boni bekommen, das Streckennetz ausbauen und mit dem Bergmann weiterwandern, und doch dreht sich Schichtwechsel am Ende, um das geschickte Managen der eigenen Waggons und Ressourcen. Und genau das hat mir einfach keinen Spaß gebracht. Bei den Mitspielern kam das Spiel ebenfalls gemischt an, doch waren hier die Meinungen deutlich positiver und es gab zumindest auch einen Fan, der vor allem dem Thema einiges abgewinnen konnte.


Die Tatsache, dass das Spiel in der Lage ist, Fans für sich zu gewinnen – auch wenn ich nicht dazugehöre – zeigt jedoch, dass es sich bei Schichtwechsel nicht um ein schlechtes Spiel handelt. Das Spiel funktioniert und hat auch einige interessante und reizvolle – obgleich auch keine neuen – Mechanismen. Einerseits wäre da die Tatsache zu nennen, dass es unterschiedlich starke Worker gibt, die mich kleine oder große Aktionen durchführen lassen. Und auch die aufeinander aufbauenden Aktionen mit dem Kohleabbau und der Weiterverarbeitung sind thematisch passend und spielmechanisch gut umgesetzt, da man vor allem auch durch das zeitversetzte Verkaufen des Kokses zu Rundenbeginn schon sehr gut planen muss, um das beste aus seinen Aktionen herauszuholen. Schließlich bietet das Spiel mit den Leisten und dem Rondell weitere dem Eurogamer bekannte Elemente, die sich zusammen mit den variablen Rundenwertungen und der sich individuell durch die Zechenhäuser gestaltbaren Schlusswertung gut in das Spiel eingliedern. 


Nichtsdestotrotz sticht das Spiel mechanisch nicht heraus und von mir gibt es auch keine uneingeschränkte Empfehlung. Wer allerdings der Optik gegenüber nicht abgeneigt ist und seine Sammlung mit einem gut funktionierenden, soliden Eurogame mit außergewöhnlichem Thema erweitern möchte, kann Schichtwechsel gerne eine Chance geben! Ich wünsche viel Spaß mit euren Kumpeln und beende diese Rezension mit Herberts Worten: „Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser als man glaubt!“
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Schichtwechsel von Thomas Spitzer
Erschienen bei Spielefaible
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 60-90 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Spielefaible)
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