16.06.2023

Distilled




Kennt ihr das? Es gibt Spiele, bei denen man das Thema liest und sofort hellhörig wird. Sofort läuft im geistigen Auge ein Film ab und man stellt sich vor, wie cool das sein muss. So ging es mir nämlich bei diesem Titel - Distilled von Paverson Games und über die Spieleschmiede bei Giant Roc gelandet.


Wir erben hier eine alte Destillerie und möchten diese wieder zur alten Stärke zurückführen und mit absolut hochwertigen Erzeugnissen den Markt erobern. Wir können Rum, Gin, Whiskey, Vodka, Pisco oder Tequila herstellen und das ist nur eine kleine Auswahl. Zunächst schlüpfen wir in eine Rolle, welcher schön mit Flavor versehen wurde und jede Rollenkarte bringt einen persönlichen Vorteil mit sich, des weiteren bekommt jeder passend dazu ein Spezialgetränk, welches nur dieser Spieler destillieren kann, sowie eine passende Spezialzutat.




Über sieben Runden werden wir nun sieben Getränke herstellen, aber ohne Zutaten und Equipment werden wir gar nichts produzieren, also auf zum Markt. Dort können wir nun Equipment für unsere Anlage kaufen, die uns im Laufe des Spiels Vorteile bringen wird oder wir stellen Fachleute ein, die uns ebenfalls das Leben erleichtern werden. Aber damit überhaupt was passiert im Kessel, brauchen wir Wasser, Hefe und Zucker! Nur so entsteht Alkohol. Beim Zucker wird unterschieden in Fruchtzuckern, pflanzlichen Zuckern und Getreidezuckern - davon gibt es dann jeweils die Basisausführungen oder eben Premiumvarianten.


Was wäre ein tolles Getränk ohne eine tolle Flasche, richtig? Damit unser Produkt im Regal auch ins Auge fällt, können wir also auch spezielle Flaschen kaufen, in denen abgefüllt werden soll. Und für Destillate, die reifen müssen, können wir Fässer und Tongefäße kaufen.


Hab ich kein Geld mehr oder möchte keines mehr ausgeben, geht es nun daran, die gekauften Dinge zu verwenden und unser Destillat anzurühren. Und das ist ein wirklich spannender Push-Your-Luck-Mechanismus. Zunächst muss ich, wie erwähnt, mindestens ein Wasser, eine Hefe und ein Zucker in den Gärbottich legen. Ich darf von allem, aber so viel ich möchte dazu legen. Für jede Zuckerkarte wird dann eine Alkoholkarte in den Bottich dazu gelegt. Nun nehm ich mir alle Karten und mische sie gut. Dann entferne ich, ohne zu schauen, die oberste und die unterste Karte und lege diese zurück in meinen Vorrat und was ich dann noch in der Hand halte, ergibt mein Getränk.




Je nach Zuckerart entscheidet sich dann das Resultat, wobei ich billigen Moonshine-Fusel oder Vodka immer herstellen kann und für weitere Getränke muss ich mir in der Marktphase erst ein Rezept kaufen.. Hab ich da was passendes, nehme ich mir ein Label aus der Auslage, sowie ein Fass, in welches abgefüllt wird. Achtung: Die Labels in der Auslage sind begrenzt und wenn weg, dann weg!


Es gibt Getränke, wie Vodka oder Gin, die sofort verkauft werden, dann muss ich dazu noch eine Flasche wählen und werte abschließend mein Getränk. Je besser die Zutaten, die Gefäße oder Flaschen, desto mehr Punkte und Geld gibt es. Hab ich aber Rum oder Whisky gebrannt, dann muss dieses nun in ein passendes Holz- oder Tonfass und in den Keller zum Reifen gelegt werden. Ergo haben wir diese Runde auch kein Einkommen. Was uns aber erlaubt, gesammelte Punkte abzugeben, um dafür ein wenig Geld zu bekommen. Schöne Idee: mit jeder Runde, die ich ein Getränk reifen lasse, lege ich verdeckt eine Aromen-Karte dazu, die mir Extra-Einkommen für das Getränk generieren kann, wenn es nicht gerade nach Dung oder Autoreifen schmeckt.


Rein vom Ablauf war es das eigentlich schon, ich kaufe alles was ich brauche, dann “produziere” ich, um es dann ggf. zu verkaufen. Die Labels, die ich bekomme, dienen dann dazu, dass ich noch Boni kassieren kann. Falls ich ein Getränk herstelle, wovon es kein Label mehr gibt, dann bekomme ich zwar immer noch Geld und Punkte, aber eben nicht den Bonus. Übrigens kann man nur über so ein Bonusfeld die spezielle Zutat in den Vorrat bekommen.




Auch eine andere Punktequelle will ich nicht unterschlagen, so bekommt jeder Spieler noch eigene Ziele, die es zu erreichen gilt und in jeder Partie liegen drei öffentliche Aufträge aus, die einmalig Punkte geben, wenn sie erfüllt wurden. Das führt mich zu einem Set Collection Part in diesem Spiel. Viele dieser Ziele und Aufgaben beziehen sich nämlich auf die Herkunft von Spirituosen und Flaschen. Im Grundspiel gibt es Europa, Asien und Amerika, durch eine Erweiterung kann man auch noch Afrika/Naher Osten hinzubekommen. Auch ohne Zielkarten sind die Flaschen Punkte wert, und zwar je mehr man aus einer Region beim Abfüllen verwendet hat.


Distilled ist ein super thematisches Spiel und man merkt an jeder Karte, an jedem Punkt des Spiels, wie der Autor Dave Beck versucht hat, alles in Einklang zu bringen. Alles fühlt sich richtig an, also wirklich so, als würde man am Bottich stehen und da kann eben auch mal was schief gehen. Und es ist wirklich ein spannender Moment, wenn man die zwei Karten aus seiner Mischung zieht und man einfach nur hofft, dass die drei Getreidezucker drin bleiben, damit ich endlich mein Whiskey abfüllen kann. Auf jeden Fall ein Glückselement, welches sich für mich hier gut anfühlt, aber Expertenspieler, die alles durchrechnen wollen zur Weißglut treiben wird.


Doch ich möchte nicht nur Lob verteilen - ich weiß nicht, ob die persönlichen Ziele und Aufträge wirklich nötig sind, gerade bei den persönlichen Zielen kann es vorkommen, dass sie perfekt passen, weil sie Dinge aus einer Region verlangen, aus der man eh kommt. Das ist bei den allgemeinen Aufgaben schon besser gelöst, aber teilweise auch schon recht schwer, je nachdem wie z.T. Karten im Markt auftauchen.




Ein weiterer Punkt sind für mich die Rezepte und ich vermute, dass hat einen starken Grund im Thema. Die Macher wollten natürlich dass alles stimmig ist und so kann ein Whiskey z.B. nur aus Getreidezucker hergestellt werden, was aber dazu führt, dass man tendenziell dazu neigt, sich nur auf die Getränke zu konzentrieren, welche die gleiche Zuckerart erfordern. Vodka ist das einzige Destillat, bei der verschiedene Zucker genommen werden können, dies bringt aber auch so gut wie keine Punkte, es sei denn man hat die absoluten Premiumzutaten gewählt. Ich hätte mir hier noch Getränke gewünscht, bei denen man versuchen muss verschiedene Zuckerarten zu mischen. So wie ich das gesehen habe, gibt es das nur bei einem Getränk in der Erweiterung. Hiermit plädiere ich noch für eine Cocktail-Erweiterung oder so!


Aber am Ende bleibt ein rundum positiver Eindruck und Distilled bietet mir sehr viel von dem, was ich mir hier erwartet habe und auch wenn die Grundmechanik recht simpel ist, so ist die richtige Auswahl an Equipment, Angestellten, Zutaten, Fässern, Flaschen und und und essentiell! Auch der richtige Moment für weitere Rezepte gilt es zu finden, denn Geld ist Mangelware und möchte am liebsten für andere Dinge ausgeben. Strategisches Denken kann hier also von Vorteil sein. Aber diese Knobelaufgabe bringt Spaß und wer das Thema ebenso spannend findet, wie ich, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren.


Lasst euch vom Preis nicht abschrecken, das ist wirklich eine Hausnummer, aber dafür bekommt ihr Top-Material mit Gametrays und alles auf höchstem Level und super schön illustriert. Dank verschiedener Rezeptkarten sollte auch für längere Zeit Abwechslung geboten sein und auch an Aufgaben gibt es einige. Aber ein Spiel für JEDEN Abend wäre das jetzt auch nicht für mich. Wohl dosiert, wie ein guter Whisky, kann Distilled aber ein Genuss sein.


Prost.

___________________________________________________________________




Distilled von Dave Beck
Erschienen bei Giant Roc und Paverson Games
Für 1 bis 5 Spieler in ca. 30-150 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Giant Rock / Paverson Games)