Druiden, Kelten, Wikinger und Feen treten gegeneinander an, um die kostbaren Drachenbäume für sich zu beanspruchen. Jeder Stamm hat seinen ganz eigenen Grund, warum sie dies möchten. Während die Kelten Feuerholz draus machen und die Wikinger ihre Schiffe reparieren wollen, möchten die Feen sie vergiften, damit ihre Dunkle Herrscherin befreit wird. Und zwischen all diesen Parteien stehen die Druiden, die die Bäume beschützen möchten. Soweit also das Setting von Dragon Dale, bei dem mich die Optik – schon allein der Anleitung – erstmal stutzig machte. Da prangt imposant ein Drache in einem Zirkel, der tatsächlich wie eine keltische Rune ausschaut sehr prominent auf der Box. Und darunter ein (in der Anleitung noch mehr als auf der Box) comichafter Schriftzug, geformt durch einen Drachen und Bäume, mit den Emblemen der vier Stämme in blau. Eine schräge Mischung, aber nicht schräg im Sinne von hässlich, sondern im Sinne von „ok….was wird denn hier vermischt?“. Nach dem Lesen der rund 44seitigen(!) Anleitung und einigen Partien, kann ich sagen: vermischt wird hier so einiges!
Doch zunächst mal zu den Komponenten der ordentlich großen Schachtel. Neben einem zweiseitigen Inselplan und einem Aufleger, damit das Spiel für die Anzahl an Mitspielenden skaliert werden kann, und einer Wutleiste, bekommen wir erstmal jede Menge Plastik, in schicken kleinen Trays verpackt. So hat jeder Stamm sechs Einheiten-Figuren, es gibt Runensteine, Wurzeln, Baumkronen und natürlich einen Drachen. Dazu gesellen sich jede Menge Token und Karten und Übersichten und dann nochmal eigene Handbücher für jeden Stamm (schockt erstmal, ist aber nicht so schlimm, wie es klingt 😉).
Gut. Auf geht’s. Allein der Spielaufbau ist durchaus komplex, denn es gibt erstmal die Aufbauregeln für das Spiel, das mit Ergänzungen zur ersten Partie bzw. zum Spiel mit Neulingen daherkommt. Dafür gibt es aber auch so schöne Regeln, wie z.B. dass die Zugreihenfolge im zweier Spiel im Uhrzeigersinn verläuft. In Summe, mit Bildern und Beispiel und einer einseitigen Zusammenfassung(!) in der auch noch Sonderaufbauten für Erfahrene zu finden sind, kommt die Anleitung für den Aufbau auf stolze fünf Seiten. Puh. Damit sei eins schonmal gesagt: Wer Dragon Dale überhaupt beginnen will, muss Zeit einplanen. Vor der ersten Partie ganz besonders: denn sämtliche Einheiten der Stämme haben am Kopf- sowie Fußende eine Vertiefung, in die vor der ersten Partie erstmal Token eingesetzt werden müssen, da diese im Spiel eine besondere Bedeutung haben. Am Kopfende ist immer der jeweilige Stamm angezeigt, am Fußende die tatsächliche Einheit. Unsere Einheiten kommen mit der Kopfseite nach oben auf das Feld. Es weiß also kein Gegenspieler, welche Figur für welche Einheit steht. Das Thema „Zeit einplanen“ gilt aber tatsächlich nicht nur für die Spielvorbereitung, sondern ganz besonders auch für das Spiel an sich. Denn eine Partie dauert mitunter etwas länger und, was noch schwerer wiegt, eine Partie reicht bei weitem nicht, um sich mit dem Spiel vertraut zu machen.
Fangen wir aber mal am Ende an, denn das ist recht simpel erklärt: Es gewinnt, wer als erstes vier Siegpunkte erringen konnte. Dabei gibt es zwei Punkte für jeden Baum, mit dem man das eigene Stammesziel erreicht hat, einen Siegpunkt für jeden eroberten Runenstein (solange er in meinem Besitz ist) und einen Siegpunkt, wenn man den Drachen vertreibt (bis zum Beginn des nächsten eigenen Zuges). Diese Ziele erreichen wir, indem wir uns über die Karte bewegen, unterwegs Erkenntnisse (= Token) einsammeln, dabei Begegnungen abhandeln und wie schon gesagt Runensteine kontrolliert (indem in einem Gebiet mit Runensteinen nur eigene Einheiten stehen) oder Bäume „bearbeitet“ (je nach Fähigkeit des Stammes fällt, vergiftet oder segnet). Begegnungen sind in Dragon Dale etwas Besonderes. Für jeden Einheitentyp gibt es eine sogenannte Verhaltenskarte, die nur die Person kennt, die mit dem Stamm spielt. Auf diesen ist gekennzeichnet, wie sich die Einheit bei Begegnungen verhält. Je nach Karte flieht sie, versucht Frieden zu schließen oder kämpft. Und daraus resultiert ganz viel Spannung in Dragon Dale: Man weiß oft nicht, welche gegnerischen Einheiten sich wo befinden und wie sie sich verhalten werden. Aufgedeckt werden Einheiten nämlich nur, wenn sie sich begegnen (und dann pro Seite auch nur jeweils eine) und dann wird auch das entsprechende Verhalten des jeweiligen Einheitstyps abgehandelt.
Die eigentlichen Spielregeln sind in ihrem Kern fast schon simpel gestrickt: Wer dran ist, führt sechs Schritte durch während alle anderen zwei Schritte durchführen dürfen. Dann ist die nächste Person an der Reihe. Diese sechs Schritte sind 1) Zugbeginn (Siegbedingung prüfen; bei 4 Siegpunkten hat die Person sofort gewonnen, Einheiten zurückholen oder Erkenntnisse gewinnen sowie Stammesaktion ausführen), 2) zwei Hauptaktionen durchführen (dazu gleich mehr), 3) Stammeseffekte nutzen, 4) den Drachen bewegen (sofern man den Drachenstein hat) und anschließend die gemeinsamen Aktionen 5) der Drache reagiert auf alle Stämme, deren Einheiten sich begegnet haben und 6) alle begegneten Einheiten bekommen ein neues Verhalten zugeordnet. Zu den eben erwähnten Hauptaktionen zählen das Bewegen auf dem Plan, das Freischalten neuer Karten, die Aufnahme des Ablagestapel auf die Hand, das Ausspielen von Handkarten sowie nur bei der dunklen Fee auch das Verfluchen eines Baumes. Je nach gewählter Aktion darf ich sie nur als erste oder zweite Aktion nutzen und zudem bekommen alle anderen bei manchen Aktionen einen Bonus.
Die bereits erwähnten Erkenntnisse sind im Kern die Spielwährung. Auf den Erkenntnismarkern gibt es vier verschiedene Erkenntnistypen und jeder Stamm hat einen präferierten Typ. Bekommt man Erkenntnis, nimmt man diese entweder vom Spielfeld oder zieht diese aus dem Beutel und legt sie erstmal verdeckt vor sich ab. Je nach Spielsituation kann man Erkenntnisse aufdecken oder ausgeben, um Kosten zu bezahlen (z.B. um einen Baum so zu verändern, wie es mein Stamm es verlangt).
Was ist nun also zu tun auf dem Weg, vier Siegpunkte zu bekommen? Wir müssen unseren Stamm entwickeln. Dies tun wir, indem wir neue Karten freischalten. Diese Karten liegen in einem sortierten Stapel – d.h. die Entwicklung eines Stammes läuft in jeder Partie in etwa gleich (wobei ich teilweise zwischen zwei Karten wählen muss) und je mehr Karten ich freischalte, desto stärker werde ich auch tatsächlich. Das Spiel endet, sobald jemand zu Beginn seines/ihres Zuges vier Siegpunkte hat mit einem Sieg für diese Person. Da es aber grundsätzlich möglich ist, sich Punkte wegzuschnappen (in der ersten Partie etwas entschärft), gibt es noch weitere Spielende-Möglichkeiten. Nämlich wenn der Drachenmarker das letzte Feld seiner Leiste erreicht oder alle Bäume verändert wurden. Dann gewinnt, wer zu diesem Zeitpunkt die meisten Punkte hat.
So. Nun kann man sich fragen, warum das Spiel mit einer 44seitigen Anleitung daherkommt, wenn die Regeln im Herzen doch gar nicht so kompliziert sind. Das liegt unter anderem daran, dass sehr viele Beispiele ordentlich illustriert werden und die Mechaniken dann eben teilweise doch ein wenig „besonders“ sind. Außerdem werden viele Begriffe benutzt, die zunächst mal erklärungsbedürftig sind, was auch durch das sehr umfassende Glossar auf der letzten Seite der Anleitung verdeutlicht wird. Und zudem war dieser Überblick eben sehr oberflächlich, denn die Regeln sind durchaus kleinteilig (daher auch die eigenen Regelhefte für die Stämme). Sehr vorbildlich ist hier, dass das Glossar gleichzeitig auch ein Index ist, also direkt auf die entsprechenden Seiten der Anleitung verweist. Das ist top! So. Nun haben wir also eine vorbildliche Anleitung, tolle Komponenten und ein an sich überschaubarer Spielablauf. Doch wie spielt es sich? Man könnte ja denken, eigentlich recht flott, denn vier Siegpunkte dürften doch schnell erreicht sein, wenn so ein Baum schon zwei bringt, dann noch schnell zwei Runensteine und fertig ist die Laube. 30 Minuten, zack und dann noch schnell eine Revanche hinterher.
Ähm…nein. Die Spielzeit ist in etwa so imposant, wie das in schimmernder Goldfolie geprägte Cover der Spielbox, oder besser formuliert: sie kann epische Ausmaße annehmen. Ein Grund, warum ich das Spiel tatsächlich ungern nochmal zu viert spielen möchte. Das hängt sicherlich auch an den ewig grübelnden Mitspielenden, aber letztlich ist die Art des Tauziehens - das Dragon Dale im Herzen ist - zu viert, für mich persönlich, ein wenig zu anstrengend. Das Hauptproblem ist hier nämlich tatsächlich, dass das Spiel eine langsame, stetige Entwicklung von den Spielenden verlangt. Mal eben schnell zum Baum gehen, abholzen und das Holz ins Lager bringen – klingt wie drei Züge und gut ist. Aber nein. Es braucht da schon viele Runden, um überhaupt zum Baum zu kommen. Und dann muss man noch genügend richtige Ressourcen gesammelt haben, um ihn überhaupt fällen zu dürfen – sonst muss man halt wieder gehen. Was richtig ist oder falsch, erfährt man aber erst, wenn man mal dort war. Und hat man ihn gefällt, muss man ihn abtransportieren und wenn man das Holz dann geklaut bekommt…Puh. Und dann braucht man die gleichen Ressourcen wie für das Fällen/Segnen/Vergiften mitunter zum Nutzen der Fähigkeiten. Was mache ich also wann? Und wenn ich mein Deck entwickle (eine Karte pro Zug), dann leg ich die Karte auf den Ablagestapel und muss eine Aktion fürs Aufnehmen des Ablagestapels auf die Hand investieren. Und dann darf man nicht vergessen: Ich brauche meine vier Siegpunkte nicht am Ende meines Zuges, sondern zu dessen Beginn. Und das lässt sich nun mal schnell sabotieren. Insbesondere mit drei Gegenspielenden.
Aber das ist Geschmackssache. Ich kann mir gut vorstellen, dass genau diesen Aspekt viele Spielende lieben werden. Doch Spielzeit hin oder her, der wirklich wilde Mix aus Area Control (im weitesten Sinne) und Hidden Movement gepaart mit stetiger Deckverbesserung, asymmetrischen Zielen, Erkundung der Landkarte (um Ressourcen zu bekommen und eben die Bäume zu erreichen) und diesen Verhaltenskarten, bei denen es eben nicht um ständiges Kämpfen und Würfeln geht – gefällt mir persönlich richtig gut. Und ja, ich mag es auch, dass Dragon Dale durch seine geplante Langsamkeit - trotz aller unbekannten Variablen im Spiel - sehr strategisch ist. Ein Fest für Turbo-Optimierende mit sehr viel Freizeit. Ein Juwel für Menschen, die sich gerne ganz tief in ein Spiel hineinknien und darin versinken möchten. Ein Spiel, in das man Zeit investieren muss, wenn man „richtig gut werden“ möchte. Aber auch ein Spiel, dass man zu zweit dann doch in annehmbarer Zeit gespielt bekommt, wenn man sich erstmal eingegroovt hat. Ein wirklich schönes Duell, fast wie Schach mit programmiertem Chaos und eben doch viel mehr als bloßes Area Control. Hübsch, aber eben doch schwierig in seiner Persönlichkeit, wenn man so möchte. Nichts für jede/n, aber doch einen Blick wert, denn hier muss man sich definitiv selbst ein Bild von machen – es kann sich lohnen zumal das Preis-Leistungs-Verhältnis hier wirklich stark in Richtung Leistung gekippt ist. Aber es wird definitiv die Geister scheiden. Mir persönlich ist das vom Spiel geforderte Commitment auf Dauer vermutlich eine Spur zu krass, trotzdem finde ich die Kombination der Mechaniken sehr ansprechend.
Dragon Dale von Peter Kuhn
Erschienen bei Corax Spiele
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Corax Spiele)
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