06.05.2020

Western Legends


Wer diesen Blog bereits etwas länger verfolgt, ist vielleicht schon einmal über meine Rezension zu Spurs: Tales of the Old West gestolpert, welches ich damals als „Das Wild-West-Spiel“ überhaupt tituliert habe. Der Duel-Mechanismus ist noch immer genial uns bis dato konnte auch kein Spiel Spurs vom Thron stupsen - trotz amateurhafter Grafik.

Als dann schließlich Western Legends bei Kickstarter auftauchte, war ich sofort ganz Ohr. Das klang wirklich so, wie Spurs nur in schön. Open World, Wilder Westen, Pokerspielen. Red Dead Redemption in a Box. Musste ich haben. Nun liegt mir die von der BoardgameBox eingedeutschte Version vor und es ist Zeit, meine Erfahrungen mit Western Legends zu teilen.


Vielen habe ich nun ja bereits in der Einleitung anklingen lassen. Western Legends ist ein Open World Spiel im Wilden Westen. Das bedeutet, dass die Spieler auf ihrem Weg zu den angestrebten Siegpunkten (hier Legendenpunkte) frei sind. Will ich ein Bösewicht sein? Kein Problem. Hier kann ich Gegenspieler überfallen, die Bank ausrauben und ein bisschen Schwarzhandel mit Kühen betreiben. Stehe ich eher auf das Gesetz, dann bringe ich eben jene Bösewichter ins Gefängnis, beschütze die Städte und verdiene mir mein Zubrot mit der mühsamen Arbeit in den Minen. Die Wege zum Ruhm in Western Legends sind vielfältig. Das macht Spaß!


Sind auch alle Wege gleich stark? Eher nicht. In Western Legends hängt viel von der Spielsituation und den Mitspielern ab. Wenn beispielsweise 3 meiner Mitspieler sich für das Leben als Outlaw entscheiden, dann ist für mich genug Platz, um als einziger Marshall permanent Belohnungen abzugreifen. Gibt es aber nur einen Bösewicht am Tisch und bereits 2 Gesetzteshüter, dann sind die Aussichten für mich als weiterer Strahlemann eher nicht erfolgsversprechend. Western Legends bleibt somit ein Spiel der Flexibilität. Alles geht zwar, macht aber nur begrenzt Sinn.


Manche Wege zu Ruhm und Ehre sind zudem gefühlt schneller - wenn ich es aus der Eurobrille betrachte. Es ist einfach verdammt effizient, wenn ich in den Minen Gold schürfe, diese dann in der Bank abliefere und anschließend im Kabarett das eingenommene Geld nochmal zu Punkten verarbeite. Die Wege sind kurz und anstatt der ungewissen Komponente in den Spielerduellen, habe ich hier eine fast sichere Route, die erstens kurz und zweitens von wenigen Variablen abhängig ist. Hier ist es an den Spielern dies auszugleichen. Versteift sich ein Spieler beispielsweise auf dieses Schema, dann wird er sicher über kurz oder lang zum Überfallziel Nummer 1. Volle Taschen mit Gold und so…


Eine Partie Western Legends dreht sich auch um die modifizierten Pokerkarten, die einerseits als solche während einer Partie dienen (ja, man kann Poker spielen in Western Legends)  und andererseits als Aktionskarten während Duellen und auch ansonsten allerlei dienen. Hier ist permanent die Abwägungen erforderlich, für was ich meine mächtigen Karten einsetze. Es gilt nämlich fast immer die Faustregel: Mächte Pokerkarte = Mächtiger Alternativeffekt. Das ist spannend.

Etwas enttäuschend in Western Legends ist, dass das Aufleveln im Spiel selbst eher schwach ausgeprägt ist. Ganz konkret ist damit die nicht vorhandene Fülle an Ausrüstungskarten gemeint, die dem Spiel in seiner Basisvariante beiliegt. Hier fühlt man sich wirklich alles andere als in einem epischen Western, denn man hat stets das Gefühl, dass man nach dem ersten wirklichen Cashflow mit viel Elan den General Store betritt und dann bereits nach dem ersten Einkauf alles hat, was es gibt. Zu wenige Items mit zu wenigen Entscheidungen. Gott sei Dank bessern hier die bereits erschienenen Erweiterungen nach und rüsten das Angebot nach.


Ansonsten hat es Western Legends wirklich geschafft meinen Platzhirsch Spurs vom Thron zu stürzen. Western Legends ist nun DAS Wild-West-Spiel mit Open World Charakter in meiner Sammlung. Einziger Wermutstropfen ist, dass es nicht einen so genialen Duell-Mechanismus wie Spurs hat. Aber seis drum. Western Legends ist optisch ein Hingucker, bietet spannende Partien (selbst für 2 Spieler gibt es eine tolle Variante, die ich auch bei 3 Spielern empfehlen würde) und genügend freie Entscheidungen, um wirklich das Gefühl zu haben sein eigener Chef im Ring zu sein. Von mir eine Empfehlung.

Noch ein kleiner Nachtrag an dieser Stelle. Kann ich evtl. mit dem Thema Wilder Westen nichts anfangen, aber finde das Open World Konzept klasse? Dann empfehle ich Xia: Legends of a Drift System (für Fans von Weltraumthemen) oder Merchants and Marauders (für Fans von Piraten). Beide Titel vermitteln nämlich fast identische Spielgefühle.

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Western Legends von Herve Lemaitre
Erschienen bei Kolossal Games
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 90 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kolossal Games)