Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich ein Fan von Germán P. Millán bin. Nicht, weil ich seine Spiele schlecht fände, sondern weil ich außer Sabika bislang nichts anderes von ihm gespielt hatte. Als Men-Nefer auf den Markt kam, war ich jedoch gespannt, wie ein Flitzebogen und wollte es schnellstmöglich auf den Tisch bekommen, als es auf Deutsch erschien. Schlicht, weil ich Sabika so gut finde und auch weiterhin sehr gerne spiele. Und Men-Nefer hat mich in zwei Punkten auch direkt an Sabika erinnert: Eine rappelvolle Box (die hier sogar noch voller ist) und eine Optik die etwas nach Staub und Sand aussieht – was aber natürlich auch zum Thema passt. Doch bereits beim Aufbau beginnen die Unterschiede. Während Sabika trotz der Masse an Material verhältnismäßig schnell aufgebaut ist, braucht man bei Men-Nefer durchaus etwas länger. Pyramidenteile hier, Plättchen da, Marker dort, Skarabäen, Lehrlinge, Herzen, Federn, usw. Man sollte schon etwas Zeit einplanen, da es doch recht kleinteilig ist. Doch lohnt sich der Aufwand überhaupt? Das verrate ich erst zum Schluss.
Die Regeln an sich sind tatsächlich weniger kleinteilig, als der Aufbau: Wir spielen uns durch drei Zeitalter mit je 3 Phasen und es gewinnt, wer am Ende die meisten Prestigepunkte (in der Anleitung auch einfach mit PP abgekürzt) gesammelt hat. Diese erhalten wir überwiegend nach dem Ende jedes Zeitalters - es gibt also drei Wertungsrunden. In jeder Wertung wird geschaut, wie wir unsere Aufgaben im entsprechenden Zeitalter erfüllt haben. Diese Aufgaben sind thematisch eingebettet in die Vorbereitung auf das Jenseits, den Handel, die Nekropole, den Obelisken sowie den Bau der großen Pyramide und der Königinnenpyramiden. Das Spiel nutzt diverse Begriffe aus der damaligen Zeit, die jeweils auch (sehr vorbildlich) in der Anleitung erläutert werden. Diese Erklärungen würden hier allerdings den Rahmen sprengen, so dass ich die Begriffe einfach nur wiedergebe.
Die drei Phasen sind Überschwemmung (Achet), Aussaat (Peret) und Ernte (Shemu). In Phase 1 bekommen wir Ressourcen (Nahrung und Heka, jeweils nur als Leiste verfügbar), füllen die Auslage auf und bekommen unsere Lehrlinge zurück. Sinnvollerweise wird diese Phase im ersten Zeitalter übersprungen. Anschließend folgt die eigentliche Aktionsphase in der jede/r genau neun Mal dran ist und danach wird in Phase 3 gewertet. Damit die Aktionen einen Sinn machen, ziehe ich die Wertung vor: Wir bekommen oder verlieren PP für unsere Duatleiste (zwei Marker, die sich in entgegengesetzte Richtung bewegen und Minuspunkte bringen, solange sie sich nicht gekreuzt haben – ja, Rajas und Arche Nova lassen grüßen – hier ist diese Wertung aber nur ein kleiner Teil der Gesamtwertung!) und bekommen PP für erfüllte Handelsabkommen, für in der Nekropole platzierte Sarkophage, für unseren Platz auf dem Obelisken, für unseren Beitrag zum Bau der großen Pyramide und für jede Bedingung der Königinnenpyramide (diese sind je nach Spiel variabel), die wir erfüllen – letztere multipliziert mit unseren eigenen Horusaugen, die neben den Königinnenpyramiden liegen.
Ein bunter Punktemix also, den wir über eine noch buntere Palette an Aktionen in Phase 2 erreichen können: Bin ich am Zug, darf ich jedes Mal (also 27 Mal im Spiel) eine von drei Optionen wählen. Dabei muss ich pro Zeitalter aber jede dieser Optionen genau drei Mal wählen (also nutze ich jede Option 9 mal pro Spiel). Die Optionen sind: ein Lebenshaus besuchen, eine Spezialisierung steigern oder ein Aktionsplättchen nehmen. Möchte ich ein Lebenshaus besuchen, brauche ich einen Lehrling auf meinem Tableau. Diesen stelle ich auf das Sonnenfeld eines Lebenshauses meiner Wahl auf dem Spielplan. Sofern dort schon ein anderer Lehrling steht, muss ich Nahrung abgeben oder erhalte Nahrung, sofern ich nicht genügend abgeben kann. Sofern ich keine Nahrung erhalten habe darf ich nun die Aktion durchführen, die dem Lehrling auf meinem Tableau zugewiesen war. Das entsprechende Aktionsplättchen lege ich dann ab.
Möchte ich eine Spezialisierung steigern, brauche ich einen Lehrling auf dem Sonnenfeld eines Lebenshauses. Diesen stelle ich auf das Mondfeld dieses Hauses. Sofern dort schon ein anderer Lehrling steht, muss ich Nahrung abgeben oder erhalte Nahrung, sofern ich nicht genügend abgeben kann. Sofern ich keine Nahrung erhalten habe, darf ich auf der Leiste dieses Hauses ein Feld vorrücken und die Aktion des Feldes, auf dem mein Skarabäus-Marker liegt (oder eines vorherigen Feldes auf dieser Leiste) durchführen.
Option 3 darf ich wiederrum nur durchführen, wenn ich Option 1 genutzt habe und wieder Platz für Aktionsplättchen auf meinem Tableau habe. Ich wähle ein Plättchen der Auslage und zahle oder bekomme dafür Nahrung. Dieses Plättchen lege ich auf mein Tableau und überprüfe, ob de Hieroglyphe des Plättchens mit dem Feld neben meinem Hieroglyphenmarker auf der Hieroglypenleiste übereinstimmt. Passt das, darf sich mein Marker um ein Feld bewegen und ich bekomme den dort abgebildeten Bonus (1 PP oder ein Schritt auf einer beliebigen Lebenshausleiste ohne dessen Bonusaktion zu nutzen!).
Nun darf ich die Aktion ausführen. Doch Vorsicht! Diesmal ist es nicht die Aktion auf dem Plättchen selbst (die triggert nämlich erst im nächsten Zeitalter durch den entsprechenden Lehrling!), sondern die auf dem Spielbrett angezeigte. Diese ist neben der Lücke, die durch das nun fehlende Aktionsplättchen entstanden ist, aufgedruckt. Alternativ darf ich eine der Aktionen, die darunter aufgedruckt sind, ausführen. Anschließend füllen wir die Aktionsplättchen wieder auf. Die Aktionen gliedern sich in die unterschiedlichen Aufgabenbereiche, die es zu erfüllen gilt und denen auch jeweils ein Lebenshaus zugeordnet ist. Da es doch einige Aktionen gibt, teile ich diese hier auch nach Thema auf. Wen das nicht in dieser Detailtiefe interessiert, springt gern zum nächsten Absatz.
Thema 1: Beim Pyramidenbau kann man mit der Gunst des Chufu Ressourcen oder Schritte auf der Duatleiste erhalten, Horusaugen aus dem eigenen Vorrat verfügbar machen oder Kalksteine transportieren. Beim Transport der Kalksteine sucht man sich eine Pyramide aus (große oder Königinnen) und läuft auf deren Leiste weiter. Erreicht man bei der großen Pyramide ein Konstruktionsfeld, baut man einen Teil der Pyramide. Alle Pyramidenteile (außer der Spitze) haben Boni aufgedruckt, die sie beim Einsetzen bringen. Zusätzlich bekommt man den Bonus des überbauten Feldes. Außerdem wartet auf den Leisten auch die Gunst des Chufu auf einen. Bei den Königinnenpyramiden ist die Konstruktion etwas anders: Hier darf man nur dann bauen, wenn man ein verfügbares Horusauge besitzt. Dieses muss ich neben eine unvollendete Pyramide legen und darf dann die nächste Etage bauen. Boni gibt es hier keine, sondern nur PP am Ende der Zeitalter.
Thema 2: Bei der Nekropole können wir mit einer Aktion eine unserer verfügbaren Mumien einbalsamieren und somit als Sarkophag „verfügbar“ machen. Haben wir keine Mumien mehr, bekommen wir Schritte auf der Duatleiste. Mit einer anderen Aktion können wir verfügbare Sakophage bestatten. Die Nekropole ist in Zeilen und Spalten eingeteilt und die Aktion gibt die maximale Spaltennummer an. Dann winkt der Bonus des überdeckten Feldes sowie ein Bonus für die entsprechende Zeile und/oder Spalte. Alternativ kann ich hier für Heka Papyrusrollen kaufen und auf mein Board platzieren. Für jede Papyrusrolle sowie für jedes richtig gepuzzelte Symbol auf dieser Papyrusrolle, bekomme ich bei der Wertungsrunde einen Schritt auf der Duatleiste – bevor diese gewertet wird.
Thema 3 - Tempel und Obelisk: Hier kann ich Waren für Nahrung kaufen. Die Waren lege ich pyramidenförmig auf mein Board und lege Körbe drauf (warum, kommt gleich). Mit einer anderen Aktion kann ich meine Priesterinnen in den Tempel laufen lassen. Haben sie sich bewegt, werden sie aufgestellt (auch dazu gleich mehr). Manche Priesterinnen-Bewegungsaktionen zeigen zudem eine Opfergabe an. Habe ich eine Ware, auf der ein Korb steht, darf ich diese vor oder nach der Bewegung opfern. Dafür führe die Aktionen der Ware (je nach Position auf meiner Warenpyramide ein bis drei unterschiedliche) aus und drehe die Ware dann um. Den Korb stelle ich in den Tempel in einen Raum, in dem ich mindestens eine stehende Priesterin habe. Auch damit aktiviere ich eine Aktion (oftmals Schritte beim Obelisken, die dann wiederrum die besondere Aktion der im Spiel vorhandenen (je Partie variablen) Gottheit triggert). Im Gegenzug muss ich dann eine meiner aufrechten Priesterinnen in diesem Raum hinlegen.
Thema 4 – Der Nil und die Städte: Hierüber kann ich meine Boote auf dem Nil weiter fort- oder in eine Stadt hinein- bzw. aus ihr herausbewegen und manchmal auch meine Boote aktivieren. Ist ein aktiviertes Boot im Wasser, gibt es Nahrung, ist es in der Stadt bekommt man eine(n) Bonus(aktion) und ein Handelsabkommen.
Thema 5: Hier kann ich Sphinxe meißeln (wie die Horusaugen oder Sarkophage „bereitmachen“) oder gemeißelte Sphinxe auf den Spielplan bauen und erhalte die dort abgedruckten Boni
Und das war’s auch „schon“. Und ja, Men-Nefer ist auf den ersten Blick komplex. Man muss Dinge vorbereiten bevor man sie nutzen bzw. aktivieren kann und um entsprechende Boni zu bekommen. Im Kern geht es in erster Linie aber - um es mal recht plump zu sagen - um Leistenschubsen. Und damit trifft es schonmal genau meinen Geschmack. Ob nun Schritte mit Booten oder Priesterinnen, genau wie Bewegungen mit Skarabäen oder auf Pyramiden – sind immer „nur“ das Schubsen von Klötzchen auf Leisten. Men-Nefer schafft es aber auf schier fantastische Art, diese Leisten unfassbar gut mit einander zu verdrahten und diese Drähte mannigfaltig zu verdrehen und zu verschwurbeln und die grauen Zellen immens zu fordern. Man kann sich hier spezialisieren oder generalisieren und doch will man schlicht immer alles machen, muss sich aber immer eine eigene Fahrbahn durch die Abhängigkeiten suchen und ausprobieren – und damit anderes vernachlässigen. Doch muss man sich nie zwischen Regen und Traufe entscheiden und es gibt praktisch nie einen Zug, der einem „verloren“ erscheint. Denn alles, was man tut, fühlt sich immer auch belohnend an. Manchmal denkt man sich höchstens „wenn ich das statt das gemacht hätte, hätte ich noch mehr Vorteile bekommen“. Und das macht den Reiz des Spiels aus. Immer wieder einen anderen Weg ausprobieren, andere Abhängigkeiten austesten, sich auf etwas anderes fokussieren. Das kann am Ende punktetechnisch natürlich trotzdem gewaltig in die Hose gehen. Und das macht das Spiel zum astreinen Expertenspiel. Denn auch wenn man im laufenden Geschehen ständig belohnt wird und ein gutes Gefühl hat, können die Abrechnungen am Ende der Zeitalter einem sehr schnell deutlich machen, dass andere vielleicht doch die besseren Entscheidungen gefällt haben und eben noch mehr belohnt werden als man selbst.
Für Interaktion bleibt da freilich kein Platz – abseits des „Du hast mir mein Plättchen vor der Nase weggeschnappt“. Und selbst das ist eigentlich zu vernachlässigen. Und so schubst jede/r seine Leisten vor sich hin und versucht, den optimalen Weg durch das Dickicht der Abhängigkeiten zu finden. Toll finde ich auch, dass dieses 3 x 3 x 3 der Optionen im Spiel beim reinen Lesen der Anleitung danach klingt, dass man hier schnell den Überblick verlieren könnte. Im Spielgeschehen an sich ist dieses Prinzip aber grandios umgesetzt, da man schlicht immer weiß, welche Optionen man noch offen hat und welche nicht, einfach weil die Lehrlinge entweder auf dem eigenen Board, dem Sonnen- oder dem Mondfeld stehen und Aktionsplättchen auf meinem Board eben da sind oder fehlen. Hinzu kommt, dass es zwar viele mögliche Aktionen gibt, manche aber eben „nimm dir Nahrung“ oder „schiebe Mumie von links nach rechts“ sind. Dadurch ist der Spielablauf letztlich sehr flott, was natürlich - auch dank der fehlenden Interaktivität – einen sehr geschmeidigen Spielfluss bewirkt – sofern man keine Turbooptimierende mit Hang zur AP am Tisch sitzen hat (denn zu durchdenken gibt es hier eine Menge!). Letztlich überlegt man sich aber in der Zeit, in der man nicht dran ist, was man machen will und zieht den eigenen Zug dann in 30 Sekunden durch und die nächste Person ist an der Reihe. Unterstützt wird das Ganze durch eine ordentliche Anzahl an Symbolen und Zeichen, die allesamt klar verständlich sind und super schnell in Fleisch und Blut übergehen. Dazu gesellt sich eine schöne Rundenübersicht, die man aber nach kurzer Zeit nicht braucht, da man schlicht und ergreifend, weil man alles klar verständlich auf dem Board findet. Richtig, richtig gut!
Abschließend kann ich also nur sagen: Für mich ist Men-Nefer ein absolutes Highlight des Jahrgangs, zurecht für den Golden Geek Award nominiert und nach zwei Titeln darf ich es nun doch sagen, denke ich: Ich bin ein Fan der Spiele von Germán P. Millán (und muss nun schleunigst zumindest mal Bitoku nachholen).
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Men-Nefer von Germán P. Millán
Erschienen bei Pegasus Spiele
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