Mechanik & Ablauf – Vielschichtig wie ein gut gepackter Schlitten
Im Zentrum steht ein Würfelprogrammierungs-Mechanismus: Zu Beginn einer Runde platziert jeder Spieler drei Würfel in seinem Aktionsrad. Die Augenzahl ist hier nicht entscheidend – wohl aber die Position. Je nachdem, wo man einen Würfel hinlegt, löst man eine Aktion aus, z. B. Ressourcen kaufen, Ausrüstung fertigen oder Helden rekrutieren. Gleichzeitig bestimmt die mittlere Spalte, wie weit man sich auf dem zentralen Rondell bewegt – ein genialer Kniff, der Planung und Timing eng miteinander verwebt.
Die Bewegung über das Rondell sorgt für Dynamik: Jede Station in der Stadt bietet andere Möglichkeiten. Manche Aktionen hängen auch von der Anwesenheit anderer Spieler ab – etwa wenn Marktpreise schwanken oder mehrere Händler um dieselben Helden buhlen. Hat man genug Waren und Mitreisende beisammen, geht’s hinaus auf die dunkle Straße – und hier kommt das Push-your-Luck-Element ins Spiel: Die Route birgt Risiken, Ereignisse und Boni, aber auch Zufall. Besonders spannend: Man kann sich an andere Spieler dranhängen – und profitiert (oder leidet) mit.
Ein weiteres zentrales Element ist die Laterne, die als Ressource nicht nur beim Reisen hilft, sondern auch Spezialaktionen freischalten kann. Kombiniert mit einem persönlichen Ausrüstungstableau, das man über das Spiel hinweg mit Boni und Features aufrüsten kann, entsteht eine interessante Engine – wenn auch keine, die automatisch ins Rollen kommt.
Was läuft rund – und was eher weniger?
Merchants of the Dark Road beeindruckt mit seinem thematischen Tiefgang: Alles fühlt sich schlüssig an – vom ratternden Schlitten bis zum flackernden Laternenlicht. Auch das Balancing zwischen Ruhm und Reichtum sorgt für einen ungewöhnlichen Spannungsbogen und zwingt Spieler, nicht nur auf Punktmaximierung zu gehen, sondern strategisch auszubalancieren.
Doch es gibt auch Schattenseiten: Die Ikonografie ist für Neulinge nicht intuitiv – und trotz des eigentlich simplen Kernsystems kann der Einstieg zäh wirken. Die Downtime zieht sich stellenweise, gerade bei voller Besetzung. Und nicht zuletzt sorgt der Glücksfaktor beim Ziehen von Ereigniskarten oder Mitreisenden dafür, dass man trotz guter Planung auch mal Pech haben kann. Wer auf absolute Kontrolle setzt, wird hier nicht komplett glücklich.
Außerdem wirkt das Spiel in der letzten Phase manchmal etwas gestreckt – vor allem, wenn Spieler nur noch optimieren statt handeln. Ein klarer Höhepunkt oder ein „Knall zum Finale“ fehlt.
Spielgefühl & Anspruch
Mit 90–120 Minuten Spielzeit liegt Merchants of the Dark Road im Kennerspielbereich – thematisch dichte Entscheidungen, aber ohne komplett in der Euro-Abstraktion zu versinken. Zu zweit spielt es sich angenehm flott, doch ab drei Spielern entfaltet sich das Spielgefühl am besten, weil mehr Konkurrenz und Interaktion entstehen. Die Optik von Andrew Bosley tut ihr Übriges: Man spielt sich durch ein Kunstwerk.
Fazit
Merchants of the Dark Road ist ein stimmungsvolles Händlerabenteuer mit originellen Mechaniken, einem spannenden Belohnungssystem und einer Welt, die man gerne durchquert – trotz (oder gerade wegen) der Dunkelheit. Wer bereit ist, sich in die Ikonografie einzuarbeiten und kleinere Glücksmomente zu akzeptieren, wird mit einem taktisch reizvollen Spiel belohnt, das durch Optik und Atmosphäre besticht



