Wenn man nur oberflächlich hört, was Dust Race bieten möchte, denkt man unweigerlich an einen Fun-Racer im Stil von Mario Kart oder Sonic Racing oder meinetwegen auch Disney Speedstorm oder wie sie alle heißen mögen. Und ja, im Kern ist es auch genau das: Vollgas fahren und anderen eins reinwürgen. Klingt spaßig. Das ganze dann noch ohne Spielbrett, aber kartengetrieben für den kleinen Platzbedarf. Klingt grundsätzlich auch gut. Verpackt wird das Spiel dann auch noch in einem dunklen schwarz mit ganz viel 80er-Jahre Neon-Charme, cool gezeichneten Charakteren und einer ordentlichen Auswahl an Standee-Fahrzeugen. Bis hierhin alles prima. Man erwartet ein heiteres, schnelles auf die Mütze Rennfeeling. Und dann guckt man sich die Streckenkarten an und fragt sich durchaus, was man sich dabei gedacht hat. Denn es sind einfach nur die immer gleichen Karten mit sechs Kästchen. Keine Kurven, keine Schikanen (die gibt es im Spiel auch, meinen aber etwas völlig anderes, dazu gleich mehr), nur ein Pfeil zeigt an, ob es eine gerade, eine Kurve oder eine Schikane (im eigentlich Sinne) ist. Der einzige weitere Unterschied ist ein Rauten- bzw. Kreissymbol, das jeweils an einer anderen Stelle sitzt. Hm, vielleicht hat diese reduzierte Sicht ja einen mechanischen Sinn, dachte ich mir (kurzer Spoiler: nein, hat es nicht).
Also erstmal die Anleitung lesen. Und ich gebe es offen und ehrlich zu, das erlebe ich nicht oft: Bereits beim Lesen der Anleitung hatte ich keine Lust mehr auf das Spiel. Unfassbar kompliziert geschrieben, sehr schlecht zu lesen, viel Neon-Farbspielereien und Kästchen die hin- und her hüpfen – hier wurde Design offenbar vor Usability gesetzt. Und schlimmer noch, selbst wenn man die Regeln per KI rausholen lässt, damit man das Design loswird, weiß man eigentlich immer noch nicht, was man hier eigentlich tut und wann. Er wenn man mal mehrere Runden gespielt hat und sämtliche Regelfragen beantworten konnte (oder für sich selbst interpretiert hat), kommt sowas wie Spielspaß auf. Und ja, dann hat Dust Race doch ganz nette Momente. Aber es bleibt einfach viel zu kompliziert. Und auch wenn ich mein Fazit hier schon vorweg genommen habe, möchte ich einmal die Regeln des Spiels erklären und zitiere mal an ein oder zwei Stellen die Anleitung, um mal ein Beispiel für meine Kritikpunkte zu geben.
Wer mitspielt, sucht sich eine/n Fahrer/in und ein Gefährt aus. Beide Karten werden nebeneinander gelegt. Beide Verfügen über einen Geschwindigkeitswert für eine der drei Streckenarten. Befindet sich mein Fahrzeug auf einer entsprechenden Strecke, darf ich in meinem Zug so viele Felder laufen, wie die Summe der beiden Werte ergibt. Zitat aus der Anleitung: „“. Dazu gesellen sich zwei Gadgets, die ich zu beginn auswählen kann (nach welcher Reihenfolge wird in der Anleitung nicht erwähnt, wer zuerst kommt, mahlt also zuerst). Diese Gadgets sind einmalig nutzbare Fähigkeiten, die ich nach ihrer Nutzung wieder durch den Verzicht auf Bewegungspunkte aufladen kann (oder laut Anleitung „“). Soweit, so klar.
Das Spiel läuft in Runden, die jeweils in die Phasen x,y ,z eingeteilt sind. Zunächst spielt jede/r eine Manöverkarte. Davon hat jede/r die drei gleichen. Nach dem Stein-Schere-Papier-Prinzip wird geschaut, wer wen Sticht und die Anzahl der gemachten Stiche wird auf der Stichampel markiert. Diese Zahl wird in der Bewegungsphase zu den Bewegungspunkten meiner Fahrer/Auto-Kombi addiert. Jetzt wird es etwas wirr: Es gibt im Spiel Schikanen, die im Kern Ereigniskarten sind. Dafür gibt es einen Stapel mit Rautensymbol und einen mit Kreissymbol. Laut der Anleitung heißt es nur „“. Bis man versteht, dass das bedeutet „ziehst du über ein Rauten-Feld, ziehe eine Rauten-Karte und nimm sie auf die Hand. Ziehst du über ein Kreisfeld, ziehe eine Kreiskarte und spiele sie sofort aus“ – vergeht einige Zeit. Wann man Rauten-Karten spielen kann, erfährt man erst an einer anderen Stelle der Anleitung – nämlich jederzeit während der eigenen Bewegung.
Nun gibt es Schikanen mit einem Soforteffekt, den man normal ausführt, und besondere Schikanen, die man ober- oder unterhalb der Strecke anlegt. Und zwar gekuppelt. Diese werden am Ende der Runde geschaltet. Aha. Heißt eigentlich, sie werden „getapped“ ausgespielt und erst am Ende der Runde aktiviert. Macht Sinn. Problem: Pro Streckenabschnitt dürfen nur je zwei Schikanen liegen und die Anleitung sagt nicht, an welche Streckenteile ich sie überhaupt spielen darf (an beliebige? Nur an das, auf dem ich selbst stehe?). Sei’s drum, viele dieser Schikanen wirken nicht für das Streckenteil, sondern das Rennen an sich. Kommen wir also zurück zur Bewegung: Ich zähle also meine Fahrerpunkte, meine Autopunkte, meine ggf. auf Fahrer/Auto angegebenen Bonuspunkte, beachte den Windschatten für Bonuspunkte und evtl. Boni/Mali durch Schikanen, dann laufe ich los und muss noch evtl. auf der Strecke liegende Abkürzungen (kleine Plättchen, die beim drüberfahren Bonuspunkte für die aktuelle Bewegung bringen) berücksichtigen. Lande ich dann auf einem Feld, auf dem schon zwei Fahrer (oder ein großes Auto) stehen, kommt es zu einem Gerangel, das nach komplizierten Regeln aufgelöst wird und bei dem ich im Zweifel wieder ein Feld zurückversetzt werde. Und all diese Bedingungen werden mir durch Symbole vermittelt, die leider wenig intuitiv sind.
Ach ja: Und wenn mal drei Streckenteile ausliegen und eine vierte gelegt wird, dann wird das hinterste Streckenteil abgelegt. War dort ein Auto, ist die Person aus dem Spiel ausgeschieden. Playerelimination muss man heutzutage mögen. Klar ist Dust Race ein eher kurzes Spiel, aber durch die ganze Rechnerei kann es sich durchaus ziehen. Und so wird es grade in den ersten Partien eher zum Frust Racer statt zum Fun Racer. Ja, das bessert sich nach ein paar Partien in der gleichen Runde, aber dann ödet die Optik leider doch schnell an. Wer wirklich Lust drauf hat, sich hier reinzubeißen und eine feste Gruppe hat, für den/die hat Dust Race durchaus das Potenzial zum Kultspiel, denn es ist maximal unbequem – und Kult-Dinge haben sowas ja oft an sich. Für mich leider ein Satz mit X…
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Dust Race von Apex Ideenschmiede
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