22.05.2024

Cantaloop 3: Rache warm serviert


Als Cantaloop 1 erschien, war das Echo unterm Strich recht positiv. Klassisches Point & Click in Form eines Buches mit Gimmicks gepackt, kam doch ganz gut an. Nicht nur in der Brettspielwelt. Cantaloop 2 hinterließ dann schon Ernüchterung und nun liegt Cantaloop 3 auf meinem Tisch. Und ja, ich gebe es zu, es ist mein Einstieg ins „Lies & Mach- Buch“-Genre. Ich kenne also Teil 1 und 2 nicht und fühle mich Story-technisch trotzdem nicht abgehängt. Das Spiel begann und es gab erstmal was zu lesen und man wird ein wenig in das Spielsystem eingeführt. Im „Digital-Gamer-Sprech“ also ein echtes Tutorial. Super gemacht! Im Spiel bekommt man Gegenstände in Form von Karten, die Zahlen/Buchstaben enthalten und kann diese an bestimmte Gegenstände im Buch anlegen, die ebenfalls Zahlen/Buchstaben haben und bekommt so einen Code, den man in einer Tabelle nachschaut und dort bekommt man gesagt, ob die Kombi sinnvoll war oder nicht. Dazu gibt es noch ein paar Folien, Tokens und eine Postkarte, deren Sinn sich erst später erschließen wird und eine Tabelle, in der man Sachen abkreuzen muss – und im Spielverlauf dann prüft, ob man diese Sachen eingetragen hat oder nicht (hier schaltet man also quasi weitere „Ereignisse“ frei). Eigentlich von der Optik und Haptik und dem, was das Tutorial einem vermittelt, eine echt gute Idee, das digitale Point & Click-Prinzip in ein Buch zu bannen. Ich war voll dabei.


Nach diesem Einstieg folgte dann aber ein Dialog, bei dem ich in klassischer Abenteuerbuch-Manier einen Absatz lese, eine Entscheidung treffe und woanders weiterlesen muss. Alles mit Hilfe der Rotfolie, die dem Spiel beiliegt. Dieser Dialog zieht sich über mehrere Seiten. Eigentlich eine coole Sache. Und irgendwie auch retro, denn in den alten Lucas Arts Adventures gab es solche langen Dialoge ja auch. Leider hat man sich hier für meinen Geschmack aber zu viel von den alten PC-Adventures abgeschaut, die ja aus gutem Grund irgendwann ausgestorben sind….Denn in diesem Dialog gibt es haufenweise Sackgassen. Jede Sackgasse zwingt einen dazu, komplett von vorne anzufangen. Es gibt nichts, wodurch man sich irgendwie einen „logisch richtigen“ Weg durch den Dialog bahnen kann, sondern die Lösung wirkt am Ende einfach nur zufällig als der „beste“ Weg durch den Autoren gewählt. Puh, ja, das erinnert an die ach so glorreiche 386-Zeit, aber will man das heute wirklich? Nicht falsch verstehen, ich fand das Genre früher echt richtig gut, vor allem die Lucas Arts Geschichten von Maniac Mansion über Fate of Atlantis bis hin zu The Dig. Ja, aber damals ritt halt auch noch der Marlboro-Mann durchs Kino, Katzeklo war auf Platz 1 der Charts und (alle nach dem Jahr 1999 geborenen, bitte bekommt keinen Schock) es gab kein Internet (zumindest nicht für Normalsterbliche)… Früher war nicht alles besser, nur anders und damals war es halt „cool“ sich durch solche „Rätsel“ zu quälen. Wir hatten halt nichts anderes, könnte man sagen. Heute ist vielleicht nicht mehr alles so cool? Na jedenfalls hatte ich an dieser Stelle ehrlicherweise schon keine Lust mehr, weiterzuspielen. Aber nun gut, dachte ich mir, vielleicht war das ja nur ein Ausrutscher.


Also mogelte ich mich durch diesen Dialog (früher gab es dafür Komplettlösungen, die in Zeitschriften abgedruckt wurden ….das kann man sich heute auch nicht mehr vorstellen….) um endlich das „richtige“ Spiel zu spielen. Es führte mich in ein Szenario, in dem ich nun versuchte, mit meinen Karten und dem, was das Buch mir da zeigt, irgendwie sinnvolle Kombinationen herzustellen, um weiterzukommen. Das klappt auch eigentlich ganz gut, bis man plötzlich hängen bleibt und nicht weiterkommt. Und dann realisiert man, dass man den Charakter (und somit auch den Schauplatz) ändern muss, um Dinge „freizuschalten“, damit man mit dem anderen Charakter auf dem anderen Schauplatz weiterkommt. Und natürlich können die einzelnen Charaktere sich durch diverse Schauplätze bewegen. Und das ist in Maßen ganz spaßig, aber irgendwann verzettelt man sich und weiß schon gar nicht mehr, wo wer ist. Aber das bekommt man in den Griff. Die Puzzles sind nach dem Intro-Dialog erstmal wirklich gut gemacht und der Humor trifft genau den richtigen Nostalgie-Knoten im Gehirn. Mit anderem Thema könnte es von der Art des Humors her locker ein Monkey Island Nachfolger sein. Und während Humor und Story eigentlich bis zum Ende hin wirklich gut sind, kranken die Puzzles gegen Ende hin immer mehr. Und ich wünschte, ich hätte wieder eine PC-Zeitschrift aus den 90ern mit einer Komplettlösung. Zum Glück bringt das Spiel/Buch ein Hilfesystem mit, dass in den meisten Fällen auch wirklich hilfreich ist. Aber irgendwann fühlt man sich gezwungen, dies nur noch zu nutzen, weil manche der Rätsel einfach zu abstrus sind. Das ist schade, denn es ist schlicht nicht mehr zeitgemäß. Da hilft auch kein nostalgisch verklärter Blick aus den Marlboro…äh, auf LucasArts-Adventures.


Was ist also das Fazit? Wer der guten alten Point & Click Zeit hinterhertrauert oder einfach mal eine nette Geschichte durchcheaten möchte oder ausreichend frustresistent ist, kann ruhigen Gewissens einen Blick auf Cantaloop 3 werfen. Es ist eigentlich ganz nett und es weckt viele nostalgische Erinnerungen. Aber es zeigt eben auch frappierend auf, warum es dieses Genre in der damaligen Form heute nicht mehr gibt. Und es irgendwie auch gefühlt niemand ernsthaft vermisst (die Stories, ja, die schon, aber die Mechaniken?). Und auch wenn die Story hier wirklich gut ist, hilft das nicht über alles hinweg. Gute Stories serviert man heutzutage eben irgendwie anders, nicht zwingend besser, nur eben anders…
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Cantaloop 3: Rache warm serviert von Friedemann Findeisen
Erschienen bei Lookout Games
Für 1 (bis 4) Spielende in ca. 360 bis 720 Minuten ab 16 Jahren


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Lookout)
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