23.10.2022

Khôra -Aufstieg eines Imperiums

Das 2021 bei Iello erschiene KhôraAufstieg eines Imperiums hat einen spannenden Autorenhintergrund. Hinter der Entwicklung dieses Spieles steht eine ganze Autorengruppe, welche nach außen hin ohne einzelne Autorennamen auftritt. Angesiedelt ist diese Gruppe - der Head Quarter Simulation Game Club - an der Keio Universität in Japan. Zuvor veröffentlich haben sie mit Improvement of the Polis (2017) und Singularity (2018) bis jetzt nur im Eigenverlag zwei kleinere Spiele, welche außerhalb von Japan wenig Beachtung gefunden hat. Mit KhôraAufstieg eines Imperiums hat die Autorengruppe aber nun Anklang bei einem großen Verlag mit entsprechenden Kanälen gefunden, welcher das Spiel in seiner EXPERT-Linie veröffentlich. 

Eine richtige Kategorie für Khôra zu finden ist nicht ganz einfach. Wir spielen den Aufstieg von Stadtstaaten im alten Griechenland. Naheliegend wäre es also das Spiel in der Kategorie Zivilisationspiel zu sehen. Zumindest von den Spielmechaniken her passt das für mich aber nicht so ganz. Doch gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Bei Khôra stellen wir einen von sieben Stadtstaaten dar und konkurrieren mit unseren Mitspielenden darum nach neun Runden die meisten Siegpunkte zu besitzen. Das Spiel ist mit 2-4 Personen spielbar. Empfohlen wird es von Iello ab 14 Jahren. Meines Ermessens ist diese Altersangabe jedoch ein wenig zu hoch angesetzt. 

Jede Spielrunde gliedert sich in sechs Phasen. Am Anfang jeder Runde gibt es ein Ereignis, welches kurz vor Rundenende ausgewertet wird. Weiterhin gibt es am Rundenanfang auch noch Einkommen für alle Spieler*innen. Der zentrale Spielmechanismus von Khôra findet sich jedoch in den Phasen C. Würfel und D. Aktionen. In Phase C werfen alle Mitspielenden ihre sechsseitigen Würfel. Zu Beginn des Spieles sind dies zwei Würfel. Im Spielverlauf kann man zu einem dritten Würfel gelangen. In Phase D wählt man dann mit Aktionsplättchen heimlich Aktionen aus, welche man durchführen will. Die zuvor gewürfelten Augenzahlen beschränken uns bei der Auswahl. So gibt es sieben verschiedene Aktionsplättchen (nummeriert von 0-6) für die sieben verschiedenen Aktionen. Zwei (bzw. später drei) davon haben wir nun unseren Würfeln zuzuordnen. Problemlos geht das aber nur, wenn die Würfelaugenzahl mindestens so hoch wie die Nummer des Aktionsplättchens ist. Ansonsten müssen wir mit Bevölkerung die Differenz ausgleichen. Gerade am Anfang des Spieles schränkt uns das in unseren Möglichkeiten ein wenig ein. Wir starten zwar mit drei Bevölkerung. Bei ungünstigen Würfen verbraucht sich diese aber schneller als einem lieb ist.


Ausgeführt werden die Aktionen dann in der anschließenden Spielphase in Folge der Nummerierung der Aktionsplättchen. 

Bevor ich auf die Aktionen genauer betrachte, möchte ich den Blick kurz auf die Siegpunkte lenken. Wie kommt man zu diesen? Neben Siegpunkten, welche man durch Aktionen im laufenden Spiel erlangt, gibt es noch Siegpunktkarten (Politikkarten), Siegpunkte durch Entwicklungen auf dem Stadttableau sowie Siegpunkte durch eine besondere Wertung. Hier wird der Stand auf der Ruhmesleiste mit der Anzahl des gesammelten Wissenschaftsplättchen multipliziert. An eben jene Plättchen gelangt man durch die Aktion Militär. Wichtig dafür zu wissen: Das Spielbrett von Khôra teilt sich grob in zwei Bereiche. Der eine Bereich enthält Leisten auf denen der Stand von Bevölkerung, Steuern, Ruhm und Truppen angezeigt werden. Auf der anderen Seite des Spielplanes liegen 36 Wissensmarker in drei Farben aus. An diese Marker zu gelangen ist unabdingbar bei Khôra und an die Aktion Militär gebunden. Der Erhalt eines Markers ist an eine auf dem Spielbrett neben dem Marker angegebene Abgabe von Truppen geknüpft. Weiterhin muss man auch immer eine bestimmte Truppenstärke haben. Als Belohnung winken dann neben dem Marker Geld und/oder Siegpunkte. Darüber hinaus kann man über fünf verschiedene aber feste Wettrennkategorien an Punkte gelangen. Wer zuerst die jeweilige Bedingung erfüllt, erhält die Punkte. Ansonsten lassen sich noch über die Aktion Kultur Punkte generieren sowie auch durch ausgespielte Politkarten, welche bestimmte Aktionen belohnen. 

Die obenan erwähnten Wissensmarker sind in mehrerlei Hinsicht wichtig für die Entwicklung unseres Stadtstaates. Mit der Aktion Politik lassen sich Politikkarten ausspielen. Viele dieser Karten haben Geldkosten. Weiterhin haben ein Großteil dieser Karten aber auch Voraussetzungen in Form von bestimmten Kombinationen von Wissensmarkern, welche man bereits gesammelt haben muss. Auch um auf den eigenen Stadttableau den Entwicklungsmarker nach oben zu treiben und damit Sondereffekte sowie Fähigkeiten freizuschalten müssen solche Vorrausetzungen erfüllt sein. Es gilt also die eigenen Ziele möglichst gut zu kombinieren um so den Bedarf an zu sammelnden Markern nicht ausufern zu lassen. Insbesondere sollte man dies bei der Auswahl der Politikkarten im Blick haben. Am Anfang des Spieles werden diese gedraftet, so dass alle Spielenden mit fünf Karten starten. Beim späteren Nachziehen von Karten wählt man immer aus zwei Karten eine aus. Die Auswahl an vorhandenen Wissensmarkern und zu erreichenden Markern auf anderen Karten und Entwicklungsstufen auszurichten, ist also sehr zu empfehlen. Eine etwas teure aber manchmal auch sinnvolle Aktion kann es auch sein Wissensmarker über die Aktion Handel für fünf Geld zu kaufen. Man bekommt dann aber wirklich nur den Marker und keine Siegpunkte dazu. 

Am Rundenende wird jeweils die Ereigniskarte der Runde ausgewertet. Manchmal sind dies feste Ansagen, wie dass alle Spieler am Rundenende drei Geld bekommen oder irgendetwas verlieren. Zumeist sind es aber militärische Ereignisse bei denen die Truppenstärke der Spieler verglichen wird und man danach etwas erhält oder abgezogen bekommt. Die erste und letzte Ereigniskarte des Spiels sind fest vorgeben. Die anderen Karten werden zufällig bestimmt. So startet jede Partie mit Bevölkerungswachstum, einem Ereignis, welches niedrige Würfe in der ersten Runde abmildert. Das letzte Ereignis ist die Eroberung der Perser. Mit jenem Ereignis wird ein Anreiz gesetzt vorher die schwerste militärische Erkundung durchzuführen: Die Eroberung von Persepolis. Diese feste Vorgabe der beiden Ereignisse finde ich total sinnvoll. Es kommt für mich aber ein wenig mit dem faden Gefühl einher, dass man wohl gemerkt hat, das Spiel würde ansonsten die Balance verlieren. Meines Ermessens ist ein schlechter Wurf in Runde 2 kaum weniger schlimm als in Runde 1. Dort wird man damit dann aber einfach leben müssen. Ebenso muss man damit klarkommen, wenn man gleich mehrfach hintereinander zu Spielbeginn niedrig würfelt. Es gibt keine Möglichkeit hier aktiv etwas gegen zu tun. Man kann einfach nur schauen, dass man sich dann mit der Aktion Gesetzgebung drei Bevölkerung sowie eine weitere Politikkarte holt. 

Kommen wir also dazu zurück ob Khôra ein Zivilisationsspiel ist. Vieles spricht dafür, zumindest von der Thematik her. So errichtet man mit den Politikkarten Gebäude und außerdem entwickelt man auf dem Stadttableau ja auch den eigenen Stadtstaat weiter. Auch die Erkundungen über die Militäraktion sprechen dafür – auch wenn diese über das Einsammeln von Wissensmarkern sehr abstrakt gehalten sind. Die grandiose Bebilderung von Politikkarten, Aktionsplättchen und Ereignissen durch David Chapoulet und Jocelyn Millet sprechen ebenfalls dafür. Trotzdem spielt sich das Ganze eher wie ein Wirtschaftsspiel mit starken Optimieraspekten. Wahrscheinlich fehlt für das Zivilisationsspielgefühl auch ein wenig das Geschehen auf dem gemeinsamen Spielbrett. Hier entsteht nichts. Es werden nur Marker bewegt und Plättchen eingesammelt. Dementsprechend bleibt die eigenen Stadtstaatentwicklung ein wenig abstrakt und auf die eigene Kartenauslage beschränkt. 


Neben dem ansehnlichen Bild auf dem eigenen Tableau ist dieses Brett vor allem auch Zählleiste. Hier wird die Entwicklungsstufe der eigenen Stadt sowie Werte für Wirtschaft, Kultur und Militär angezeigt. Diese Werte sind vor allem in Verbindung mit einzelnen Aktionsplättchen von Bedeutung. Je höher der Wert bei der Leiste Militär bspw., umso mehr Truppen bekomme ich beim Ausführen der Aktion Militär vor dem Entdecken des Wissensplättchens an Truppen dazu. Meinem Gefühl nach ist Khôra also eher etwas dazwischen. Spielende welche sich ein astreines Zivilisationsspiel wünschen, werden sicher enttäuscht sein. Wer aber Lust am Optimieren und Finden von Synergien hat, der findet in Khôra einen spannenden und diesbezüglich reizvollen Titel, welcher dies in ein Zivilisationsgewand einbettet. 


Aus Materialsicht ist Khôra toll. Dickes, wertiges Spielmaterial, tolle Grafiken, Double-Layer-Boards und ein gut durchdachtes Plastikinlay. Hinweis an dieser Stelle: Nach dem Auspöppeln die Papprahmen nicht wegwerfen, sondern unter das Inlay legen. Dann klappt es bei Khôra auch mit der Senkrechtlagerung. 



Ein wenig unsicher bin ich mir bei Khôra was das Balancing bei unterschiedlichen Spieler*innenanzahlen angeht. Dabei denke ich weniger daran, dass das Spiel in manchen Konstellationen nicht funktionieren würde. Darum geht es mir nicht. Mein Punkt ist eher, dass keinerlei Anpassungen an die Mitspieler*innenanzahl gemacht werden. 36 Wissenmarker unter zwei Personen aufzuteilen ist einfach ein anderer Schnack als zu Viert darum zu wetteifern. Ähnlich sieht es bei Militärereignissen aus. Meiner Meinung nach kippt dies das Spiel nicht. Es sorgt aber einfach zu sich sehr stark unterscheidenden Spielgefühlen. 


Eingangs habe ich ja erwähnt, dass Iello das Spiel seiner EXPERT-Linie zuordnet. Persönlich würde ich das Spiel deutlich eher als gehobenes Kennerspiel, denn als Expertenspiel sehen. Die Spielregeln sind wirklich gut verfasst und bebildert. Die Lektüre der 16 luftig und opulent illustrierten 16 Seiten ist schnell abgeschlossen und ebenso flott hat man das Spiel den Mitspielenden nahegebracht. Der Anspruch des Spieles ergibt sich vielmehr durch den Anspruch zu optimieren unter durch die Würfel eingeschränkten Bedingungen. Wer hier Spaß dran hat, der findet in Khôra ein Spiel bei dem man über die Politikkarten schöne kleine Engines aufbauen kann und in die Abwägung bei der zu erlangenden Wissensmarker einiges an Überlegungen investieren kann. Khôra ist in jedem Fall ein Titel, welcher auf zukünftige Spiele von Head Quarter Simulation Game Club neugierig macht.

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Khôra – Aufstieg eines Imperiums
Autor: Head Quarter Simulation Game Club
Erschienen bei Iello
Für 2-4 Spieler*innen ab 14 Jahren.
Spieldauer etwa 75 Minuten


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (Hier Iello)
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