06.05.2024

Age of Innovation


Es ist mittlerweile schon einige Zeit her, ich schätze mal gute 10 Jahre, da saß ich mit meiner Spielerunde zusammen und unser Andreas kam als Gastspieler dazu und brachte ein Spiel mit. Terra Mystica hieß es. Und nachdem er die Regeln erklärt hatte, haben wir uns angeschaut und meinten „äh….wollen wir einfach mal spielen?“. Einfach, weil wir bis dato eher im „normalen“ Kennerspielbereich unterwegs waren und Terra Mystica ja durchaus komplexer ist. Ich meine sogar, wir hatten damals auch direkt eine Erweiterung mit an Bo(a)rd. Nach der Partie wusste ich nicht so ganz, was ich von dem Spiel halten sollte. Einerseits hat es Spaß gemacht, aber es war auch anstrengend, fühlte sich irgendwie nach Arbeit an. Und es blieb dann auch die einzige Partie Terra Mystica, die ich bislang gespielt hatte. Zwar habe ich immer mal mit dem Gedanken gespielt, nochmal irgendwo eine Partie mitzuspielen – denn schließlich wird das Spiel ja bis heute gehyped -, aber dazu kam es nicht und kaufen wollte ich es mir auch nicht. Auch um den Space-Clon Gaia Project habe ich einen Bogen gemacht. Als dann Age of Innovation als quasi „verbessertes Terra Mystica“ angekündigt wurde, wurde ich aber hellhörig: Vielleicht sollte ich diese Gelegenheit nutzen, um doch endlich nochmal in den Über-Titel reinzuschauen. Und so landete das Spiel nun also auf meinem Tisch.


Da meine Erfahrungen mit dem Original nun sehr lange zurückliegen, werde ich hier nicht groß auf die Unterschiede von Age of Innovation zu Terra Mystica eingehen. In der Anleitung ist alles, was neu ist, besonders hervorgehoben, und das ist eigentlich gar nicht so viel „großes“, sondern viele kleine Details. Klar, ein Superspiel kann man nicht umkrempeln, sondern nur noch fine-tunen. Insofern werde ich hier keinen Vergleich zwischen den beiden Titeln ziehen und auch nicht werten, ob man Age of Innovation braucht, wenn man Terra Mystica hat. Das muss letztlich jede/r für sich selbst herausfinden. Ich kann Euch aber erzählen, was man in dem Titel macht und wie es mir gefallen hat. Und natürlich auch, was in der Packung drinsteckt.


Denn die Packung ist auch nach dem Auspöppeln bis zum Rand gefüllt mit Material, dass nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ 1a ist und dazu auf dem Tisch toll aussieht. Klar, Geschmäcker sind verschieden, ich mag die Optik aber wirklich. Die Krux an viel so einer vollgepackten Box ist natürlich der Spielaufbau, der erstmal ein wenig Zeit frisst: Da muss das Spielbrett auf die richtige Seite (je Spielendenzahl) gedreht werden, Rundenwertungsplättchen, Zusatzwertungsplättchen, Buchaktionsplättchen, ein Wissenstableau, ein Innovationstableau mit Kompetenz- sowie Erfindungsplättchen, diverse Marker und Ressourcen, neutrale Gebäude und Palastplättchen aufgebaut werden. Und hat man das geschafft, kommen die Playerboards. Doch diese wählt man nicht einfach, nein. Man nimmt sich die 7 Planungstableaukarten (jede zeigt eine Spielendenfarbe bzw. Heimatlandschaft) und legt sie aus. Darauf kommt zufällig je eine Gemeinschaft und ein zufälliger Rundenbonus. Dann wählen alle je eines dieser „Sets“ und nehmen sich dann die Playerboards dazu und „puzzeln“ alles zum individuellen Playerboard zusammen. Anschließend bestücken alle ihre Boards mit den unterschiedlichen Gebäuden, Markern und Machtsteinen und legen noch Gelehrte sowie Brücken nebendran, stellen eigene Marker noch auf die diversen anderen Boards und dann kann es auch „schon“ losgehen. In der Zeit spielen bei Spieletreffs andere vermutlich eine Partie irgend eines Familienspiels.


Und ganz ehrlich: Beim allerersten Spielen fragt man sich schon, ob der Aufbau nun länger gedauert hat, als das Spiel selbst. Dem ist aber definitiv nicht so! Und ja, man braucht für Age of Innovation sehr viel Platz auf dem Tisch bzw. einen ordentlich großen Tisch. Der optische Eindruck ist aber wirklich toll. Auf geht es also ins….Abenteuer ist das falsche Wort, gehirnwindungenverdrehende Schwergewicht passt da besser. Das Ziel ist klar: Am Ende die meisten Siegpunkte haben. Und diese gibt es an jeder Ecke: Durch Rundenendwertungen, durch das Gründen von Städten, für Erfindungen, für Paläste und Kompetenzen sowie nochmal am Schluss für Mehrheiten, Fortschritte im Wissen und übrige Ressourcen.


Der eigentliche Spielablauf ist dabei eigentlich gar nicht hochtrabend kompliziert, sondern geht schnell in Fleisch und Blut über: Phase 1: Einkommen erhalten, Phase 2: Aktionen durchführen, Phase 3: Rundenbelohnungen kassieren und aufräumen. Das Herzstück ist dabei natürlich die Aktionsphase, in der alle abwechselnd dran sind, bis alle gepasst haben. Wer früher passt, kommt in der Zugreihenfolge für die nächste Runde weiter nach oben. Als Aktionen selbst hat man die Wahl, ob man
  • Gelände (auf dem Spielplan) in die eigene Heimatlandschaft verwandeln und/oder hier eine Werkstatt bauen möchte: Die Umwandlung bestehenden Geländes verläuft immer nach dem gleichen Muster, das auf dem eigenen Playerboard abgedruckt ist. Je weiter die aktuelle Landschaft von der Heimatlandschaft entfernt ist, desto teurer wird das Ganze. Eine Werkstatt darf man aber immer nur auf die eigene Heimatlandschaft bauen.

  • bestehende Gebäude in bessere upgraden möchte: verbessert man ein Gebäude, nimmt man das bessere Gebäude vom eigenen Board und legt gleichzeitig das „alte“ Gebäude wieder auf sein Board zurück. Da das Spiel mit jedem vom Board entfernten Gebäude gewisse Boni bringt (und man diese mit zurückkehrenden Gebäuden wieder verliert), ist es immer entscheiden, wann man welche Gebäude wo hat. Bessere Gebäude auf dem Spielplan bringen wiederum Vorteile für die Wertungen und schalten wiederrum weitere Dinge frei

  • man in die Schifffahrt investieren möchte: dies ist dann wichtig, wenn das eigene Gebiet über Wasser hinweg verbunden werden soll

  • man in den Umwandlungsprozess investieren möchte: wodurch die Umwandlung von Gebieten leichter/schneller/günstiger wird

  • Erfindungen machen möchte: hierfür braucht man Bücher-Ressourcen und Geld und kann diese in Plättchen investieren, die einem diverse Vorteile im weiteren Spiel geben. Im Laufe des Spiels kann man maximal drei Erfindungen machen

  • Gelehrte entsenden möchte: Mit Gelehrten kann man sein Wissen in einer der vier Wissensleisten steigern (und hierüber wiederrum Boni freischalten). Diese erhält man jedoch niemals zurück. Ihr Einsatz muss also weise gewählt sein

  • Macht- oder Buchaktionen nutzen möchte: Dies sind bestimmte Aktionen, die pro Runde nur ein einziges Mal (von allen Spielenden zusammen) genutzt werden können

  • Sonderaktionen nutzen möchte: Diese hat man zu Beginn noch nicht, erhält man aber im Spielverlauf durch die anderen Aktionen

  • man passt

Was man immer machen kann, ist Ressourcentauschen oder seine Macht „leveln“: Die eigene Macht befindet sich in drei Schälchen und wird für die Machtaktionen aber auch zum Ressourcentausch benötigt. Das Spiel endet nach 6 Runden mit den Wertungen. Zum einen winken Punkte für die größten Gebäudegruppen als auch für das Vorankommen in den 4 Wissensleisten. Letztlich gibt es noch Trostpreispunkte für übrige Ressourcen


Nun klingt das alles nicht sonderlich spektakulär. Ein bisschen Bauen hier, ein bisschen Terraformen da, paar Leisten klettern, gut ist. Und ja, rein spielmechanisch gesehen ist Age of Innovation wirklich kein „schweres“ Spiel. Alles ist übersichtlich und für einen solchen Klopper relativ schnell erklärt. Die einzelnen Aktionen und ihre Verzahnungen machen Sinn und sind Intuitiv. Die Komplexität kommt aber aus der Masse der Entscheidungen, die sich vor einem Ausbreiten: Für alles, was man tun kann, gibt es Alternativen, die mindestens genauso gut sind und jede Aktion für die ich mich jetzt entscheide, kann zukünftige Aktionen beeinflussen und…ja, man kann sehr schnell in endlose Denkschleifen verfallen und alles bis ins kleinste Durchrechnen. Muss man aber ehrlicherweise gar nicht, denn Age of Innovation ist nie bestrafend. Man muss nur mit seinen Entscheidungen aus vorangegangenen Zügen leben und mit ihnen umgehen und das beste daraus machen. Und das fühlt sich toll an, auch wenn das Spiel einen nicht ständig für alles belohnt. Man hat aber immer einen Plan, auch wenn dieser in den ersten Partien noch…ich sag mal, ausbaufähig ist. Denn mit all den Plättchen, Boni und Sonderboni und und und, muss man erstmal ein Gefühl für das Spiel bekommen. Und da bleibe ich bei meinem Eindruck, den ich von Terra Mystica habe, das fühlt sich erstmal nach Arbeit an. Weil man vor allem in der ersten Partie überhaupt keinen Überblick hat, was hier eigentlich alles möglich ist. Dadurch kann man gar nicht planen und ergibt sich ein wenig seinem Schicksal. Auch so kann man spielen und mit Glück sogar erfolgreich sein (was natürlich auch von den Gegenspielenden abhängt), aber trotzdem ist man erstmal überfordert. Und diese Überforderung, die machte das Spiel am Anfang wirklich anstrengend. Nach einigen Partien mehr kann ich aber sagen, dass sich das legt. Man kennt die Boni, die Plättchen, man lernt dazu. Nicht unbedingt schnell, nicht welche Strategie gut ist, sondern welche Strategien überhaupt Sinn machen.


Ich mag Age of Innovation mittlerweile, wirklich. Letztlich bleibt es aber ein Spiel, dass sich für mich einen Tick zu verkopft anfühlt, als dass ich auf den Hypetrain aufspringen würde. Aber ich verstehe sehr gut, warum das Spiel (und sein Original) bei vielen sehr gut ankommt und werde bei der Erwähnung von Terra Mystica wohl künftig nicht mehr die Augen drehen und an anstrengende Arbeitsstunden denken.
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Age of Innovation von Helge Ostertag
Erschienen bei Feuerland Spiele
Für 1 bis 5 Spielende in ca. 40 bis 200 Minuten ab 14 Jahren


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Feuerland Spiele)
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