04.08.2023

Wilde Serengeti

Eine einsame Gazelle, umzingelt von drei Krokodilen. So könnte eine Szene aussehen, die wir als Dokumentarfilm-Macher in Wilde Serengeti drehen. Wer am Ende von sechs Drehtagen die punkteträchtigsten Szenen in der Serengeti filmt und geschickt zusammenstellt, gewinnt dieses gehobene Familienspiel für 1-4 Spielende. Das Filmemachen kann sich manchmal allerdings ganz schön in die Länge ziehen.


Punkten kann das Spiel zunächst mit seiner opulenten Optik. Der Landschaftsplan ist sehr groß und der 3D-Rundenanzeiger in Form eines großen Felsens ist schon von weitem sichtbar. Anleihen sowohl an König der Löwen (*reckt Simba in die Höhe*) und den Immerbaum von Everdell sind sicher nicht zufällig, mich stört das Zusammenstecken des Felsen jedoch immer etwas. Hier ist Luftanhalten angesagt, dass nicht doch eine Ecke abknickt oder ausfranst durch etwas zu ungenaues Stecken. Das Highlight sind jedoch die 37 hölzernen Tier-Figuren mit Farbaufdruck, die sich äußerst wertig anfühlen und mit denen es einfach Spaß macht zu spielen.

Weniger gut gestaltet sind die Szenen-Karten. Diese zeigen an, welche Tiere wir wo in der Wilden Serengeti zusammenstellen müssen und welche Belohnung wir dafür bekommen. Das Layout hätte hier etwas mehr Liebe verdient und die Schrift ist im Vergleich zum Rest der Karte zu klein und lieblos geraten.

Gesteuert wird das Spiel durch einen Arbeiter-Einsetzmechanismus. Pro Drehtag stehen uns sechs (später sieben) Münzen zur Verfügung, für die wir verschiedene Aktionen bezahlen. Unsere Kamera belegt dabei das Feld der jeweiligen Aktion und wenn ein Mitspieler dieselbe Aktion ausführen möchte, kann er dies tun, es kostet ihn jedoch mehr Münzen.

Die Aktionsfelder erlauben es uns, entweder neue Tiere auf dem Landschaftsplan zu platzieren, Tiere zu tauschen, zu bewegen oder die Kartenauswahl zu erneuern und neue Karten zu ziehen. Sobald ich durch meine Aktion die Bedingungen einer Szenen-Karte erfülle, kann ich diese drehen und meinem Film hinzufügen.


Die Szenen haben unterschiedliche Bedingungen, z.B. bestimmte Tiere auf bestimmten Terrain-Arten, eine bestimmte Reihenfolge oder, dass sich die abgebildeten Tiere in unmittelbarer Nähe befinden müssen. Auch die Belohnungen unterscheiden sich von Karte zu Karte. So gibt es neben einfachen Siegpunkt-Karten auch solche mit bestimmten Abzeichen, die gesammelt mehr Punkte geben, und jene mit Einfach-Bonussen wie Futter- oder Effekt-Markern, die sich einsetzen lassen, um Tiere zusätzlich zu bewegen oder Terrain-Vorgaben zu ignorieren.

Etwas mehr Spieltiefe wird noch hineingebracht durch die sog. Koryphäen, Charaktere mit Startfähigkeiten, die das Spiel etwas assymetrisch machen und deren Komplexität angegeben ist. Dadurch können sie problemlos schon ab der ersten Partie verwendet werden. Gerade die einfachen Charaktere geben einen kleinen Bonus, der beim weiteren Puzzle sehr hilfreich ist.


Im Laufe von sechs Drehtagen schafft man es tatsächlich, zahlreiche Szenen zu drehen, über 20 sind keine Seltenheit. Diese zu sammeln und Ketteneffekte zu erschaffen macht tatsächlich ziemlich viel Spaß. Der Weg dorthin ist allerdings mit einigem Grübeln verbunden und dies ist die größte Schwachstelle des Spiels. Der gemeinsame Spielplan ändert sich in jedem Zug der Spielenden und so ist zwar langfristiges Planen möglich, wenn ich an der Reihe bin, muss ich aber trotzdem abwägen, welcher Zug mich nun am effektivsten zu meinem Ziel bringt. So gibt es immer wieder größere Denkpausen und durch das abwechselnde Spielen fügt jeder zusätzliche Spieler eine Menge Spielzeit hinzu.

Angegeben sind auf der Schachtel 1-4 Spielende und aufgrund der langen Downtime würde ich es nicht mit mehr als 2 Spielern auf den Tisch bringen. Auch so dauert das Spiel mit Endwertung schon gute 90 Minuten. Jeder zusätzliche Spieler fügt ca. 45 Minuten hinzu und macht den eigenen Zug noch etwas unplanbarer. Der enthaltene Solo-Modus lässt sich in etwa einer Stunde gut spielen, hat mir persönlich aber nicht so viel Spaß gemacht. Man misst sich zwar an sechs unterschiedlichen Szenarien, die verschiedene Herausforderungen bieten, aber es fehlt am Ende doch etwas die Interaktion, der Mitspieler, der einem den Elefant aus dem Wasserloch in den Wald verschiebt, wo man ihn doch gerade für die nächste Szene erst platziert hatte.

Diese Interaktion ist selten direkt, aber es bereichert das Spiel, dass nicht jeder Spieler auf seinem eigenen Tableau vor sich hin bastelt, sondern ein gemeinsamer Spielplan sich immer wieder verändert. Ein wenig ärgerlich kann es dabei werden, wenn der Zufall dem Mitspieler in die Karten spielt. Gerade gegen Ende kann es gut sein, dass die Kartenauswahl getauscht wird und entweder man hat Pech und die neuen Szenen-Karten passen so gar nicht zu den Tieren, die bereits aufgestellt sind, oder eben Glück und man trifft ohne weiteres Zutun eine Karte, die sich bereits durch die vorhandene Kombination erfüllen lässt. 

Abschließend lässt sich sagen, dass Wilde Serengeti durchaus zu gefallen weiß, zunächst natürlich durch optischen Bombast, aber auch in der thematischen Umsetzung und Verzahnung der Aktionsauswahl und Tierlege-Mechanik. Dabei muss man sich allerdings sowohl auf etwas Downtime zwischen den Zügen und eine für ein gehobenes Familienspiel insgesamt zu lange Spielzeit einstellen, wie auch etwas Zufallsglück beim Ziehen der Szenen-Karten. Stört man sich daran nicht zu sehr, lässt uns Wilde Serengeti abtauchen in eine wunderschöne Landschaft in Afrika, wo Elefanten und Zebras durch das Grasland ziehen, ein einsamer Leopard auf einem Akazienbaum seinen Mittagsschlaf hält, Gnus sich am Wasserloch stärken und ein stolzer Löwe von seinem Felsen herab auf sein Königreich blickt.
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Wilde Serengeti von Gunho Kim
Erschienen bei Kobold Spieleverlag
Für 1-4 Spielende in ca. 60-120 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Kobold Spieleverlag)
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