18.07.2023

Keep the Heroes out


Es gibt ja immer wieder Spiele, die mich an die ach so glorreiche Zeit erinnern, in denen ich pubertierend am PC gesessen und gezockt habe. Nein, nicht online, denn das war damals noch viel zu langsam und überhaupt viel zu teuer (ja, da musste man noch pro Minute bezahlen! ....), sondern entweder allein oder man schleppte seinen Tower samt Röhrenbildschirm quer durch die Stadt zu irgendeiner LAN-Party (das war aber nie so wirklich meine Welt…). Jedenfalls war es dann vor einer gefühlten Ewigkeit im Jahr 1997 da erschien ein Spiel, dass mal etwas anders machte. Da musste man nicht mit einem Helden oder einer Heldengruppe einen düsteren Dungeon erobern, sondern machte das Gegenteil: Hetzte den ach so tollen Helden einfach mal eine Horde Monster an den Hals. Ein Prinzip, das heute kaum noch jemanden hinter dem Ofen hervorholt, damals…also vor unglaublichen 26 Jahren, war das, was Dungeon Keeper machte, aber nahezu revolutionär. Eigene Räume und Gänge bauen und dort die eigenen Monster auf die Helden warten lassen…oder man warf sie eben jenen einfach an den Kopf. Zwei Jahre später gab es mit dem zweiten Teil noch eine „aufgehübschte 3D-Version“ mit ein paar Extras und dann gingen die Nachfolger und Klone komplett an mir vorbei…bis da plötzlich ein Brettspiel um die Ecke lubschte, das mich thematisch sofort an das gute alte Dungeon Keeper erinnerte. Und ja, zugegeben, auch im Brettspielbereich ist es wahrlich nicht das erste Spiel, in dem wir Monster auf Helden stürzen lassen dürfen, und doch ist Keep the Heroes out etwas ganz Besonderes…


Öffnet man die Box, strahlen einen direkt die wirklich tollen Meeple an. Ich weiß, es ist Geschmackssache und ich selbst fand lange Jahre Miniaturen „voll super“. Aber da ich keinerlei künstlerisches Talent habe und auch nicht wie Andreas Geld in die Hand nehmen will, um mir Minis anmalen zu lassen, sind die Viecher halt immer einfach nur grau. Und ehrlich gesagt, kann ich das nicht mehr sehen und mag es auch irgendwie nicht mehr sehen. Ja, ich weiß, es muss nicht immer Vollfarbe sein, manchmal reicht es auch, die Dinger zu „washen“ und dann schaut das aus wie bei Unmatched. Ja, reicht mir eigentlich. Trotzdem ist das Freizeit-Arbeitszeit, die ich lieber mitspielen verbringe. Und dann kommt da so ein kleiner, putziger Anti-Dungeon-Crawler und bringt richtig stattliche Meeple für die Monster mit sich, gegen die ich sämtliche Einheitsgrau-Plastik-Miniaturen sofort eintauschen würde. So. Der erste Stein in der Dungeon-Wertung wurde gesetzt. Aber das Design hört nicht bei den Monster-Meeplen auf. Das gesamte Spiel wirkt wie aus einem Guss, ist toll gestaltet und hat unsere Kids sofort optisch angesprochen. Also das Szenario-Heft geschnappt, aufgebaut, erklärt und losgespielt. Und direkt mal astrein verloren. Auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade, natürlich. Und dann die Überraschung: eigentlich hätte ich erwartet, dass die Kids frustriert sind und keine Lust mehr auf das Spiel haben. Doch das Gegenteil war der Fall. Und das liegt ganz sicherlich nicht nur an der Optik, sondern auch an den Spielmechaniken.


Denn wir haben hier im Herzen – trotz aller Szenarien und Besonderheiten (in jedem Szenario wird der Dungeon anders aufgebaut und es kommen besondere Helden dazu, die jeweils andere Effekte auslösen oder es gibt besondere Räume mit speziellen Effekten) – ein Tower-Defense-Spiel. Und unsere Kids spielen diese auf ihren Tablets sehr sehr gerne. Ich persönlich kann digitalen TD-Spielen so überhaupt nichts abgewinnen. Sie nerven mich eigentlich, weil es immer nur das gleiche ist. Ja, im Kern war auch Dungeon Keeper ein Tower Defense Spiel, aber da war ich halt 15…und das war was Neues und Besonderes…hm. Lustigerweise ist einem diese Tower-Defense-Grundthematik beim Spielen von Keep the Heroes out gar nicht so präsent. Also mir war das ehrlicherweise erst nach dem Spielen so wirklich bewusst. Und trotzdem – oder grade deshalb – hat mir das Spiel wirklich viel Spaß gemacht. Den Kids auch. Meiner Frau – mit Abstrichen – auch. Denn es ist auch nicht „so richtig“ Tower Defense, sondern nur so…Dungeon Keeper-mäßig. Dazu vielleicht mal ein kurzer Regelabriss: Jede/r am Tisch sucht sich eine Monsterart aus, nimmt sich die Meeple (manche Monster haben nur einen, manche einen ganzen Haufen) und platziert einen Teil davon gemäß der eigenen Fähigkeitskarte im Dungeon. Apropos Fähigkeit: Jede Monsterart hat eine eigene Spezialfähigkeit und zehn eigene Startkarten. Im Kern lassen sich die unterschiedlichen Monster in die drei großen klassischen RPG-Gruppen einteilen: Fighter, Tank und Supporter. Von daher, als kleiner Tipp: Bei der Zusammenstellung der Gruppe darauf achten! Wir haben das nicht gemacht und wurden schwupp bestraft. Aber zurück zum Thema: Alle ziehen 5 Karten und schon geht es los: Wer am Zug ist darf seine Handkarten nutzen. Dort steht z.B. drauf, dass man Laufen darf oder eine Aktion (= eigene Fähigkeit oder raumspezifische Aktionen) durchführt oder neue Monster spawnen darf. Es gibt natürlich auch Angriffs- und Blockkarten. Mit den Aktionen lassen sich in Räumen Ressourcen erzeugen, die man in andere Räume bringen kann, um damit dort dann neue Karten zu kaufen. Wir haben also Deckbuilding an Board. Zumindest in kleinem Rahmen, denn wer viele Karten kauft, wird zwar stärker, kommt aber nicht zum Kämpfen und bremst die Gruppe durch den Kaufrausch mitunter aus. Da zeigt sich dann doch, dass unter der kindlich-knuffigen Fassade von Keep the Heroes out ein sauber abgestimmtes Taktik-Spiel steckt, in dem alle voneinander abhängen. Denn wir spielen natürlich kooperativ gegen die bösen guten Helden. So. War dann nun eins unser Monsterchen dran, kommen die Helden an die Reihe: Je nach Schwierigkeitsgrad decken wir Karten des Gildenstapels auf. Auf leicht ist dies zunächst nur eine einzige Karte. Der entsprechende Held kommt dann ins Spiel und klappert seine bzw. ihre Aktionen ab: zunächst die Sonderfähigkeit (z.B. Ressourcen zerstören oder Pfeile verschießen), dann wirken sich Fallen, die wir legen können, aus. Lebt das Heldenmensch dann noch, reaktiviert es sämtliche deaktivierte Helden im Raum. Und dann wird geschaut, ob es Monster im Raum gibt. Wenn ja, wird angegriffen und deaktiviert. Wenn nein, wird eine Schatztruhe geplündert, wenn möglich. Ist eine Schatztruhe da, braucht aber mehr Helden um sie zu öffnen, wird deaktiviert und gewartet, bis ein weiterer Held wieder reaktiviert. Sind weder Monster noch Truhe im Raum wird Richtung Helden-Ziel gelaufen und die Routine im nächsten Raum von vorne gestartet. Das geht so lange, bis alle Helden (wieder) deaktiviert sind. Bei einer Helden-Karte pro Zug kommt man damit noch ganz leicht zurecht. Ist der Gildenstapel aber leer, wird er neu gemischt und es geht in die zweite Runde, in denen (auf dem leichten Schwierigkeitsgrad), jeweils zwei Karten pro Monster-Zug aufgedeckt und abgehandelt werden müssen. Und da geht es dann schon zur Sache. Die Helden möchten dabei natürlich in die Schatzkammer und zu viert die entsprechende Truhe öffnen. Die Monster möchten es „einfach nur“ schaffen, den Gildenstapel zwei Mal durchzuspielen, ohne zu verlieren.


Wie gesagt, anfangs waren wir ziemlich planlos und verloren zwei Züge vor dem guten bösen Ende das Spiel. Aber wir haben gelernt. Und das fasst das Spielerlebnis auch schon zusammen: Man merkt sehr schnell, dass die vielen kleinen Entscheidungen, die man hier trifft, echte Auswirkungen haben. Man lernt sehr schnell, wie man das Spiel spielen muss, um nicht gespielt zu werden und hat aufgrund der vielen unterschiedlichen Monster, Szenarien, Heldendecks und Kaufkarten (von denen man – realistisch gesehen – pro Spiel vielleicht max. 2-3 für sich selbst kauft) sowie Schwierigkeitsgrade immer wieder Lust, sich nochmal dran zu versuchen oder das nächste Szenario zu starten. Auf dem leichten Schwierigkeitsgrad ist es super, um es als Familienspiel mit den Kids zu spielen. Auf dem schweren beißt man sich in der Vielspielendenrunde einfach mal die Zähne aus. Beides wird von der Optik unterstützt, die für Kids cool und für Erwachsene toll ist. Einziger Wermutstropfen ist da vielleicht, dass die Helden in der Basisbox nur Pappmarker sind und man die Helden-Meeple nur in der Erweiterung bekommt, aber wirklich brauchen, tut man sie eben auch nicht, es wäre nur schöner, sie zu haben. Wobei die Erweiterung ja noch einen zusätzlichen Schwierigkeitsgrad und einen One vs. Many Modus mitbringen soll. Dazu – und zu der Cthulhu-Erweiterung – kann ich an dieser Stelle aber nichts sagen.


Unterm Strich hat uns Keep the Heroes out sehr gut gefallen, ist ein absoluter (Dungeon) Keeper (sorry, der musste jetzt sein) und ein echtes kooperatives Highlight! Wenngleich es definitiv ein Alpha-Spieler-Problem haben kann.

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Keep the Heroes out von Luís Brüeh
Erschienen bei Brueh Games
Für 1 bis 4 Spielende in ca. 40-50 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Brueh Games)
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