12.04.2023

Mythic Mischief


Die Hintergrundgeschichte von Mythic Mischief ist eine ungewöhnliche: IV Studio ist ein Studio in Nashville, Tenessee, welches für viele der ganz großen Player arbeitet. Netflix, Amazon, CBS um nur ein paar ihrer großen Kunden zu nennen. Ihr Headquarter ist ein Ort an dem jedem Menge kreativer Menschen zusammen kommen. Die Bilder im Netz rufen von der Optik her schon laut: Traumarbeitsplatz. Ein Ort wie die Skywalker-Ranch wohl damals für die Lucasarts-Entwickler gewesen ist. Es gibt so einige Dinge welche man an so einem Ort erwarten würde. Beispielsweise die obligatorische Tischtennisplatte oder Socialising-Ecken mit Spielkonsolen. IV Studio bietet seinen Mitarbeiter*Innen jedoch noch mehr. Es ist auch ein Ort an dem sie eigene Ideen mit Hilfe der Ressourcen des Studios verwirklichen können. Das waren bis jetzt Apps, Mobile Games und eben auch drei Brettspiele. Der vorliegende Titel Mythic Mischief ist dabei das aktuellste Produkt von IV Games, wie IV Studio ihre Spielesparte nennt. Vorausgegangen sind Moonrakers sowie Veiled Fate. Für diese drei Spiele, welche ab 2020 erschienen, zeichnen sich Max Anderson, Zac Dixon und Austin Harrison als Autoren verantworlich. Mit Fractured Sky wird dieses Jahr noch ein weiteres Titel des Gespanns folgen. Bemerkenswert: Vor diesen Spielen hatte das Trio noch keine Erfahrung im Designen von Brettspielen. Gleichzeitig haben die drei bereits erhältlichen Titel von IV Games allesamt Bewertungen von 7,7+ auf BGG. Und dies bei einer beachtlichen Zahl an Bewertungen. Dementsprechend lohnt es sich einen Blick auf Mythic Mischief zu werfen, welches erfolgreich über eine Gamefound-Kampagne finanziert wurde. Fast 500.000$ brachte die Kampagne im Sommer 2021 ein. In dem Rahmen der Kampagne wurde Geld für die Produktion des Basisspiel sowie für drei Erweiterungen gesammelt. Diese sind nun ebenfalls bereits veröffentlicht und werden an dieser Stelle mitbesprochen.


Mythic Mischief ist ein kleines Miniaturenspiel für 1-4 Personen. Die Regeln sind überschaubar und im Grunde könnte man es wohl trotz der Aufmachung als abstraktes Strategiespiel bezeichnen. Wir spielen hierbei Fraktionen von Schüler*innen, welche die Schüler*Innen anderer Fraktionen hereinraten wollen. Ort des Geschehens ist die Bibliothek der Schule und es gilt dem Tomekeeper (dem Bibliothekar) auszuweichen. Dargestellt ist die Bibliothek als rechteckiger Raum mit 5x5 Feldern. Hierauf bewegen wir die jeweils drei Figuren unserer Fraktion. Auch der Tomekeeper bewegt sich nach vorgegebenen Regeln auf diesen Feldern. Bücherregale und Unrat behindern die Bewegung.


Bei den Fraktionen haben wir die Auswahl zwischen Frankenstein-Monstern, Zombies, Vampiren, Zauberern, Geistern, Trollen und Hexen. Die drei letztgenannten Fraktionen kommen in Erweiterungsboxen. Zur Ausstattung einer jeden Fraktion gehören 3 Miniaturen, Tome-Marker aus Plastik, Würfel, eventuell Plättchen für die fraktionsspezifische Sonderfährigkeit sowie ein Double-Layer-Board. Jede Fraktion kommt weiterhin mit einem schicken Tray in dem die Materialien bis auf die Playerboards verwahrt werden.
 

Mythic Mischief ist ein Spiel, welches in der Regel über zwei Halbzeiten (Before Lunch und After Lunch) läuft. Gespielt wird klassisch reihum im Uhrzeigersinn. Am Zug macht man seine Aktionen, der Tomekeeper bewegt sich und abschließend folgt eine Upkeep-Phase in der das Playerboard für den nächsten Zug vorbereitet wird. Daraufhin geht es dann mit dem oder der nächsten Mitspielenden weiter. Vorzeitig enden kann das Spiel, wenn jemand 10 Punkte erreicht. In der Regel werden aber beide Halbzeiten gespielt und dann gewinnt wer die meisten Punkte erzielt. Dies gelingt dadurch, dass man auf dem Bibliotheksspielplan die Figuren den Mitspielenden, Bücherregale oder den Tomekeeper so manipuliert, dass der Timekeeper in seiner Phase die Figuren der Mitspielenden auf seinem Weg hat. In jeder der beiden Spielhälften sind die drei Stationen in numerischer Reihenfolge vorgegeben, welche der Tomekeeper anlaufen wird. Weiterhin auch noch wieviele Züge er pro Phase macht. Sein Weg ist also ziemlich berechenbar. In unserem Zug versuchen wir es also so zu drehen, dass er gegnerische Miniaturen auf seinem Weg einsammelt. Die kommen zwar im nächsten Zug des Gegners wieder ins Spiel, wir gewinnen aber einen Punkt für jede vom Tomekeeper gefangene Figur.
 

Am Zug haben wir diverse Möglichkeiten den Zug des Tomekeepers zu beeinflussen oder gegnerische Figuren bzw. Bücherregale umzupositionieren. Jede Fraktion hat dafür sechs verschiedene Aktionen zur Verfügung. Auf den Playerboards werden Aktionspunkte für diese Aktionen mit Würfelchen angezeigt. Bei Verbrauch von Aktionspunkten werden diese entsprechend auf einen niedrigeren Wert gedreht. Zwei der sechs Aktionsmöglichkeiten sind bei allen Fraktionen gleich: Move und Distract. Mit Move bewegt man eine Figur in ein Nachbarfeld. Mit Distract lockt man den Tomkeeper ein Feld weit in Richtung einer eigenen Figur. Die weiteren vier Fraktionen unterscheiden sich bei allen Fraktionen. Es ist aber so, dass jede Fraktion noch eine Aktion hat mit der sie Bücheregale bewegt und eine Aktion mit der sie Figuren bewegen kann. Dies kann bei der Fraktion Magier bspw. die Aktion "Warp" sein. Magier können für einen Aktionspunkt den Platz mit einer benachbarten Figur tauschen. Vampire wiederum beherrschen "Lure". Sie können in gerade Linie Figuren an sich heran locken. Die Art wie Bücherregale und Figuren manipuliert werden unterscheidet sich also von Fraktion zu Fraktion. Allen Fraktionen gemein ist aber, dass sie Grundfähigkeiten zu beiden Gebieten haben. Neben den vier genannten Fähigkeiten hat jede Fraktion noch eine Spezialfähigkeit und eine After Lunch Ability. Erstere ist ein starker One-Shot, welcher aber wieder aufgeladen werden kann. Zweiteres eine Fähigkeit, welche nur in der zweiten Spielhälfte eingesetzt werden kann. Außerdem ist die After Lunch Abilty optional. Es wird empfohlen sie nur mit Spielerfahrung zu nutzen.


Beim Bewegen unserer Figuren über das doch recht begrenzte Spielfeld werden wir vom Tomekeeper, den Figuren der Mitspieler*innen, Bücherregalen und Clutter behindert. Die Bewegung über letzteren kostet einen zusätzlichen Bewegungspunkt. In beiden Spielhälften sind wir neben dem Reinreiten der Mitspieler*innen auch noch darum bemüht Tomes einzusammeln. Hiervon liegen in der ersten Spielhälfte vier und in der zweiten Spielhälfte drei an der Zahl aus. Mit diesen können wir auf unserem Playerboard unsere Aktionsmöglichkeiten dauerhaft verbessern oder unseren One-Shot wieder aufladen. Unsere Aktionspunkte werden auf den Leisten des Playerboards mit Würfeln angezeigt. Am Ende des eigenen Zuges setzt man diese zurück und plant den nächsten Zug. Tomes können dann in die Leisten integriert werden um an mehr Aktionspunkte zu gelangen weiterhin darf man auch zwei Würfel boosten und damit ein wenig weiter nach rechts schieben. Dies bringt dann mehr Aktionspunkte in der jeweiligen Fähigkeit. schnell Tomes einzusammeln ist folglich recht zwingend um bei Mythic Mischief zu bestehen.


Die Packung des Spiels gibt an, dass es sich an 1-4 SpielerInnen richtet. Meines Ermessens ist Mythic Mischief aber ein Spiel, welches für das Zweipersonenspiel prädestiniert ist. Die knapp gehaltenen Regelanpassungen für 3 oder 4 Spieler sind meines Erachtens eher ein Behelf. Ausführlicher beschrieben ist auf sechs Seiten ein mögliches Solo-Spiel. Gesteuert wird dies durch ein zusätzliches Kartendeck und vorgegebene Bewegungsregeln für die Enchanted Students, gegen welche man im Solo-Spiel spielt. Obwohl das Solo-Spiel natürlich durchaus Gemeinsamkeiten mit dem Mehrpersonenspiel hat sind die Regeln doch so unterschiedlich, dass das Spielgefühl ein merklich anderes ist. Ich würde wagen zu behaupten, dass man damit fast ein zweites Spiel bekommt. Es spielt sich einfach ganz anders im Vergleich zum Duell mit einem oder einer echten Mitspielenden.
 

Herausstechend bei Mythic Mischief ist vor allem das Material. Von der graphischen Gestaltung her ist das Spiel am oberen Anschlag. Das gilt nicht nur für die Grafik selbst, sondern auch für die Materiaien. Alles an dem Spiel ist einfach wertig. Dicke Pappe für Boxen, Token und Playerbaords. Ein durchdachtes Inlay und Trays für jede einzelne Fraktion. Weiherhin ist jede Miniatur individuell und detailiert. Die Cover der Grundox und der Erweiterungen würde man sich am liebsten Frontal ins Regal stellen, so hübsch gestaltet sind sie. Ich finde hieran merkt man wirklich wieviel Gestaltungs-Know-How in einer Firma wie IV Studio steckt, wovon IV Games nun profitiert. Aufwending illustriert ist auch die Anleitung zu Mythic Mischief. Die Spielregeln lassen meiner Ansicht nach keine Frage offen. Das liegt auch daran, dass ein Beispielen und Bebilderung nicht gespart wurde. Eine gute "Nachschlageregel" ist sie imho aber nicht. Man muss schon ein wenig suchen um die entsprechende Textstelle wiederzufinden. 51 Seiten Spielregel sind für ein derartig einfaches Spiel auch eine ziemliche Hausnummer. Der Fairness halber sagen sollte man aber, dass man den reinen Text auf viel weniger Papier hätte packen. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass Mythic Mischief eher umständlich erklärt wird. Gut gefunden hätte ich noch Spielerhilfen zu den Fraktionen. Den Erweiterungsboxen liegen Blätter mit Übersichten zu den jeweiligen Fraktionen bei. Die vier Fraktionen des Grundspiels sind nur in der Spielregel erklärt. Einzelblätter zum Ausgaben würde hier sicherlich einiges an Geblätter ersparen.


Schaut man auf das Spiel selbst, dann ist es natürlich grenzenlos überproduziert. Eigentlich ist Mythic Mischief ein kleines, abstraktes Spiel, welches auch mit sechs normalen Meeplen auf einem 5x5 Raster und ein wenig einfachen Zubehör wie Catan-Straßen als Bücherregalen spielbar wäre. In der Form würde es dann aber niemanden von Hocker hauen. Will sagen: Das Spiel lebt von der Aufmachung und vor allem den Miniaturen und den dazu passend gestalteten Playerboards. Die speziellen Fähigkeiten der Fraktionen wurden stimmig zu den jeweiligen gewählt und  begrifflich thematisch treffend eingeordnet.
 

DIe Fraktionen spielen sich sehr unterschiedlich. Dies liegt an den Aktionen zur Manipulation von Regalen und Figuren. Manche Fraktionen wie die Zauberer sind sehr straight-forward. Andere deutlich anspruchsvoller zu spielen. Absolut nicht sicher bin ich mir wie gut die Balance der Fraktionen ist. Die Handlungsmöglichkeiten unterscheiden sich einfach sehr stark. Meine Vermutung wäre, dass Mythic Mischief kein turniertaugliches Spiel wäre. Für Casual Play von 45-60 Minuten zu zweit muss das meines Ermessens aber auch nicht gegeben sein. Das Spielgefühl insgesamt ist aber kein groß anderes, egal welche Fraktion man spielt. Man muss halt nur ein wenig anders rangehen um die Gegenspieler dran zu kriegen. Die sieben Fraktionen von Grundspiel und Erweiterungen bieten auf jeden Fall viele Möglichkeiten Dinge zu probieren. Vorstellbar finde ich aber, dass das Spielerlebnis ingesamt auf Dauer doch zu ähnlich ist. Das kann aber nur die Zeit zeigen. Ein wenig in Frage stellen würde ich die Altersangabe "ab 14 Jahren". Meines Ermessens ist dies sowohl vom Anspruch als auch von der Gestaltung her zu hoch angesetzt. Das Spiel ist kein bisschen gruselig. Alle Figuren und Grafiken sind total niedlich gehalten. Von den Regeln her ist das Spiel von 12-jährigen auf jeden Fall schon beherrschbar. Spielerfahrene Kinder werden schon deutlich früher damit klar kommen. Ich persönlich hatte Freude an Mythic Mischief. Ein wenig vergleichbar ist es vom Spielgefühl gesehen für mich mit zu Finstere Flure von Friedemann Friese, welches ich auch sehr mag. Dieses lässt sich aber nicht sonderlich gut zu zweit spielen und ist auch noch ein wenig straighter, weil ohne besondere Fähigkeiten der Figuren. Hingegen ist Mythic Mischief für das Zweipersonenspiel prädestiniert. Wer also einen eher abstrakten Titel sucht, welcher trotzdem wirklich etwas hermacht, schnell erklärt und flott gespielt ist, der oder die sollte Mythic Mischief in Betracht ziehen.


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Mythic Mischief

Autor: Max Anderson, Zac Dixon und Austin Harrison

Erschienen bei IV Studio /IV Games

Für 1-4 Spieler*innen ab 14 Jahren.

Spieldauer etwa 45-90 Minuten


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (IV Studio /IV Games)