http-equiv = "content-language" content = "en" lang = de; lang=de; Inferno - BoardgameMonkeys_Brettspielrezensionen <BoardgameMonkeys_Brettspielrezensionen></BoardgameMonkeys_Brettspielrezensionen> ~ BoardgameMonkeys_Brettspielrezensionen

02.10.2025

Inferno


Die Göttliche Komödie von Dante ist ein Stück Weltliteratur, in dem der Ich-Erzähler unter anderem den Weg zur Hölle beschreibt. Die neun Kreise der Hölle sind bis heute ein bekanntes Motiv und finden immer wieder Verwendung – so auch in diesem Brettspiel von Strohmann Games mit dem Titel „Inferno“. In diesem Spiel von Fernando Eduardo Sánchez für 1–4 Spieler schlüpfen wir in die Rolle florentinischer Familien im Mittelalter und versuchen, die meisten Schandepunkte zu sammeln.

Diese erhalten wir unter anderem, indem wir die Seelen der Verstorbenen in den Kreis ihrer jeweiligen Sünde bringen. Der Weg dorthin fungiert gleichzeitig als eine Art Aktionsauswahl. Auf dem Spielbrett sind die Höllenringe durch ein Netzwerk aus Schildern und Ketten verbunden. Zu Beginn eines Zuges muss ich eine Seele entlang der Ketten zu einem Schild bewegen. Jedes Schild zeigt ein Symbol, das einen Ort in Florenz repräsentiert – dort kann ich in der anschließenden Phase ein Familienmitglied meiner Familie einsetzen oder aktivieren. Erreicht die Seele schließlich den Zielkreis, gibt es – je nach Tiefe – eine entsprechende Punktzahl.


Doch Vorsicht vor den mächtigen Wächtern, wie etwa Cerberus oder der Medusa, die in den Kreisen lauern. So kann beispielsweise die Medusa eine Seele versteinern, was bedeutet, dass diese sofort gelegt wird, aber nicht mehr weiterreisen kann – es gibt keine Punkte, und die Seele nimmt einen Platz in einem Kreis ein, für den sie nicht bestimmt war. Das ist nur ein Beispiel, insgesamt gibt es sechs unterschiedliche Wächter – jeweils zwei davon sind im Spiel aktiv.

In Florenz kann ich, wie erwähnt, meine Familienmitglieder einsetzen. Es gibt verschiedene Orte. Bei den freien Orten wie dem Heuhaufen kann ich ein Gassenkind anwerben, welches fortan als Familienmitglied zählt. Manche Orte kann ich nämlich nur besuchen, wenn ich ein Gassenkind dabei habe. Beim Bankett kann ich meinen persönlichen Familienturm ausbauen, um mehr Platz für Gäste zu schaffen – und der Spieler mit dem höchsten Turm wird am Spielende zusätzlich belohnt. In der Bank – wie zu erwarten – gibt es 2 Florin, aber nur für jeden Gast im eigenen Turm. Der Hof erlaubt zwei Aktionen: Zum einen kann ich zwei meiner aktuell im Turm befindlichen Familienmitglieder ins Familienhaus schicken (um sie später neu einsetzen zu können), zum anderen darf ich die Anordnung von Gästen, Fässern und Familienmitgliedern im Turm neu organisieren – warum das wichtig ist, wird gleich klar.


Kommen wir zu den besonderen Orten, die bestimmte Voraussetzungen erfordern – nämlich ein Gassenkind oder etwas Florin. Beim Scheiterhaufen darf ich bis zu drei Aktionen ausführen: bis zu drei Florin in Drachmen tauschen, auf der Phlegethon-Leiste vorrücken oder eine meiner Scheiben auf ein Tor der Mauern von Dis legen. Diese Mauern stehen jeweils zwei Höllenkreisen gegenüber, und nur wenn ich eine eigene Scheibe auf einem Tor platziert habe, darf ich eine Seele durch dieses Tor bewegen. Zusätzlich kann ich eine Drachme zahlen, um einen Wächter zu nutzen, oder zwei Drachmen ausgeben, um eine Aktion am Fluss Styx auszuführen – diese erlaubt es mir, auf ein oder zwei Sündenleisten vorzurücken.

An der Stadtmauer gibt es ebenfalls drei Aktionen: bis zu zwei Florin in Drachmen tauschen, mit zwei Drachmen eine Betrugskarte ausspielen, oder ein Fass aus meinem Turm auf ein dazu passendes Feld im Lager stellen, um eine Belohnung zu erhalten. Ein solches Fass bekomme ich übrigens auf dem Markt – Achtung: Dafür muss Platz im eigenen Turm vorhanden sein! Zu guter Letzt gibt es den Palast, in dem sich neue Gäste befinden, die ich in meinen Turm aufnehmen kann. Je nach Etage erhalte ich dafür unterschiedliche Mengen Florin.


Wenn ich kein weiteres Familienmitglied nach Florenz schicken kann oder will, kann ich stattdessen die bereits eingesetzten Figuren „aktivieren“ und eine andere Figur einer Todsünde beschuldigen. Das beschuldigende Familienmitglied wandert daraufhin wieder in meinen Turm zurück. Alle anderen Familienmitglieder in Florenz kehren ins Familienhaus zurück, und eine Seele wird auf den Friedhof gelegt. Die Farbe dieser Seele richtet sich nach dem Ort in Florenz. Anschließend rücke ich auf der entsprechenden Sündenleiste vor, erhalte eventuell einen Bonus – und Dante rückt ebenfalls weiter. Er wandert entlang der Kreise und löst dabei gelegentlich Bewertungen aus: für bestimmte Sünden bzw. Höllenkreise. Am Ende erreicht er sein Ziel und beendet das Spiel.

Wichtig: Ich darf nur dann jemanden beschuldigen, wenn ich im Palast den passenden Gast in meinem Turm habe – in der Farbe des Orts, an dem ich beschuldigen möchte, das gilt aber nur bei den besonderen Orten. Außerdem muss vor diesem Gast noch ein Platz frei sein, damit das beschuldigende Familienmitglied dort stehen kann. Gute Planung ist also entscheidend!

Kann ich weder ein Familienmitglied einsetzen noch jemanden beschuldigen, habe ich – soviel sei gesagt – nicht optimal gespielt. In diesem Fall kann ich immerhin den Familienrat einberufen. Dadurch kann ich entweder ein Familienmitglied aus Florenz oder dem Turm zurückholen, oder ich schaffe Platz im Turm, indem ich einen Gast oder ein Fass abgebe.



Ein kurzer Hinweis noch zu den Sünden- und Phlegethon-Leisten: Auf der Sündenleiste erhalte ich ab Stufe 4 eine halbe Urkunde sowie weitere Punkte. Die Phlegethon-Leiste beeinflusst einen Bewertungsfaktor am Spielende – auch sie sollte daher unbedingt im Auge behalten werden. Durch Dantes Zwischenwertungen erhält man teils ganze Urkunden, die wichtigen Einfluss auf die Schlusswertung nehmen. Es gibt sicherlich noch 1–2 weitere Details, die ich hier nicht erwähnt habe – aber ich denke, ihr habt so einen guten Eindruck bekommen.

Der Spieler mit den meisten Schandepunkten gewinnt das Spiel!

Inferno ist ein komplexes Eurogame, das durch seine starke thematische Einbindung enorm dabei hilft, die vielen Mechanismen zu erlernen und zu verinnerlichen. Viele Elemente greifen logisch ineinander – auch das fühlt sich thematisch sinnig und spielmechanisch stimmig an. Ich möchte eine Seele einer bestimmten Farbe? Dann muss ich frühzeitig daran arbeiten, den passenden Gast in meinem Turm zu haben – so soll es sein.



Natürlich braucht man ein, zwei Partien, um wirklich zu verstehen, was man hier alles machen kann (und soll) – aber das ist bei dieser Komplexität auch völlig in Ordnung. Genau das erwarte ich von einem Eurogame dieser Größenordnung! Zwar habe ich Dantes „Göttliche Komödie“ nie gelesen, aber ich habe das Gefühl, dass das Thema für ein solches Spiel bemerkenswert passend umgesetzt wurde. Es wirkt fast wie ein Liebhaberprojekt, dem an der ein oder anderen Stelle vielleicht etwas „Streamlining“ gutgetan hätte.

Großes Lob gibt es auch für die grafische Gestaltung: Genau diesen stilisierten, düsteren Look feiere ich persönlich sehr – ich wünsche mir mehr solcher Präsentationen! Auch das Material ist hochwertig – besonders gefallen mir die liebevoll gestalteten Seelen-Meeple.

Alles in allem gefällt mir Inferno richtig gut. Ein thematisch starkes Eurogame mit ineinandergreifenden Mechanismen, das für Fans komplexer Spiele definitiv einen näheren Blick wert ist.



_______________________________________________________________




Inferno von Fernando Eduardo Sánchez
Erschienen bei Strohmann Games
Für 1-4 Spieler in ca. 45-120 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Strohmann Games)