Spieleautor Benjamin Schwer kann ein breites Spektrum an Spielen. So hat er für Schmidt schon einige Familienspiele veröffentlicht, für Haba mehrere Kinderspiele (unter anderem Dragondraft) und darüber hinaus auch mehrere Kennerspiele wie Hadara (Schmidt Spiele) oder Crown of Emara (Pegasus Spiele). Mit New Eden liegt nun ein weiteres Spiel bei Schmidt Spiele vor, welches der Verlag als Familienspiel einordnet. Diese Einschätzung teile ich nicht ganz, sondern sehe es eher als Kennerspiel. Doch dazu später mehr. Mit New Eden führt uns Herr Schwer nun aber auf den Meeresgrund. DieZentralregierung der vereinten Menschheit hat sich dazu entschieden auf dem Meeresboden einen Neuanfang zu starten. Meeresstationen entstehen als neuer Lebensort und sollen sich dauerhaft ohne Unterstützung von der Oberfläche versorgen können. Als Spielende treten wir in einen Wettbewerb mit unseren Meerestationen gegeneinander an. Innerhalb von 3 Jahren/Spielrunden gilt es eine Tiefseestation zu realisieren, welche die der Mitspielenden übertrumpft.
Wir beginnen das Spiel mit einer Gunrdversion unserer Meeresstation und wollen diese über den Erwerb von Stationen innerhalb von drei Runden erweiteren. In fünf Strängen von unserem Stationstableau abgehend legen wir dazu in Reihe verschieden Stationskarten an. Unterhalb des Tableaus werden weiterhin Forschungskarten abgelegt. Es gibt also sechs verschieden Sorten an zu erwerbenden Karten. Wie bei vielen Spielen erlangen wir im Laufe des Spieles Siegpunkte und auch am Spielende kann es nochmal Siegpunkte geben. Die Im Laufe des Spieles zu erwerbenden Siegpunkte erhält man bei New Eden ganz klassisch durch Aktionen. Auf vielen Karten, welche man im Verlauf des Spieles kauft sind weiterhin in der rechten oberen Ecke Siegpunkte abgedruckt. Diese kann man bei Spielende erhalten. Denn hier liegt der große spielmaschine Clou, welchen Herr Schwer für New Eden erdacht hat: Die Stationspunkte, welche man auf den Karten sieht, bekommt man nur, wenn es gelingt eine stabile Station zu bauen. Hierfür gibt es auf dem Stationstableau eine Anzeige. Eine Scheibe markiert auf einer Leiste den aktuellen Schaden an der Station. Ein Holzstängchen makiert auf der selben Anzeige die Stabilität der Station. Stationspunkte gibt es am Spielende nur, wenn der Schadensmarker unterhalb des Stabilitätsanzeigers liegt.
Wie man sich nun sicher schon denken kann haben die verschiedenen Kartenarten und damit verbundenen Aktionen wechselwirkende Auswirkungen auf Schaden und Stabilität. Es gilt beides bis zum Spielende in Einklang zu bringen. Hierfür erwerben wir jede Spielrunde Karten und bewegen unsere Deeple entlang der Kartenstränge unserer Station. Jeder der drei Spielrunden ist in vier Phasen unterteilt. Während der ersten drei Phasen erwerben wir Karten und bewegen Deeple. In der vierten Phase (D) kommt es zur Rundenwertung und es wird aufgeräumt sowie für die nächste Runde vorbereitet. Interessant ist, dass in den Phasen A, B uund C die Karten jeweils auf unterschiedliche Weisen erstanden werden und man nur in den Phasen A und C die Möglichkeit hat seine Deeple-Worker zu bewegen:
- In Phase A werden Karten reihum aus einer gemeinsamen Auslage gekauft und mit Geld sowie Schaden bezahlt. Man kann entweder aus der Auslage kaufen, Deeple bewegen oder passen. Im Verlauf der Phase leert sich die Auslage immer weiter und es wird nicht nachgelegt.
- In Phase B bekommen alle Spielenden jeweils 3 Karten zugeteilt und müssen sich gleichzeitig entscheiden wieviele sie davon wollen. Bezahlt wird wiederum mit Geld und Schaden. Eine Bewegung ist in dieser Phase nicht möglich.
- In Phase C werden die in Phase B nicht erworbenen Karten wiederum auf einem Tableau ausgelegt. Diesmal wird aber versteigert. Abhängig davon wieviele Karten in einer Zeile zum Liegen kommen erwirbt man mit einem erfolgreichen Gebot auch Bewegungsaktionen mit. Es wird nämlich auf Kartenlots geboten, Eine Zeile wird jeweils mit den Restkarten eines Spielenden aus Phase B belegt. Man bietet also auf die komplette Resthand eines Spielers aus Phase B plus zusätzliche Bewegungen.
Jene Bewegungen werden gebraucht um unsere Deeple auf Stationskarten zu bewegen und dort bis zum Rundenende stehen zu lassen. Drei Kartensorten haben nämlich Deeple-Einsatzfelder:
- Muschelhabitate generieren Siegpunkte
- Reparaturkraken senken den Schaden der Station
- und Entekrabben generieren uns neue Münzen
Letztere sind im Spielverlauf essentiell um nicht den Anschluss zu verlieren. Im Kern ist New Eden nämlich ein Geld- und Schadensmanagmentspiel. Investiert man an einer Stelle zuviel Schaden (begrenzt auf 15) oder Geld, so gerät man leicht in Situationen wo man handlungsunfähig wird oder gnadenlos überboten wird. Rettung kann dann sein, dass man drei Mal pro Runde als freie Aktion das Kraftwerk auf dem eigenen Stationstableau anwerfen und gegen Schaden Geld nehmen. Hat man dies auch schon ausgereitzt, so wird es bitter. Warum man in Phase A erst einmal Deeple bewegen will statt die günstigeren Karten zu kaufen erklärt sich durch die Erntekrabben und die Geldknappheit. Es bleibt manchmal einfach gar keine andere Wahl. Unabdingbar um Einsatzfelder zu aktivieren indem man Deeple dort hinbringt sind neben den Deeplen selbst noch Sauerstofftanks. Wir starten das Spiel mit einem Deeple und zwei Sauerstofftanks. Für jede Bewegungsaktion muss eine Sauaerstoffkarte umgedreht werden. Am Rundenende wird die Karten dann wieder zurückgedreht. Um mehr machen zu können müssen wir neben den drei bereits erwähnten Stationskarten deshalb auch noch Werften (für weitere Meeple) sowie Sauerstofftanks erwerben.
Viele der zu erwerbenden Karten können bei Spielende Siegpunkte bringen. Reparaturkraken und Erntekraben beinflussen bei Spielende darüberhinaus noch die Stabiliät der Station. Während Entekraben negativ wirken, stabilisieren die Reparaturkraken die Station. Forschungskarten wiederum haben die verschiedensten Effekt. Einige Karten wirken augenblicklich, manche verbessern dauerhaft Aktionen und andere wiederum wirken erst bei Spielende. Jeder der 14 Forschungskarten gibt es jedoch nur ein einziges Mal. Forschungskarten sind im Grunde auch die einzige Möglichkeit unmittelbar negativ gegenüber Mitspielenden zu handeln. So gibt es drei Forschungskarten mit denen man den Mitspielenden Schaden zufügen kann. Ansonsten beschränkt sich die Interaktion eher auf das schnelle Kaufen von Karten bzw. das höhere Bieten auf Kartenpakete. Man ist also vorrangig damit beschäftigt die eigene Station so zu betreiben, dass sie am Spielende stabil ist im Laufe des Spieles aber genug Geld abwirft um sie weiter auszubauen.
Meines Ermessens ist die Altersempfehlung ab 10 Jahren von Schnmidt Spiele für New Eden ein wenig sportlich. Von den Regeln her kann New Eden sicher von 10-jährigen Kindern gelernt werden. Ob Kinder in dem Alter aber das nötige Ressourcenmanagement wirklich hinbekommen und vor allem die Nöte des Spieles frustfrei wegstecken, daran hege ich Zweifel. Die drei verschieden verlaufenden Erwerbsphasen sind für WenigspielerInnen sicher auch erst einmal eine Hürde. Insgesamt ist die Regel des Spieles aber sehr anschaulich und klar geschrieben. Die einzelnen Phasen sind auch nicht kompliziert und sollten spätestens ab Runde 2 auch Gelegenheitsspielern klar sein. Meines Ermessens ist New Eden aber trotzdem kein Familienspiel. Dafür kann man sich beim Stationsbetrieb einfach zu sehr reinreiten. Nach meinen Runden bin ich mir auch nicht sicher inwiefern manche Forschungskarten nicht auch etwas stärker sind. Zum einem gibt es Karten mit denen sich starke Synergien bilden lassen. Zum anderen auch eine Karte, welche den negativen Spielendeeffekt von Erntekrabben abstellt. Sofern man nur durch höheren Einsatz in Phase A oder höheres Gebot in Phase C an diese Karten kommen würde, wäre deren vermeintlich höhere Stärke meines Ermessens zu vernachlässigen. Die Spielenden handeln den Kartenwert dann unter sich aus. Bei New Eden kann einem in Phase B so eine Karte aber auch einfach in die Hand fallen. Ein wenig Abhilfe schafft, dass die Karten der Runden vorgebenen sind und auch vorbestimmt ist, welche Karten in welcher Phase ins Spiel kommen. So gibt es für jeder Spielrunde zwei Stapel. Der erste wird für Phase A, der zweite für Phase B und C genutzt. Dies verhindert aber bspw. nicht, dass besagte Karte gegen den negativen Erntekrabbeneffekt direkt auf der Hand in Phase 2b landen könnte. Durch die in sechs Stapel vorsortierten Karten hat man nach einigen Runden klare Ideen was einen erwarten könnte. Vor allem bei den Karten des B/C-Stapels ist es trotzden schwer gezielt auf bestimmte Karten zu spielen. Ob man sie auf die Hand bekommt oder darauf erfolgreich steigern kann ist einfach zu unwägbar. Wirklich abschätzen wie flüssig die anderen am Tisch sind kann man auch nicht. Geld wir hinter einem Sichtschirm geheim gehalten.
Grundsätzlich ist New Eden ein Spiel für bis zu vier Personen. Es lässt sich aber auch alleine spielen. Die Solovariante ist auf einer Regelseite erklärt und hält sich weitgehend an die Regeln des Mehrpersonenspieles. Auch kommt sie ohne zusätzliches Material aus. Man spielt im Grunde ein Zweipersonenspiel wobei der Gegner "Deep Thought" nach klar vorgebenen Regeln handelt. Dadurch ist sehr berechenbar was passieren wird. Es kommen in Phase B/C jedoch weniger Karten ins Spiel und dementsprechend wird man an manche Karten einfach nicht gelangen können. In jedem Fall ist das Solospiel eine einfach umzusetzende Spielvariante, welche auch ohne größeren Verwaltungsaufwand für "Deep Thought" auskommt. Dieser erwirbt seine Karten ohne Geld und aktiviert sie ohne Deeple sowie Sauerstoff. Wie erfolgreich Deep Thought spielt, ist also vollkommen davon abhängig welche Karten er zufällig bekommt. Demensprechend sehe ich die Solo-Variante auch weniger als gut skalierte Challenge, sondern eher als Möglichkeit sich mit den Spiel vetraut zu machen.
New Eden ist meiner Einschätzung nach kein komplett rundes Design. Das Spiel sieht dank Dennis Lohausen wirklich klasse aus und macht auf dem Tisch auch richtig was her. Richtig gut finde ich auch die Deeple: Liegend ein kleines gelbes U-Boot und stehend ein Worker. Man braucht in voller Runde von vier Personen einen wirklich sehr großen Tisch für New Eden. Unsere Stationskarten werden ja in Reihe in fünf verschiedene Richtungen angelegt. Wirklich schön ist meines Ermessens die Idee mit der Stabilität der Station. Nicht sicher bin ich mir aber ob es überhaupt realistisch ist um den Spielsieg mitzuspielen, wenn man auf die Punkte am Spielende pfeipft. Meiner Einschätzung nach geht es eher darum wie knapp man den Drahtseilakt mit der Stabilität und dem Schaden gestaltet und somit noch mehr Punkte rauskitzelt. Für Familienspielrunden und Kinder ist dies meines Ermessens nichts. Eher sehe ich New Eden als schnelles und einfaches Optimierspiel für erfahrenere Runden. Hier ist dann aber die Frage eher die Frage wie die Runde zu Zufallselementen in Optimierspielen steht. Da könnte manchem oder mancher Mitspielenden es zu wenig kontrollierbar sein, an welche Karten man rankommt. Außer der Not mit dem Geld und dem Schaden kommt man nämlich auch leicht in die Situation mangels Sauerstoffflaschen die eigenen Deeple nicht bewegen zu können oder gar zu wenig Deeple zu haben. Will sagen: Das Spiel ist auf jeden Fall eher etwas für SpielerInnen, welche Freude an Mangelmanagement haben und auch damit leben können mal in Situationen zu geraten in denen die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Mir persönlich hat New Eden gefallen. Insbesondere mag ich den Mix der verschiedenen Kartenerwerbsformen in Verbindung mit der Bewegung der Deeple. Das Konzept Schaden vs. Stabilität finde ich ebenfalls interessant. Aktuell ist New Eden für etwa 25€im Handel zu erwerben. Dafür bekommt man dann ein schnell zu spielendes und leicht zu lernendes sowie sprachneutrales Spiel für etwas erfahrene SpielerInnen, welches auf dem Tisch durchaus etwas hermacht. Meiner Einschätzung nach ist Benjamin Schwer mit New Eden ein Titel auf ähnlichen Niveau wie Hadara oder Crown of Emara gelungen. Weiterhin freuen darf man sich noch auf den nächsten Kennerspieltitel von ihm: Djinn wird noch dieses Jahr bei Pegasus erscheinen.
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New Eden
Autor: Benjamin Schwer
Erschienen
bei Schmidt Spiele
Für 1-4 Spieler*innen ab 10 Jahren.
Spieldauer ca. 60 Minuten