15.02.2020

The Open Road


Schöne Spiele mit außergewöhnlichem Artwork und Thema haben gerade einen kleinen Hype. Sei es Wingspan von Stonemaier Games oder Parks von Keymaster Games (in deutsch beide bei Feuerland Spiele). The Open Road passt in diese Sparte von Spielen, die ein abgerundetes Gesamtspielerlebnis bieten wollen und wurde über Kickstarter finanziert und auf deutsch bei Spielefaible vertrieben.

Optisch erfüllt The Open Road mühelos die Anforderungen. Thematisch machen wir eine Fahrradtour durch die USA und radeln gemütlich von der Ost- an die Westküste bzw. andersrum. Die grafische Gestaltung und die Wahl des Materials versprühen dabei einen besonderen Charme. Das machen nicht nur die kleinen Fahrradfahrermeeples, sondern auch der minimalistisch angehauchte und reduzierte Grafikstil, der The Open Road als Gesamtpaket eine ganz bestimmte Wohlfühlatmosphäre verleiht. Wenn dann noch thematisch mit romantischen Nächten im Zelt und von Abenteuern bei Zwischenstopps in Großstädten gesprochen wird, sind bei mir zuerst Erwartungen an Spiele wie Tokaido erwacht - ein Feel-Good-Game eben.


The Open Road ist aber alles andere als ein Feel-Good-Game. Das romantisch beschriebene Pilgerradeln durch die Staaten entpuppt sich nämlich bereits nach den ersten zwei Zügen als knallharter Abnutzungskampf um Energie und Geld. Während ich mit Energie anhand eines 1 zu 1 Wechselkurses einzelne Felder auf der Landkarte vorrücken kann, um meinem Ziel näher zu kommen (The Open Road ist ein Rennspiel, bei dem es gilt als erster sein Ziel zu erreichen), benötige ich mein Geld, um mich in Städten von den Strapazen meines Ausfluges geringfügig zu erholen bzw. mir auf dem Weg kleine Snacks zu kaufen, um dann doch noch mit letzter Kraft das Hostel am Straßenrand zu erreichen, anstatt mitten im Nirgendwo unter der brennenden Hitze von Arizona mein Zelt aufzuschlagen.


Das mag hart klingen, The Open Road ist aber alles andere als ein Zuckerschlecken. Die Optionen sind wirklich limitiert und das Radeln von A nach B extrem kräfteraubend. Aber auch die Härte, mit der The Open Road den Spieler mit aller Kraft vor den Kopf schlägt, ist keine angenehme. Es geht in The Open Road nicht wirklich um harte Entscheidungen, wie ich ans Ziel komme, sondern diese sind oftmals klar. Sinn ergibt es eigentlich immer die Großstädte auf seiner Route abzuklappern, um wenigstens ein klein bisschen Energie aufzutanken. Hauptaktivität der Spieler ist es aber meistens zufällige Aktionskarten zu ziehen, die Snacks, Geld oder allerlei extra Krimskrams zu bekommen, die mir dann wieder situativ aus der Patsche helfen bzw. sogar andere nachmehr in selbige zu ziehen, indem ich ihnen beispielsweise das über Runden mühsam angesparte Geld wieder wegnehme. Das frustriert!


Die Züge in The Open Road sind schnell abgehandelt. Das ist gut. Auch, dass eine Partie The Open Road recht gut planbar ist, ist ein Pluspunkt. Die häufig aber vorkommende Belanglosigkeit der Züge ist aber ein Problem. Nicht selten strande ich mit 0 Energie und 0 Geld im Nirvana. Meinen Zug verbringe ich demnach mit Karten zu ziehen und auf Besserung zu hoffen. Prima, ich ziehe eine Banane, die mir mit meiner nächsten Aktion 2 Energie einbringt. Zug zuende. Im nächsten Zug gebe ich die 2 Energie wieder aus, rücke zwei Felder vor und ziehe wieder eine Karte, weil ich körperlich und finanziell bankrott bin.


In Computerspielen wird für dieses Phänomen gerne der Begriff Grinding gebraucht. The Open Road ist mir zu hart, ohne dabei herausfordernd zu sein. Es zielt optisch und vom Regelgerüst ganz klar auf Familien ab, ist dann aber viel zu bestrafend, um Kinder oder Familienspieler ausreichend motiviert am Spieltisch zu behalten. Die Spieldauer von knapp 60 Minuten zieht sich so unglaublich in die Länge. Für Viel- oder gar Kennerspieler bietet The Open Road allein regeltechnisch zu wenig, sodass es leider bei allen Zielgruppen durchfallen wird. Möchte ich daher ein Spiel aus der Sparte „Hübsch und einfach“, dann greife ich zu den beiden Vergleichstiteln aus meiner Einleitung.

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The Open Road
Erschienen bei Open Road Games
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten
Boardgamegeek Link



sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Open Road Games)