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27.08.2025

Nanolith


Es ist unfassbar lange her, laut Wikipedia war es das Jahr 1997, vielleicht aber auch etwas später. Damals, in Zeiten der CD-Rom-PC-Spiele-Zeitschriften, in der man sich nicht Let’s Plays auf YouTube anschaute (schlicht, weil es das da noch nicht gab 😉), sondern Demos von eben jenen CD-Roms spielte. Und was hab ich damals die Demo zu Final Fantasy VII abgefeiert. Und wie happy war ich, als ich dann endlich FFVII als Vollversion mit seinen unzähligen CD-Roms (ich glaube, es waren 5, aber sicher bin ich nicht mehr) endlich zocken konnte. Das ist wirklich lange her. Mittlerweile ist schon selbst das über Jahre schwelende Remake schon wieder alt und bekommt Nachfolgetitel. Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Spielgefühl und die Optik vom alten FFVII haben sich allerdings in meine Erinnerungen eingebrannt.


Und offensichtlich nicht nur in meine. Denn Nanolith wartet mit einer Optik auf, die direkt aus Final Fantasy VII stammen könnte. Ob es nun die Cyberpunkartige Stadt ist, das Token-Design (s. Foto) oder die Orte, die auf so klingende Namen wie (Achtung, Mini-Spoiler) „Seed Center VII“ (Spoiler-Ende) lauten. Dieses Brettspiel atmet grade zu den alten Square Enix (bzw. damals noch Squaresoft!) Klassiker. Und es mag diese nostalgische Verklärtheit sein, die mich dazu verleitet, die nächsten Zeilen zu schreiben. Die gleiche Verklärtheit, die erwachsene Menschen dazu bringt, sich ein Masters of the Universe Brettspiel anzuschaffen. Dieses Gefühl, in vertraute Gefilde zurück zu kehren, in denen man sich vor langer langer Zeit sehr lange aufgehalten hat. Das muss ich hier quasi als Disclaimer vorwegschicken. Denn nüchtern betrachtet zeigt Nanolith an vielen Stellen, dass es ein Fan-Herzensprojekt, aber eben auch ein Indy-Spiel ist. Es hat seine Fehler, es hat redaktionelle Problemchen, es gibt Momente, da sagt einem das Spiel, was man tun soll und wenn man das ignoriert, gewinnt man ein Szenario in einer Runde. Aber ich bin ein totaler Fan.

Das bleibe ich auch, wenn ich mir das Setting wegdenke. Wobei das schade wäre, denn das Setting ist toll und die Atmosphäre, die hier – auch durch einen unfassbar toll gezeichneten Comic, der die Story erzählt – geschaffen wird, ist für ein Brettspiel wirklich unfassbar immersiv. Doch möchte ich hier wirklich nichts spoilern und kann nur sagen: Manchmal vielleicht kein literarischer Fantasy-Höhepunkt, aber alles in allem eine richtig coole Story, die richtig schön verpackt wurde. Ach ja, wie nostalgisch…. Aber was ich so richtig gut finde ist, dass Nanolith eigentlich wie ein Dungeon Crawler wirkt, dass es aber oftmals gar keinen Sinn macht, die kleinen Gegner umzuhauen. Denn sie spawnen fast immer direkt wieder neu und nerven eigentlich nur, kosten Zeit und Gesundheit. Viel wichtiger ist es hier, sich eine Taktik zurecht zu legen, wie man die Gegner umgehen oder auch kiten kann (sie also auf einen Charakter fokussieren lassen, der dann wie eine Karotte vor ihnen wegläuft), um das eigentliche Ziel zu erreichen. Und dieses eigentliche Ziel ist tatsächlich in jedem Szenario anders. Und ja, das fühlt sich an, wie das Umgehen der Zufallsbegegnungen in Final Fantasy VII (oder VIII oder IX oder X), nur um schneller beim Boss zu landen und die Story voran zu treiben. Und da bin ich wieder: Nostalgie pur.
Dabei finde ich es total super, dass man hier nicht auf Minis, sondern auf Acryl-Standees gesetzt hat. Minis sind bei mir immer nur graue Masse. Zwar bringt das Deluxe-Pack Miniaturen für die vier HeldInnen, aber ich spielte immer mit den Standees. Die haben wenigstens ein Gesicht. Auch wenn das abfiddeln der Folien natürlich ein absolutes Grauen vor dem Spielen war.

Aber Schluss mit Schwärmen, hin zum eigentlichen Spiel. Und wie ich schon durchklingen ließ: Ich habe Nanolith fast komplett Solo gespielt. Man kann es zwar zu viert spielen, da aber jeder der vier Charaktere eine feste Klasse und damit in jedem Szenario auch ganz spezifische Aufgaben hat, sind Spaß und Abwechslung relativ gering. Da müsste man schon die Charaktere nach jedem Szenario rotieren lassen, aber auch das ist irgendwie nicht Sinn der Sache. Zu zweit ist es ganz nett. Solo aber für mich gefühlt am besten. Dabei sollte man bedenken, dass es kein „True Solo“ ist, denn man spielt immer alle vier Charaktere. Das macht aber auch total Sinn und ehrlicherweise habe ich Final Fantasy VII damals auch „solo“ mit allen Charakteren gespielt. Wir bleiben also im Thema. Zur Story möchte ich hier ehrlich gesagt nichts spoilern, denn diese sollte man selbst erleben. Sie ist wirklich gut, bindet alle vier Charaktere ein und beleuchtet ihre Hintergründe und wird durch richtig cool gezeichnete Comics erzählt. Natürlich ist es kein literarisches Highlight, aber für ein Brettspiel dann doch schon. Bauen wir also mal auf: Wir brauchen das Szenariobuch, in dem die Comics und die einzelnen Level, die Stadtkarte (die hier als Weltkarte dient) sowie die Lobbys abgedruckt sind. Die Lobbys sind im Kern Hubs, in denen man Quests aufnehmen, einkaufen, oder anderes tun kann. Dazu brauchen wir das Kampagnenbuch, in dem die Aufbauanleitungen für die Szenarien und die Side-Quests abgedruckt sind. Dazu gibt es vier Charakterboards (in der Deluxe-Variante ebenfalls Acryl) und die diversen Karten und Token. Und dann geht es auch schon los: Story lesen, Szenario-Seite aufschlagen, Szenario aufbauen, versuchen, das Ziel zu erreichen, Belohnungen einheimsen, in die Lobby zurückkehren, Rätsel lösen oder Texte lesen, mit Quest-Gegenständen aus dem Szenario neue Szenarien freischalten, evtl. einkaufen gehen wenn möglich, die Charaktere neu ausstatten und ins nächste Szenario stürzen, das in der Regel mit einer kurzen Story beginnt.


Von den Mechaniken her erwartet uns vieles, das an einen Dungeon-Crawler erinnert. Unsere Charaktere haben Würfel, die Gegner ebenfalls. Doch funktioniert hier vieles hier etwas anders. Zunächst einmal hat jeder Charakter 5 kleine blaue Würfel. Diese dienen dazu, die möglichen Aktionen für die jeweilige Runde zu bestimmen. Alle Charaktere würfeln zu Beginn einer Runde ihren Würfelpool und müssen pro gewürfelter 1 einen Stresspunkt „erleiden“ (was aber alles andere als schlimm ist, dazu gleich mehr). Die möglichen Aktionen einer Figur werden durch ihre Fähigkeitskarten bestimmt, von denen maximal drei aktiv ausgerüstet sein können. Im Laufe des Spiels sammelt man diverse neue Fähigkeiten, die man allerdings dann auch erst mit Nanofragmenten (die hier quasi die Erfahrungspunkte aber auch die Währung im Spiel darstellen) freischalten muss, damit man sie dann nutzen kann. Schön ist, dass man ausgerüstete Fähigkeiten während eines Szenarios für einen kleinen Malus wechseln kann. Auf den drei ausgerüsteten Karten stehen Würfelkombinationen, die man mindestens „ausgeben“ muss, um eine Aktion zu triggern – zum Beispiel 2-2 für einen 2er-Pasch oder 2-3-4 für eine kleine Straße, die mit 2 beginnt. Diese Kombinationen sind Mindestwerte, statt einem 4er-Pasch kann ich also auch einen 5er- oder 6er-Pasch ausgeben. Dazu hat jeder Charakter eine Waffe, die angibt, mit welcher Würfelzahl (ebenfalls mindestens) ein Angriff gestartet werden kann. Dabei darf ich jeden Würfel um eins nach oben oder unten manipulieren – bekomme dafür aber ebenfalls einen Stress. Und jeder zweite eingesetzte Würfel gibt mir ebenfalls Stress. Erreicht mein Stresswert eine kritische Menge (das Ende der Leiste bzw. den dort wartenden Nanoshock-Marker), bekomme ich einen Nanoshock. Dieser bringt neben zwei Schaden, dass ich mein Nanoshocktoken umdrehen und damit aktivieren kann. Und diesen kann ich wiederrum einmalig für eine sehr starke Sonderaktion ausgeben. Wer jetzt – wie ich – an die Limit Breaks in Final Fantasy denkt, liegt genau richtig. Oder anders formuliert: Man will Stress bekommen, auch wenn einen das irgendwann killt. Denn mit jedem Nanoshock wird meine Stressleiste kürzer und irgendwann bringt das einen Charakter eben um. Doch zum Glück gibt es im Spiel Gegenstände, die dies verzögern können – und notfalls gibt es natürlich auch eine Phönixfeder….äh einen Nanophönix, der niedergeschlagene Charaktere wiederbeleben kann. Die Aktionswürfel haben zudem noch eine weitere Funktion. Manche Fähigkeiten haben sogenannte Nanolinks (ja, ihr merkt schon, hier ist alles Nano…), bei denen ein bestimmter grade nicht aktiver Charakter mit dem Ausgeben eines eigenen Aktionswürfels die grade stattfindende Aktion verstärken kann. Eine schöne, taktische Sache.

Der Kampf gegen die Bösen Einheiten spielt sich dann entsprechend: Fähigkeit nutzen oder normalen Angriff wählen, Kampfwürfel zusammenstellen, würfeln. Jeder Würfel, der gleich oder höher als der Verteidigungswert des Gegners gegen diesen speziellen Angriff hat, macht einen Schaden. Dabei gibt es im Spiel vier verschiedene Angriffsarten: Nahkampf, Fernkampf, Nanoshock und Hacking. Denn manchmal ist „der Gegner“ auch ein Computerterminal, das wir hacken wollen. Auch können wir mit unserer Hackerin Gegner hacken, um ihre Fähigkeiten zu absorbieren (wer hat da Bluemage gerufen?). Doch genau an diesem Punkt unterscheidet sich Nanolith sehr stark von vielen Dungeon Crawlern. Denn oftmals geht es in Dungeon Crawlern darum, alle – oder zumindest die meisten – Gegner umzuhauen, um ein Ziel zu erreichen. Hier spawnen die Gegner aber rasant neu, sodass es oftmals keinen Sinn macht, sie alle niederstrecken zu wollen. Zwar sammelt auch die Gegnerseite im Laufe einer Runde Token, die bestimmen, wie stark gespawnt wird und sofern es keine Figuren mehr gibt, bekommen unsere Helden Schaden. In der Regel ist das aber zu verkraften. Denn ein Szenario läuft (grade zu Beginn) selten länger als 3-4 Runden. Weil es eben nicht darauf ankommt, das ganze „Kleinvieh“ zu besiegen, sondern der Fokus immer auf der eigentlichen Aufgabe eines Szenarios liegen sollte. Und ja, manchmal ist die Aufgabe „besiege alle xy-Typ-Einheiten“. Aber das ist selten. In der Regel kommt es mehr darauf an, den unwichtigen Randgegnern auszuweichen (oder sie mit dem Tank zu Kiten und wirr über den Plan rennen zu lassen) und ein Szenario möglichst schnell zu beenden. Und auch das erinnert mich wieder – entschuldigt, falls ich damit langweilen sollte – an die guten alten Zeiten, in denen man von Zufallskämpfen genervt war und sich wünschte, ihnen einfach ausweichen zu können. Das konnte man in der Final Fantasy Reihe erst ab Teil 12. In Nanolith kann man es jetzt schon und Grinding ist nicht nötig.


Hier zeigt sich dann aber auch der teilweise fehlende redaktionelle Feinschliff. So gibt es beispielsweise ein Nebenszenario, in dem wir einen Boss mit einer ausgeklügelten Mechanik begegnen. Keine Angst, ich bleibe bewusst spoilerfrei: Wir müssen an bestimmten Stellen Dinge „aufladen“, damit er sich nicht heilen kann. Wir haben zwei verbundene Schadens- und Heilleisten. Bei einem Schaden rutscht der Marker auf der Schadensleiste weiter. Heilt er sich, rutscht der Marker auf die Heilleiste und dort weiter. Erreicht der Marker das Ende der Heilleiste, verlieren wir. Erreichen wir das Ende der Schadensleiste, gewinnen wir. Das oben genannte „Aufladen“ der Dinge kostet viele Aktionen. Was haben wir also gemacht? Wir haben unseren Schaden so ausgerichtet, dass wir den Boss in der zweiten Runde umgehauen haben, bevor er sich heilen konnte. Die ausgeklügelte Mechanik haben wir komplett ignoriert, denn letztlich hätte sie uns nur verlangsamt. Ob das gewollt war? Keine Ahnung. Hat es trotzdem Spaß gemacht? Ja, denn wer kennt das nicht auch von Videospielen, dass da wer weiß was erzählt wird und am Ende hilft nur stumpfes Draufhauen. Letztlich war es eine Side-Quest, also nicht schlimm. Ein wenig komisch fühlte es sich trotzdem an.

Kommen wir noch kurz zum Leveling-System, denn ein gutes Rollenspiel braucht natürlich Charakterentwicklung. Bei Nanolith haben wir drei große Bögen mit Stickern dabei. Wir kleben Sticker auf die Weltkarte, um Orte freizuschalten, Sticker auf unsere Charakter-, Waffen oder Fähigkeitskarten um unsere Werte zu verbessern sowie weitere Fähigkeiten oder Nanolinks zu erhalten. Und auch die Erfahrungspunkte/Währung (Nanofragmente) sind Sticker, die wir auf spezielle Karten kleben. Geben wir sie aus, kleben wir sie ab und kleben sie auf die Rückseite der Karte und schalten dadurch mit der Zeit auch noch etwas frei. Richtig gehört, wir kleben die Aufkleber ab und kleben sie woanders hin. Und eigentlich können wir das Spiel am Ende auch wieder komplett zurücksetzen. Möglich macht das das Stickermaterial. Denn hier wurden elektrostatische Vinylsticker verwendet statt klassischem Klebematerial. Ob man die ganzen – teilweise sehr kleinen – Sticker am Ende aber tatsächlich wieder in die Bögen puzzeln möchte, sei mal dahin gestellt. Möglich wäre es. Aber nicht nur das zurücksetzen wird ermöglicht, sondern eine spürbare Charakterprogression, denn es gibt nichts, das nicht anpassbar ist. Sogar innerhalb der Fähigkeitentexte gibt es stellen, die man überkleben kann und so wird aus beispielweise „heile 3 Gesundheit“ dann auch mal schnell ein „heile 6 Gesundheit“.

Und so ist Nanolith eben genau das, was es meiner Meinung nach auch sein will: Ein Produkt von Fans für Fans, das aber sicherlich nicht was für jeden Geschmack ist. Für mich als alten Final Fantasy Fanboy, der sich schon immer eine Brettspielumsetzung dieser Reihe gewünscht hat und der von 0815-Dungeon-Crawler-Würfelorgien mittlerweile gehört die Nase voll hat, ein richtig, richtig tolles Spiel mit schöner Story, viel Liebe im Detail und ganz viel Retro-Charme. Für mich ein absolutes Highlight des Jahres. Aber eben ein spezielles. Ein manchmal unrundes, nicht abgeschliffenes Juwel. Doch diese Ecken und Kanten verzeihe ich dem Spiel bzw. konnte ich sie sehr gut ignorieren. Das einzige, was mich ein wenig stört, ist der „Loot“, den man aus den Kisten im Spiel ziehen kann. Denn es sind relativ wenig unterschiedliche Gegenstände. Dies hat allerdings wiederrum den Vorteil, dass man immer hoffen kann, bestimmte Gegenstände zu bekommen und sich alle früher oder später durchaus sinnvoll einsetzen lassen. Trotzdem wäre manchmal ein wenig Abwechslung schön gewesen. Aber sei’s drum. Wer auch immer schonmal den Charme und das Spielgefühl von FFVII auf dem Brettspieltisch haben wollte, sollte einen Blick auf Nanolith prüfen und für sich selbst entscheiden, ob man Fan genug ist, um über die Schwächen hinweg zu sehen. Für mich persönlich ist das Spiel jedenfalls ein echtes Highlight, wobei ich eben auch weiß, dass hier ganz viel „wow, das ist ja wie…“ drin steckt.


Und noch etwas vielleicht: Ob man die Deluxe-Erweiterung wirklich braucht, vermag ich nicht zu sagen. Sie bringt vor allem – wie schon erwähnt - die Acryl-Playerboards, die cool sind, und die Miniaturen für die Helden, die ich in der Packung gelassen habe, sowie ein paar Acrylmarker und einen eigenen Spielmodus, den man in der Packung selbst spielt und der völlig Story-Befreit ist. Außerdem gibt es noch eine Prolog-Story, die wohl während der Kickstarter-Kampagne veröffentlich wurde. Aber was ich mich tatsächlich gefragt habe war, warum die Deluxe-Erweiterung das (für mich) viel coolere Cover im Vergleich zum Hauptspiel hat. Aber das ist nur ein wenig Gemecker am Rande…


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Nanolith von Marc Schwämmlein und Maximilian Witt
Erschienen bei Woodpecker Games
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Woodpecker Games)
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