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01.09.2025

Daitoshi


Die Kemushi-Saga hat Zuwachs bekommen!

Bitte was?! Kemushi? Sagt euch nichts? Dann helfe ich euch kurz auf die Sprünge: Mit der Kemushi-Saga hat sich Devir eine eigene Brettspielwelt aufgebaut – und alles begann mit dem Titel „Bitoku“. Mit „Daitoshi“ erscheint nun bereits der siebte (!) Titel dieser Welt. Weitere Titel sind Bitoku Resutoran, Yokai Ketch, Bamboo, Silk und Sand, allesamt ebenfalls im Original bei Devir erschienen.

Im Deutschen wird es dann schon etwas komplizierter, aber wir konzentrieren uns heute auf „Daitoshi“, das – wie zuvor auch Bamboo – bei Skellig Games erscheinen wird. Die Testversion, die mir vorliegt, ist das Original von Devir. Wundert euch also nicht, wenn es in der deutschen Version noch Änderungen oder Anpassungen geben sollte.


Innerhalb der Kemushi-Saga kann man die Entwicklung der Menschheit nachverfolgen: Während es in Bitoku noch sehr natürlich und mystisch zuging, befinden wir uns in Daitoshi nun quasi im Zeitalter der Industrialisierung, in dem Dampf mehr und mehr Einzug in die Industrie und das tägliche Leben hält. Wir übernehmen die Rolle eines Fabrikmagnaten, der mithilfe seiner Fabrik und neuen Erfindungen die Stadt Daitoshi zu Größe und Ruhm führen will. Dabei wird die Stadt ständig weiter ausgebaut – und gleichzeitig entsteht ein riesiger Apparat, der noch mehr Fortschritt bringen soll.

Doch eines ist klar: Die Natur leidet darunter. Wälder, Flüsse, Höhlen – all das wird durch den technischen Fortschritt zurückgedrängt. Die Yokai, spirituelle Naturgeister, sind darüber alles andere als erfreut...



In Daitoshi bewegen wir uns mit unserem Magnaten durch die ringförmige Stadt und können pro Zug ein bis zwei Bezirke weit reisen – mit Hilfe von Dampf sogar weiter. Auf dem eigenen Spieltableau ist dies elegant gelöst: Wasser und Kohle bilden eine Symbiose. Wenn ich Kohle erhalte und zuvor schon Schritte auf der Wasserleiste gemacht habe, bewege ich meinen Marker zurück Richtung Zentrum und erhalte pro Schritt z. B. 3 Dampfeinheiten. Umgekehrt funktioniert es ebenso.

In den Bezirken erhalten wir Wasser oder Kohle durch eine Ausbeutungsaktion. Zusätzlich bekommen wir einen farbigen Arbeiter, den wir in unsere Fabrik einsetzen können, und wir müssen ein Ausbeutungsplättchen auf unser Protokoll legen. Diese Plättchen gibt es für Fluss, Wald, Gebirge und Untergrund. Ein einzelnes Plättchen ist unproblematisch, doch sobald man ein zweites vom gleichen Typ erhält, verärgert man die entsprechenden Yokai – was zu Einschränkungen führt:

  • Untergrund: Maximal 2 statt 6 Arbeiter in der Fabrik
  • Wasser: Verringerte Ausbeute bei der Produktion
  • Gebirge: Höhere Dampfkosten für weitere Fabrikspalten
  • Wald: Dampferzeugung sinkt von 3 auf 2

Zwischen den Runden kann man versuchen, diese Plättchen wieder loszuwerden, um die negativen Effekte aufzuheben.

Darüber hinaus kann man in den Bezirken weitere Aktionen durchführen:

  • Stadt vergrößern, indem man Baumaterialien abgibt
  • Bezirke elektrifizieren, was Energie kostet
  • Handel mit Dampf und Luxusgütern treiben
  • Neue Erfindungen in der eigenen Fabrik installieren

Ein Bezirk bietet auch ein Jokerfeld, bei dem man eine beliebige Aktion wählen kann. Sollte sich in einem Bezirk die Mega-Maschine befinden, kann man auch deren Aktion nutzen oder sich am Ausbau beteiligen. Dafür muss man eine Erfindung sowie viele Rohstoffe abgeben, erhält dafür aber eine mächtige neue Erfindung für die eigene Fabrik.


Wenn man seinen Magnaten in einen Bezirk bewegt, gibt es drei mögliche Felder:

Das mittlere kostet einen Dampf und erlaubt das Einsetzen eines farbigen Arbeiters (Farbe meist vorgegeben) sowie kleine Boni.Ist es besetzt, kann man das linke Feld wählen, drei Dampf zahlen und ebenfalls einen Arbeiter einsetzen (auch um andere zu verdrängen).Oder man nutzt das rechte Feld für eine einfachere Aktion ohne Arbeiter.

Neben dem sogenannten „Stadt-Spielzug“ kann man auch einen Produktions-Spielzug durchführen. Dabei aktiviert man alle Erfindungen in seinen Fabriken – drei Gebäude, die jeweils Dampf kosten. Je nach Erfindung erhält man Rohstoffe, Punkte oder Boni. Als aktiver Spieler profitiert man doppelt: mehr Rohstoffe und schnellerer Fortschritt in der Erfindungsentwicklung. Nur der aktive Spieler darf zudem einen Pilger auf einen der vier Naturpfade schicken, um die Yokai zu besänftigen.

Weitere Einnahmequellen bieten Fortschritte auf der Prestigeleiste oder durch den Wurmrad-Bus. All das im Detail zu erklären, würde zu weit führen – aber ihr habt sicher schon einen guten Eindruck.

Die vier Naturpfade fungieren zudem als Endspiel-Trigger: Sobald in einem Pfad so viele Plättchen entfernt wurden, dass eine Markierung sichtbar wird, endet das Spiel. Eine letzte Runde  wird gespielt, und es folgt die Endwertung. Wer dann die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel.



Der Autor Dani Garcia ist kein Unbekannter: Mit Barcelona und Die Blumenstraße hat er bereits bewiesen, dass er herausragende Spiele entwickeln kann. Auch Daitoshi ist ein beeindruckendes Werk – ein echtes Expertenspiel, das kaum Zufallselemente enthält und stark auf Planung und Synergien setzt.

Und ja – es macht Spaß! Die thematische Einbindung ist gelungen. Natürlich hätte man auch ein anderes Thema wählen können, doch hier passt alles gut zusammen und macht das komplexe Spiel zugänglicher.

Aber: Die Anleitung ist – wie leider häufiger – sehr unübersichtlich. Der Aufbau verwirrt eher, als dass er hilft. Alles wirkt dadurch komplexer, als es eigentlich ist. Das ist schade, denn die Einstiegshürde wird dadurch deutlich erhöht, vor allem bei längeren Pausen zwischen den Partien. Auch die Optik trägt dazu bei: Zu Beginn ist das Spielbrett sehr überladen, später auch das eigene Tableau. Die Struktur der Bezirke ist ungewohnt – die eigentlichen Aktionsfelder sind recht unscheinbar, während die Kosten und Belohnungen riesig wirken und zunächst wie Aktionen aussehen.


Positiv: Die elektrifizierten Bezirke sind farblich gut zu erkennen.
Negativ: Der Zwei-Spieler-Modus ist etwas mühsam. Ein dritter, neutraler Magnat blockiert Felder – ein zusätzlicher Schritt, den man leicht vergisst. Auch die Mega-Maschine bewegt sich gegen den Uhrzeigersinn, muss aber stets grob passend zum Bezirk stehen – das ist optisch nicht immer eindeutig gelöst.

Das klingt nun vielleicht sehr kritisch, aber es ist Kritik auf hohem Niveau. Denn: Daitoshi ist ein großartiges Expertenspiel, das sich ein wenig selbst im Weg steht. Wenn man sich mit der Optik und Anleitung arrangiert, entfaltet es ein herausragendes Spielerlebnis – mit Tableau-Building, Worker-Placement und Ressourcenmanagement, die perfekt ineinandergreifen.

Wenn ihr die Kemushi-Saga mögt – insbesondere Bitoku – solltet ihr auch Daitoshi ausprobieren. Aber auch alle anderen Fans komplexer Eurogames sollten einen Blick riskieren. Ich werde auf jeden Fall noch einige Partien spielen – es gibt noch viel zu entdecken!

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Daitoshi von Dani Garcia
Erschienen bei Skellig Games / Devir
Für 1-4 Spieler in ca. 120 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Skellig Games)
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29.08.2025

Passengers




In den Mythologien der Erde gibt es viele Varianten, wie mit dem Tod umgegangen wird. Eine sehr häufige ist die Überfahrt ins Jenseits. Auch im Spiel Passengers sind die titelgebenden Passagiere Seelen, die den Limbus überqueren und ins Jenseits eintreten wollen. Doch böse Dämonen, denen der Zugang sonst verwehrt ist, haben sich unter die Seelen gemischt. Sitzen etwa welche am Tisch?!

Willkommen im Social-Deduction-Spiel Passengers von Corax Games für 4–8 Spieler ab 12 Jahren, aus der Feder von Joost Das, der sich zugleich auch für die Illustrationen verantwortlich zeichnet.

In Passengers übernehmen wir die Rolle von Seelen, die in drei Runden jeweils zwei Barken mit weiteren Seelen füllen wollen, um diese über den Limbus ins Jenseits zu schicken. Je nach Spieleranzahl sind jedoch auch Dämonen am Tisch vertreten. Zusätzlich befinden sich Dämonen direkt unter den Passagierkarten, die ebenfalls in die Barken gelegt werden können. Was also tun?


Zu Beginn der Partie offenbaren sich die Dämonen in bester Werwölfe-Manier, während alle anderen die Augen schließen. Im eigenen Zug wählt jeder Spieler eine Passagierkarte von der Hand. Jeder besitzt mindestens eine Seele, einen Dämonen sowie eine weitere Karte, die seiner „Fraktion“ entspricht – also Seele oder Dämon. Die gewählte Karte wird verdeckt in eine der beiden ausliegenden Barken gelegt. Je nach Position erhält man anschließend eine Gabenkarte und Stimmenmarker.

Sobald alle Spieler eine Karte gespielt haben, werden die Gaben in aufsteigender Zahlenreihenfolge abgehandelt. Sie erlauben Einblicke oder Manipulationen: Die Seher-Pfote lässt eine Karte einsehen, mit der Schriftrolle dürfen Karten vertauscht werden, und die Machtmünze bestimmt den Startspieler der nächsten Runde. Insgesamt gibt es vier Sets von Gaben, eines davon speziell für Partien zu viert.

Nach dem Einsatz der Gaben wird abgestimmt, welche der beiden Barken ins Jenseits geschickt wird. Zur Auswahl stehen immer eine Raben- und eine Wolfsbarke. Jeder Spieler setzt dafür seine gesammelten Stimmenmarker ein. Die gewählte Barke wird beiseitegelegt, und nach zwei weiteren Runden werden die Karten ausgewertet.


Am Ende werden die drei gewählten Barken untereinander ausgelegt und aufgedeckt. Nun zeigt sich, welche Seelen oder Dämonen den Weg ins Jenseits geschafft haben. Jede Seele bringt der Seelenfraktion einen Punkt, jeder Dämon seiner eigenen. Dazu gibt es Bonuspunkte: Seelen erhalten Punkte für andere Seelen derselben Farbe in ihrer Barke (ein Punkt bei zwei, bis zu drei Punkte bei vier gleichen Seelen). Dämonen wiederum profitieren von gleichfarbigen Seelen in unmittelbarer Nachbarschaft – horizontal oder vertikal, auch über mehrere Barken hinweg. Leere Plätze zählen dabei nicht.

Die Fraktion mit den meisten Punkten gewinnt. In Partien zu viert, sechs oder acht kommt eine weitere Rolle ins Spiel: der Chaosnarr. Dieser strebt ein ausgeglichenes Ergebnis an – keine Fraktion darf mehr Punkte haben als seine festgelegten 6,5 (bei vier oder sechs Spielern) bzw. 8,5 (bei acht Spielern). Der Chaosnarr gilt gleichzeitig als Seele und als Dämon und verschafft beiden Seiten einen Punkt, wenn er ins Jenseits gelangt.

Wer noch etwas mehr Würze möchte, kann die Mini-Erweiterung Die Stille hinzufügen. Sie bringt Ereignisse ins Spiel, die zu Beginn jeder Runde gelten – etwa, dass in dieser Runde nicht gesprochen werden darf.

Passengers erinnert mich in Grundzügen an Tempel des Schreckens, nur ist das Deduzieren hier deutlich komplexer. Während der Partie erhält man nur wenige Informationen über die verdeckten Karten. Vieles bleibt verborgen, bis zur Endwertung – und es ist gar nicht so leicht, sich zu merken, wer wo welche Karte gelegt hat. Schade finde ich außerdem, dass auch die eigene Rollenkarte im Spielverlauf ausgespielt wird. Man muss also darauf vertrauen, dass die Spieler sie am Ende korrekt auflösen oder sich zuverlässig merken, wer was war. Ich verstehe nicht, warum es dafür kein separates Marker- oder Erinnerungsteil gibt.


Grundsätzlich macht Passengers aber Spaß – vor allem dann, wenn es wie ein klassisches Deduktionsspiel gespielt wird: mit offener Kommunikation, viel Bluff und Drama am Tisch. Ich habe Runden erlebt, in denen jeder seine Züge kommentiert hat („Ich lege HIER eine BLAUE SEELE hin – schaut doch!“). Da lebt das Spiel richtig auf. In stilleren Gruppen dagegen kann es etwas trocken wirken.

Bei der Spieleranzahl bin ich zwiegespalten. Zwar funktioniert es zu viert (mit speziellen Anpassungen und einem „Schattenspieler“, der zwei Plätze übernimmt), doch der „Werwolf-Moment“ bleibt hier fast völlig aus, da nur ein Dämon im Spiel ist. Ab fünf Spielern entfaltet Passengers deutlich mehr Spannung.

Für mich ist das Spiel etwas für Spieler, die Werwölfe nicht mehr sehen können, aber die Mechanik mögen und Abwechslung suchen – oder für Fans von Tempel des Schreckens, die mehr Tiefe wünschen als nur „Falle oder nicht Falle“. Als Einstieg ins Genre halte ich es aber für zu verkopft: Zu wenige Informationen und gleich mehrere Ebenen (Seele oder Dämon und Farbanpassung) machen es Einsteigern schwer.

Etwas happig finde ich den Preis: 35 € ruft Corax Games auf. Ja, die Barken bestehen aus Tableaus und die Stimmenmarker sind aus Holz – aber das Herzstück sind nun mal Karten. 10 € weniger hätten dem Spiel gutgetan. Auch die Schachtelgröße ist gewöhnungsbedürftig und sprengt optisch jede Regalanordnung. Spielerisch allerdings darf Passengers bleiben – mir gefallen das Thema, die Optik und die Stimmung am Tisch.
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Passengers von Joost Das
Erschienen bei Corax Games
Für 4-8 Spieler in ca. 30-50 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Corax Games)
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27.08.2025

Nanolith


Es ist unfassbar lange her, laut Wikipedia war es das Jahr 1997, vielleicht aber auch etwas später. Damals, in Zeiten der CD-Rom-PC-Spiele-Zeitschriften, in der man sich nicht Let’s Plays auf YouTube anschaute (schlicht, weil es das da noch nicht gab 😉), sondern Demos von eben jenen CD-Roms spielte. Und was hab ich damals die Demo zu Final Fantasy VII abgefeiert. Und wie happy war ich, als ich dann endlich FFVII als Vollversion mit seinen unzähligen CD-Roms (ich glaube, es waren 5, aber sicher bin ich nicht mehr) endlich zocken konnte. Das ist wirklich lange her. Mittlerweile ist schon selbst das über Jahre schwelende Remake schon wieder alt und bekommt Nachfolgetitel. Die Zeit vergeht wie im Flug. Das Spielgefühl und die Optik vom alten FFVII haben sich allerdings in meine Erinnerungen eingebrannt.


Und offensichtlich nicht nur in meine. Denn Nanolith wartet mit einer Optik auf, die direkt aus Final Fantasy VII stammen könnte. Ob es nun die Cyberpunkartige Stadt ist, das Token-Design (s. Foto) oder die Orte, die auf so klingende Namen wie (Achtung, Mini-Spoiler) „Seed Center VII“ (Spoiler-Ende) lauten. Dieses Brettspiel atmet grade zu den alten Square Enix (bzw. damals noch Squaresoft!) Klassiker. Und es mag diese nostalgische Verklärtheit sein, die mich dazu verleitet, die nächsten Zeilen zu schreiben. Die gleiche Verklärtheit, die erwachsene Menschen dazu bringt, sich ein Masters of the Universe Brettspiel anzuschaffen. Dieses Gefühl, in vertraute Gefilde zurück zu kehren, in denen man sich vor langer langer Zeit sehr lange aufgehalten hat. Das muss ich hier quasi als Disclaimer vorwegschicken. Denn nüchtern betrachtet zeigt Nanolith an vielen Stellen, dass es ein Fan-Herzensprojekt, aber eben auch ein Indy-Spiel ist. Es hat seine Fehler, es hat redaktionelle Problemchen, es gibt Momente, da sagt einem das Spiel, was man tun soll und wenn man das ignoriert, gewinnt man ein Szenario in einer Runde. Aber ich bin ein totaler Fan.

Das bleibe ich auch, wenn ich mir das Setting wegdenke. Wobei das schade wäre, denn das Setting ist toll und die Atmosphäre, die hier – auch durch einen unfassbar toll gezeichneten Comic, der die Story erzählt – geschaffen wird, ist für ein Brettspiel wirklich unfassbar immersiv. Doch möchte ich hier wirklich nichts spoilern und kann nur sagen: Manchmal vielleicht kein literarischer Fantasy-Höhepunkt, aber alles in allem eine richtig coole Story, die richtig schön verpackt wurde. Ach ja, wie nostalgisch…. Aber was ich so richtig gut finde ist, dass Nanolith eigentlich wie ein Dungeon Crawler wirkt, dass es aber oftmals gar keinen Sinn macht, die kleinen Gegner umzuhauen. Denn sie spawnen fast immer direkt wieder neu und nerven eigentlich nur, kosten Zeit und Gesundheit. Viel wichtiger ist es hier, sich eine Taktik zurecht zu legen, wie man die Gegner umgehen oder auch kiten kann (sie also auf einen Charakter fokussieren lassen, der dann wie eine Karotte vor ihnen wegläuft), um das eigentliche Ziel zu erreichen. Und dieses eigentliche Ziel ist tatsächlich in jedem Szenario anders. Und ja, das fühlt sich an, wie das Umgehen der Zufallsbegegnungen in Final Fantasy VII (oder VIII oder IX oder X), nur um schneller beim Boss zu landen und die Story voran zu treiben. Und da bin ich wieder: Nostalgie pur.
Dabei finde ich es total super, dass man hier nicht auf Minis, sondern auf Acryl-Standees gesetzt hat. Minis sind bei mir immer nur graue Masse. Zwar bringt das Deluxe-Pack Miniaturen für die vier HeldInnen, aber ich spielte immer mit den Standees. Die haben wenigstens ein Gesicht. Auch wenn das abfiddeln der Folien natürlich ein absolutes Grauen vor dem Spielen war.

Aber Schluss mit Schwärmen, hin zum eigentlichen Spiel. Und wie ich schon durchklingen ließ: Ich habe Nanolith fast komplett Solo gespielt. Man kann es zwar zu viert spielen, da aber jeder der vier Charaktere eine feste Klasse und damit in jedem Szenario auch ganz spezifische Aufgaben hat, sind Spaß und Abwechslung relativ gering. Da müsste man schon die Charaktere nach jedem Szenario rotieren lassen, aber auch das ist irgendwie nicht Sinn der Sache. Zu zweit ist es ganz nett. Solo aber für mich gefühlt am besten. Dabei sollte man bedenken, dass es kein „True Solo“ ist, denn man spielt immer alle vier Charaktere. Das macht aber auch total Sinn und ehrlicherweise habe ich Final Fantasy VII damals auch „solo“ mit allen Charakteren gespielt. Wir bleiben also im Thema. Zur Story möchte ich hier ehrlich gesagt nichts spoilern, denn diese sollte man selbst erleben. Sie ist wirklich gut, bindet alle vier Charaktere ein und beleuchtet ihre Hintergründe und wird durch richtig cool gezeichnete Comics erzählt. Natürlich ist es kein literarisches Highlight, aber für ein Brettspiel dann doch schon. Bauen wir also mal auf: Wir brauchen das Szenariobuch, in dem die Comics und die einzelnen Level, die Stadtkarte (die hier als Weltkarte dient) sowie die Lobbys abgedruckt sind. Die Lobbys sind im Kern Hubs, in denen man Quests aufnehmen, einkaufen, oder anderes tun kann. Dazu brauchen wir das Kampagnenbuch, in dem die Aufbauanleitungen für die Szenarien und die Side-Quests abgedruckt sind. Dazu gibt es vier Charakterboards (in der Deluxe-Variante ebenfalls Acryl) und die diversen Karten und Token. Und dann geht es auch schon los: Story lesen, Szenario-Seite aufschlagen, Szenario aufbauen, versuchen, das Ziel zu erreichen, Belohnungen einheimsen, in die Lobby zurückkehren, Rätsel lösen oder Texte lesen, mit Quest-Gegenständen aus dem Szenario neue Szenarien freischalten, evtl. einkaufen gehen wenn möglich, die Charaktere neu ausstatten und ins nächste Szenario stürzen, das in der Regel mit einer kurzen Story beginnt.


Von den Mechaniken her erwartet uns vieles, das an einen Dungeon-Crawler erinnert. Unsere Charaktere haben Würfel, die Gegner ebenfalls. Doch funktioniert hier vieles hier etwas anders. Zunächst einmal hat jeder Charakter 5 kleine blaue Würfel. Diese dienen dazu, die möglichen Aktionen für die jeweilige Runde zu bestimmen. Alle Charaktere würfeln zu Beginn einer Runde ihren Würfelpool und müssen pro gewürfelter 1 einen Stresspunkt „erleiden“ (was aber alles andere als schlimm ist, dazu gleich mehr). Die möglichen Aktionen einer Figur werden durch ihre Fähigkeitskarten bestimmt, von denen maximal drei aktiv ausgerüstet sein können. Im Laufe des Spiels sammelt man diverse neue Fähigkeiten, die man allerdings dann auch erst mit Nanofragmenten (die hier quasi die Erfahrungspunkte aber auch die Währung im Spiel darstellen) freischalten muss, damit man sie dann nutzen kann. Schön ist, dass man ausgerüstete Fähigkeiten während eines Szenarios für einen kleinen Malus wechseln kann. Auf den drei ausgerüsteten Karten stehen Würfelkombinationen, die man mindestens „ausgeben“ muss, um eine Aktion zu triggern – zum Beispiel 2-2 für einen 2er-Pasch oder 2-3-4 für eine kleine Straße, die mit 2 beginnt. Diese Kombinationen sind Mindestwerte, statt einem 4er-Pasch kann ich also auch einen 5er- oder 6er-Pasch ausgeben. Dazu hat jeder Charakter eine Waffe, die angibt, mit welcher Würfelzahl (ebenfalls mindestens) ein Angriff gestartet werden kann. Dabei darf ich jeden Würfel um eins nach oben oder unten manipulieren – bekomme dafür aber ebenfalls einen Stress. Und jeder zweite eingesetzte Würfel gibt mir ebenfalls Stress. Erreicht mein Stresswert eine kritische Menge (das Ende der Leiste bzw. den dort wartenden Nanoshock-Marker), bekomme ich einen Nanoshock. Dieser bringt neben zwei Schaden, dass ich mein Nanoshocktoken umdrehen und damit aktivieren kann. Und diesen kann ich wiederrum einmalig für eine sehr starke Sonderaktion ausgeben. Wer jetzt – wie ich – an die Limit Breaks in Final Fantasy denkt, liegt genau richtig. Oder anders formuliert: Man will Stress bekommen, auch wenn einen das irgendwann killt. Denn mit jedem Nanoshock wird meine Stressleiste kürzer und irgendwann bringt das einen Charakter eben um. Doch zum Glück gibt es im Spiel Gegenstände, die dies verzögern können – und notfalls gibt es natürlich auch eine Phönixfeder….äh einen Nanophönix, der niedergeschlagene Charaktere wiederbeleben kann. Die Aktionswürfel haben zudem noch eine weitere Funktion. Manche Fähigkeiten haben sogenannte Nanolinks (ja, ihr merkt schon, hier ist alles Nano…), bei denen ein bestimmter grade nicht aktiver Charakter mit dem Ausgeben eines eigenen Aktionswürfels die grade stattfindende Aktion verstärken kann. Eine schöne, taktische Sache.

Der Kampf gegen die Bösen Einheiten spielt sich dann entsprechend: Fähigkeit nutzen oder normalen Angriff wählen, Kampfwürfel zusammenstellen, würfeln. Jeder Würfel, der gleich oder höher als der Verteidigungswert des Gegners gegen diesen speziellen Angriff hat, macht einen Schaden. Dabei gibt es im Spiel vier verschiedene Angriffsarten: Nahkampf, Fernkampf, Nanoshock und Hacking. Denn manchmal ist „der Gegner“ auch ein Computerterminal, das wir hacken wollen. Auch können wir mit unserer Hackerin Gegner hacken, um ihre Fähigkeiten zu absorbieren (wer hat da Bluemage gerufen?). Doch genau an diesem Punkt unterscheidet sich Nanolith sehr stark von vielen Dungeon Crawlern. Denn oftmals geht es in Dungeon Crawlern darum, alle – oder zumindest die meisten – Gegner umzuhauen, um ein Ziel zu erreichen. Hier spawnen die Gegner aber rasant neu, sodass es oftmals keinen Sinn macht, sie alle niederstrecken zu wollen. Zwar sammelt auch die Gegnerseite im Laufe einer Runde Token, die bestimmen, wie stark gespawnt wird und sofern es keine Figuren mehr gibt, bekommen unsere Helden Schaden. In der Regel ist das aber zu verkraften. Denn ein Szenario läuft (grade zu Beginn) selten länger als 3-4 Runden. Weil es eben nicht darauf ankommt, das ganze „Kleinvieh“ zu besiegen, sondern der Fokus immer auf der eigentlichen Aufgabe eines Szenarios liegen sollte. Und ja, manchmal ist die Aufgabe „besiege alle xy-Typ-Einheiten“. Aber das ist selten. In der Regel kommt es mehr darauf an, den unwichtigen Randgegnern auszuweichen (oder sie mit dem Tank zu Kiten und wirr über den Plan rennen zu lassen) und ein Szenario möglichst schnell zu beenden. Und auch das erinnert mich wieder – entschuldigt, falls ich damit langweilen sollte – an die guten alten Zeiten, in denen man von Zufallskämpfen genervt war und sich wünschte, ihnen einfach ausweichen zu können. Das konnte man in der Final Fantasy Reihe erst ab Teil 12. In Nanolith kann man es jetzt schon und Grinding ist nicht nötig.


Hier zeigt sich dann aber auch der teilweise fehlende redaktionelle Feinschliff. So gibt es beispielsweise ein Nebenszenario, in dem wir einen Boss mit einer ausgeklügelten Mechanik begegnen. Keine Angst, ich bleibe bewusst spoilerfrei: Wir müssen an bestimmten Stellen Dinge „aufladen“, damit er sich nicht heilen kann. Wir haben zwei verbundene Schadens- und Heilleisten. Bei einem Schaden rutscht der Marker auf der Schadensleiste weiter. Heilt er sich, rutscht der Marker auf die Heilleiste und dort weiter. Erreicht der Marker das Ende der Heilleiste, verlieren wir. Erreichen wir das Ende der Schadensleiste, gewinnen wir. Das oben genannte „Aufladen“ der Dinge kostet viele Aktionen. Was haben wir also gemacht? Wir haben unseren Schaden so ausgerichtet, dass wir den Boss in der zweiten Runde umgehauen haben, bevor er sich heilen konnte. Die ausgeklügelte Mechanik haben wir komplett ignoriert, denn letztlich hätte sie uns nur verlangsamt. Ob das gewollt war? Keine Ahnung. Hat es trotzdem Spaß gemacht? Ja, denn wer kennt das nicht auch von Videospielen, dass da wer weiß was erzählt wird und am Ende hilft nur stumpfes Draufhauen. Letztlich war es eine Side-Quest, also nicht schlimm. Ein wenig komisch fühlte es sich trotzdem an.

Kommen wir noch kurz zum Leveling-System, denn ein gutes Rollenspiel braucht natürlich Charakterentwicklung. Bei Nanolith haben wir drei große Bögen mit Stickern dabei. Wir kleben Sticker auf die Weltkarte, um Orte freizuschalten, Sticker auf unsere Charakter-, Waffen oder Fähigkeitskarten um unsere Werte zu verbessern sowie weitere Fähigkeiten oder Nanolinks zu erhalten. Und auch die Erfahrungspunkte/Währung (Nanofragmente) sind Sticker, die wir auf spezielle Karten kleben. Geben wir sie aus, kleben wir sie ab und kleben sie auf die Rückseite der Karte und schalten dadurch mit der Zeit auch noch etwas frei. Richtig gehört, wir kleben die Aufkleber ab und kleben sie woanders hin. Und eigentlich können wir das Spiel am Ende auch wieder komplett zurücksetzen. Möglich macht das das Stickermaterial. Denn hier wurden elektrostatische Vinylsticker verwendet statt klassischem Klebematerial. Ob man die ganzen – teilweise sehr kleinen – Sticker am Ende aber tatsächlich wieder in die Bögen puzzeln möchte, sei mal dahin gestellt. Möglich wäre es. Aber nicht nur das zurücksetzen wird ermöglicht, sondern eine spürbare Charakterprogression, denn es gibt nichts, das nicht anpassbar ist. Sogar innerhalb der Fähigkeitentexte gibt es stellen, die man überkleben kann und so wird aus beispielweise „heile 3 Gesundheit“ dann auch mal schnell ein „heile 6 Gesundheit“.

Und so ist Nanolith eben genau das, was es meiner Meinung nach auch sein will: Ein Produkt von Fans für Fans, das aber sicherlich nicht was für jeden Geschmack ist. Für mich als alten Final Fantasy Fanboy, der sich schon immer eine Brettspielumsetzung dieser Reihe gewünscht hat und der von 0815-Dungeon-Crawler-Würfelorgien mittlerweile gehört die Nase voll hat, ein richtig, richtig tolles Spiel mit schöner Story, viel Liebe im Detail und ganz viel Retro-Charme. Für mich ein absolutes Highlight des Jahres. Aber eben ein spezielles. Ein manchmal unrundes, nicht abgeschliffenes Juwel. Doch diese Ecken und Kanten verzeihe ich dem Spiel bzw. konnte ich sie sehr gut ignorieren. Das einzige, was mich ein wenig stört, ist der „Loot“, den man aus den Kisten im Spiel ziehen kann. Denn es sind relativ wenig unterschiedliche Gegenstände. Dies hat allerdings wiederrum den Vorteil, dass man immer hoffen kann, bestimmte Gegenstände zu bekommen und sich alle früher oder später durchaus sinnvoll einsetzen lassen. Trotzdem wäre manchmal ein wenig Abwechslung schön gewesen. Aber sei’s drum. Wer auch immer schonmal den Charme und das Spielgefühl von FFVII auf dem Brettspieltisch haben wollte, sollte einen Blick auf Nanolith prüfen und für sich selbst entscheiden, ob man Fan genug ist, um über die Schwächen hinweg zu sehen. Für mich persönlich ist das Spiel jedenfalls ein echtes Highlight, wobei ich eben auch weiß, dass hier ganz viel „wow, das ist ja wie…“ drin steckt.


Und noch etwas vielleicht: Ob man die Deluxe-Erweiterung wirklich braucht, vermag ich nicht zu sagen. Sie bringt vor allem – wie schon erwähnt - die Acryl-Playerboards, die cool sind, und die Miniaturen für die Helden, die ich in der Packung gelassen habe, sowie ein paar Acrylmarker und einen eigenen Spielmodus, den man in der Packung selbst spielt und der völlig Story-Befreit ist. Außerdem gibt es noch eine Prolog-Story, die wohl während der Kickstarter-Kampagne veröffentlich wurde. Aber was ich mich tatsächlich gefragt habe war, warum die Deluxe-Erweiterung das (für mich) viel coolere Cover im Vergleich zum Hauptspiel hat. Aber das ist nur ein wenig Gemecker am Rande…


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Nanolith von Marc Schwämmlein und Maximilian Witt
Erschienen bei Woodpecker Games
Für 1 - 4 Spielende in 60 - 120 Minuten ab ? Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Woodpecker Games)
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25.08.2025

Dreamteam


Ich liebe Quizspiele. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Egal ob klassisch und trocken wie Trivial Pursuit (ja, ich habe das tatsächlich freiwillig gespielt – mehr als einmal) oder ob modern und knackig wie Bezzerwizzer oder kooperativ beim Kneipenquiz – ich bin eigentlich immer dabei. Umso gespannter war ich auf Dreamteam, das drei Dinge auf einmal will: Spiel, Spaß und Scho....das ist natürlich Quark. Dreamteam will aber trotzdem "zwei in eins" sein: kompetitiv und kooperativ - und das im Kern sogar gleichzeitig. Und ich spoiler direkt: Es klappt. Und wie!


Zugegeben, beim ersten Blick in die Box war ich nicht völlig begeistert. Optisch ist das Ganze eher... naja... praktisch. Davon muss ich aber explizit die Covergestaltung ausnehmen. Denn auch wenn es eigentlich "nur" eine Collage ist, finde ich diese richtig gut gelungen. Aber dann der Inhalt: kein Spielbrett, kein Schicki-Micki, Textwüsten-Anleitung (wenn auch kurz), eigentlich nur ein Stapel Karten und ein Block. Hm, aber dafür passt das Ganze dank der kompakten flachen Packung natürlich problemlos in jeden Koffer – und das ist doch auch was. Und letztlich braucht ein gutes Spiel auch kein großartiges Tamtam. Denn Dreamteam ist ein echter Allrounder für Urlaubsabende, Familienrunden oder Nerdquiz-Nächte mit anderen Vielspielenden. Mitnehmen ist also die Devise!

Je nach Lust und Laune spielt man in Teams (geht aber natürlich auch einzeln) gegeneinander oder als Dreamteam gegen den „schlauen Fuchs“. Im kompetitiven Modus bilden wir Teams (oder eben nicht - dann ähnelt es aber natürlich stark einem klassischen Quizspiel) und beantworten über mehrere Runden hinweg Fragen. Immer 5 an der Zahl. Dabei hat jedes Team Zugriff auf Joker – und die sind wirklich clever: Ob man sich an eine fremde Antwort hängt, die eigene Punktzahl verdoppelt oder dem Klugsch*-Team einen Maulkorb verpasst – es entsteht ein schönes Hin und Her, das gleichzeitig auch Leistungsunterschiede am Tisch ausgleicht. Besonders in gemischten Runden mit Groß und Klein macht das richtig Laune.


Im kooperativen Modus hingegen arbeiten alle zusammen gegen den oben erwähnten Fuchs – der zieht auf einer Leiste nach vorn, je nachdem, wie gut oder schlecht man sich schlägt. Das kennt man so ähnlich vom Kneipenquiz, ABER: auch hier kommen Joker ins Spiel, die man taktisch einsetzen kann, wenn man z. B. doch mal keine Ahnung hat. Diese Runden fühlen sich richtig rund an: Man diskutiert, wägt ab, freut sich gemeinsam über Volltreffer – oder leidet kollektiv am Punktverlust. Teamgefühl pur.

Aber kommen wir zum Kern eines jeden Quizspiels - Mechanik hin - Mechanik her: Das Zünglein an der Waage sind letztlich immer die Fragen und deren Niveau bzw. Qualität. Und hier hebt sich Dreamteam mal so richtig aus dem Quizallerlei ab. Die Qualität ist top – keine müden 08/15-Quizfragen, sondern knackige, abwechslungsreiche Inhalte, bei denen man wirklich nachdenken, kombinieren oder auch mal einfach mutig raten muss. Super! Denn nicht immer gewinnt die wandelnde Enzyklopädie in der Ecke – auch Menschen mit Halbwissen und Bauchgefühl können hier glänzen. Das Themenfeld ist angenehm weit gestreut: Von Geschichte über Filme bis Wissenschaft, mal knackig schwer, mal angenehm leichtfüßig. Mal gucken die Jüngeren in die Röhre und denken sich "was ist das denn?" mal geht es den Älteren am Tisch so. In meinen persönlichen Quiz-Fragen-Qualität-und-Abwechslungsreichtum-Charts rangiert Dreamteam direkt unterhalb vom Quiz Club.


Klar, Dreamteam wird keinen Designpreis gewinnen und seine Tischpräsenz wird Quiz-Skeptiker/innen auch nicht auf den ersten Blick umstimmen. Aber mal ganz ehrlich: Es macht wirklich richtig viel Spaß und bringt frischen Wind in die Quizspielwelt. Jetzt hoffe ich nur, dass das Spiel bald mit vielen schönen Erweiterungen angereichert wird – denn die 700 beiliegenden sind zwar ordentlich, aber ich weiß jetzt schon: Dreamteam kommt bei uns noch oft auf den Tisch! Für mich eines der besten Quizspiele der letzten Jahre!

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Dreamteam von Lukas Setzke, Martin Student, Verena Wiechens
Erschienen bei Noctis
Für 1 - 40 Spielende in 15 - 45 Minuten ab 14 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Noctis)
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20.08.2025

Fischfutter




Wer beim Titel „Fischfutter“ denkt, es ginge darum, kleine süße Fischlein in einem Aquarium zu füttern, den muss ich leider enttäuschen. Vielmehr sind wir, die Spieler, das potenzielle Fischfutter – für einen Haufen Piranhas, die sich in einem Teich tummeln. Und da wir wagemutige Spieler sind, springen wir natürlich in diesen Teich hinein und hoffen, dabei kein allzu großes Interesse zu wecken.

In diesem schnellen Kartenspiel von Michael Modler, dem wir auch Cabanga! verdanken, spielen 2–5 Spieler ab 8 Jahren für etwa 15 Minuten. Gespielt wird mit doppelseitigen Karten, die auf beiden Seiten Piranhas in verschiedenen Farben zeigen. Es gibt insgesamt vier Farben, und pro Karte sind sieben Piranhas abgebildet – jedoch auf Vorder- und Rückseite verteilt. Befinden sich also auf einer Seite sechs Piranhas, dann ist auf der Rückseite nur einer.


Diese Info ist wichtig – ebenso wie die Farben auf den jeweiligen Seiten. In meinem Zug spiele ich eine Handkarte aus und entscheide mich für eine der beiden Seiten. Liegen von der gewählten Farbe bereits Piranhas im Teich aus, werden diese umgedreht (nicht jedoch die gerade gespielte Karte). Danach prüft man, ob eine Farbe insgesamt auf zehn oder mehr Piranhas kommt. Ist das der Fall, bildet sich ein Schwarm – und der greift uns an!

10–11 Piranhas verursachen 1 Schaden,
12–13 Piranhas verursachen 2 Schaden,
ab 14 Piranhas gibt es 3 Schaden.

Und wir haben nur fünf Pflaster – sprich: fünf Lebenspunkte.


Verliert ein Spieler alle seine Pflaster, gewinnt der Spieler mit den meisten verbliebenen Pflastern. Wir haben in manchen Runden auch die Variante „Last Man Standing“ gespielt – was aus moderner Sicht natürlich „Player Elimination“ bedeutet, aber bei einem 10-Minuten-Spiel durchaus verkraftbar ist.

Wer möchte, kann Fischfutter auch kooperativ spielen. Dabei darf pro Runde eine Farbe bestimmt werden, von der potenzielle Angriffe abgewehrt werden können. Ziel ist es, so viele Karten wie möglich in den Teich zu bekommen, ohne dass ein Angriff erfolgt.


Fischfutter ist also ein schnelles Kartenspiel mit Memory-Element, denn bei der Wahl der Kartenseite ist es hilfreich, sich zu merken, was sich auf den Rückseiten verbirgt. Viele würden das Spiel als „Cosy Game“ bezeichnen – auch wenn das Thema selbst nicht gerade „cosy“ ist, empfand ich den Ablauf als angenehm ruhig. Ich hätte mir insgesamt etwas mehr Einfluss gewünscht. Da man immer nur eine Karte auf der Hand hat, kommt es manchmal vor, dass beide Seiten eher ungünstig sind. Mit zwei oder drei Karten auf der Hand könnte etwas mehr Taktik ins Spiel kommen.

Spannend finde ich die Entscheidung, dass jede Karte immer genau sieben Piranhas zeigt. Ich frage mich, warum das so sein musste? Etwas chaotischer – und vielleicht auch lustiger – wäre es mit zufälligeren Kombinationen oder sogar mit gemischten Farben auf einer Seite gewesen.Aber wie ihr seht: Wenn ich mir solche Gedanken mache, hat mir das Spiel eigentlich ganz gut gefallen – auch wenn ich noch etwas Luft nach oben sehe. Übrigens: Ich sehe den Sweet Spot eher bei vier oder fünf Spielern als bei zwei oder drei. Denn solche schnellen Kartenspiele leben für mich auch ein Stück weit vom kontrollierten Chaos.


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Fischfutter von Michael Modler
Erschienen bei AMIGO
Für 2-5 Spieler in ca. 15 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier AMIGO)
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15.08.2025

Schatz des Phönix


Beim dem Titel Schatz des Phönix der Autorenlegende  Reiner Knizia handelt es sich um ein kartenbasiertes Mehrheitenspiel für 2-6 Personen. Das Spiel richtet sich an Familien und Gelegenheitsspieler*innen und lässt sich in etwa 30 Minuten spielen.

 


Jede Partie Schatz des Phönix geht über drei Durchgänge. In diesen Durchgängen werden pro Person jeweils sechs Zahlenkarten ausgespielt und danach Schatzplättchen mit verschiedenen Wertigkeiten vergeben. Am Ende gewinnt wer die höchste Summe der addierten Schatzplättchenwerte erreicht. Angespielt werden die Zahlenkarten an drei Nestplättchen. Jede mitspielende Person hat pro Nest eine Seite an welche sie genau zwei Zahlenkarten im Laufe eines Durchganges anlegen wird. Zu Beginn jedes Durchganges werden die Nester mit zufälligen Schatzplättchen der Werte 2-10 bestückt. Über die Anzahl der platzierten Schatzplättchen skaliert das Spiel auf die Anzahl der Spielenden. Durch diese zufällige Bestückung werden die Nester unterschiedlich attraktiv im Hinblick auf den Wettbewerb um diese.

 


Am Zug spielt man eine Zahlenkarte an ein Nest an und zieht dann sogleich offen oder verdeckt nach. Die Karten haben Werte von 2-7 sowie fünf verschiedene Farben. Weiterhin gibt es Farbjoker und Verdopplungskarten. Man ist bemüht an ein Nest möglichst zwei Karten mit gleicher Zahl sowie gleicher Farbe anzuspielen. Dann bilden die Karten nämlich zusammen einen zweistelligen Zahlenwert. Bspw. hätte man bei zwei grünen Dreien eine 33. Gibt es nur eine Übereinstimmung, so werden die Zahlenwerte der Karten addiert. Am Ende eines Durchganges wird verglichen und die Schatzplättchen entsprechend der an den Nestern erreichten Werte vergeben. Die Person mit dem höchsten Wert darf dann folglich als erstes zugreifen und die anderen folgen entsprechend ihrer erreichten Zahlenwerte.  Ungünstig ist, wenn man gar keine Übereinstimmung schafft, dann zählt nur der höchste angelegte Kartenwert und man hat im Grunde keine Chance auf ein Schatzplättchen. Die Verteilung der Karten ist so, dass es pro Farbe jede Zahlenkarte zwei Mal gibt. Einzig die 7 gibt es nur einmal.

 


Beim Nachziehen der Karten kann man immer zwischen dem verdeckten Nachziehstapel und einer offen ausliegenden Karte wählen. Man startet jeden Zug mit fünf Handkarten. Die Kunst bei der Schatz des Phönix ist es mit den Handkarten irgendwie gute Kartenpärchen an den Nestern auszuspielen und dabei abzuwägen zwischen dem Reiz eines hohen Schatzplättchen und der möglicherweise weniger großen Konkurenz an einem Nest mit kleineren Schatzplättchen. In den weiteren Durchgängen wird man zudem dann auch eher in Konkurenz zu den aktuell führenden Mitspielenden gehen. So zumindest das Spielkonzept in Theorie. Meines Ermessens spielt der Zufall bei der Schatz des Phönix jedoch eine sehr entscheidende Rolle. Man hat einfach sehr wenig Einfluss darauf welche Zahlenkarten man hat oder bekommt. Demensprechend spielt sich die Hand dann teilweise fast automatisch.

 


Sehr positiv hervorheben möchte ich die grafische Gestaltung der Karten. Jeder Kartenfarbe stellt einen Ausrückstungsgegenstand dar, welcher zum Plündern der Phönixnester genutzt wird. Schilder, Schwerter, Rucksäcke, Rüstungen und Seile unterscheiden sich bei den Zahlenwerten und sind thematisch passend bei höhreren Zahlenwerten auch optisch als wertigere Ausrüstungsgegenstände zu erkennen. Hier hat Grafiker Marco Armbruster feine Arbeit geleistet. Abseits dieses Details fühlt sich der Schatz des Phönix eher unthematisch an und hätte bei einem anderen Verlag wie NSV auch sicher komplett ohne Thema erscheinen können. Warum es für die Plünderung eines Nestes besonders gut sein soll zwei identische Schilder auszulegen, ist thematisch aber wohl nicht ganz einfach zu begründen. Eine Stärke des Spieles ist weiterhin seine Niederschwelligkeit. Die Spielregeln sind sehr eingängig und in wenigen Minuten erklärt. Die Spielzüge und Handlungsmöglichkeiten sind zudem sehr klar, so dass sich auch Wenigspieler*innen schnell zurecht finden. Für Freunde von Familienspielen, welche Zufallselemente nicht vergraulen, kann ich den Schatz des Phönix durchaus empfehlen. Gut eignet sich der Titel auch für größere Runden bis zu sechs spielenden Personen. Das Spiel skaliert auf die Anzahl der Mitspielenden mit sehr einfachen aber wirksamen Mitteln und funktioniert dementsprechend in kleinerer wie größerer Runde vergleichbar gut. Erfahrene Spieler*innen werden mit etwas steuerbareren Kartenspielen aber sicher mehr Freude haben.

 

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Schatz des Phönix

Autor: Reiner Knizia

Erschienen bei Amigo

Für 2-6 Spieler*innen ab 8 Jahren.

Spieldauer etwa 30 Minuten


Sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (Amigo)












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13.08.2025

6 nimmt! Baron Oxx

                                   

6 nimmt! ist ein Klassiker unter den Kartenspielen und gehört neben Bohnanza und Wizard zu den Dauerbrennern im Portfolio von Amigo. Wolfgang Kramer ist der Erfinder dieses Spiels, bei dem es darum geht, Zahlenkarten geschickt zu legen, um möglichst nicht die sechste Karte in einer Reihe zu werden. Hin und wieder muss man dabei tatsächlich seine Grundschulkenntnisse in Subtraktion auffrischen, um zu erkennen, in welche Reihe eine Karte gelegt werden muss.

Nun bringt Amigo eine neue Variante dieses Klassikers heraus: Baron Oxx. Interessanterweise hat sich Wolfgang Kramer hierfür Unterstützung von seinem „Azul“-Partner Michael Kiesling geholt. Gespielt werden kann mit 2 bis 10 Spielern ab 8 Jahren (ich persönlich denke, schon ab 6 Jahren ist es gut machbar). Eine Partie ist mit etwa 30 Minuten angesetzt, lässt sich aber flexibel durch Rundenanzahl oder Zielwerte anpassen.

                               

Die Grundidee bleibt zunächst dieselbe wie beim klassischen 6 nimmt!: Jeder Spieler hat einen persönlichen Kartenstapel und zieht davon vier Karten auf die Hand. Diese werden dann reihum ausgespielt, bevor vier neue gezogen werden.

In jeder Runde wählen alle Spieler eine Karte und legen sie verdeckt vor sich ab. Danach werden alle Karten gleichzeitig aufgedeckt und in aufsteigender Reihenfolge in eine der fünf Reihen auf dem Tisch gelegt. Wer das Original kennt, denkt jetzt: „Klar, das ist doch einfach 6 nimmt!“. Doch jetzt kommt der Clou – und der dürfte besonders alle Mathe-Muffel erfreuen: In dieser Variante muss nicht mehr gerechnet werden, in welche Reihe eine Karte gehört. Stattdessen stehen die Hornochsen in verschiedenen Farben im Mittelpunkt.

Es gibt sechs verschiedene Farben dieser Hornochsen, die mal einheitlich, mal gemischt auf den Karten abgebildet sind. Eine Karte mit grünen Hornochsen muss beispielsweise in eine Reihe gelegt werden, bei der die am weitesten rechts liegende Karte ebenfalls einen grünen Hornochsen zeigt. Ist es die sechste Karte in der Reihe, muss man – wie gewohnt – die fünf liegenden Karten aufnehmen. Je nach Anzahl der Hornochsen auf den Karten erhält man entsprechende Strafpunkte. Am Ende verliert der Spieler mit den meisten Strafpunkten, sobald alle ihren persönlichen Stapel durchgespielt haben.

                               

Der titelgebende Baron Oxx ist eine Art Joker und kann in jede Reihe gelegt werden – bringt jedoch auch besonders viele Strafpunkte mit sich, wenn man ihn behalten muss.

Was soll ich sagen? Ich bin ein großer Fan des Klassikers, hatte aber immer wieder Schwierigkeiten, andere – zum Beispiel meine 12-jährige Tochter – dafür zu begeistern. Häufige Reaktion: „Da muss man doch so viel rechnen, oder?“ Und ja, das stimmt. Nun gibt es mit Baron Oxx eine Variante, die man direkt im Anschluss hervorholen kann, um zu sagen: „Warte, ich hab da was für dich!“ Und für mich hat sie den gleichen Reiz wie das Original – nur eben deutlich weniger kopflastig. Meine Kinder jedenfalls waren sofort begeistert und haben dadurch auch wieder Lust auf 6 nimmt! bekommen. Baron Oxx sorgte bei uns für genau die gleichen Emotionen und kleinen Ärgernisse wie das Original. Daher eine klare Empfehlung – für alle Fans, die eine frische Abwechslung suchen, oder für diejenigen, die mit Mathematik auf Kriegsfuß stehen, aber trotzdem Spaß an strategischem Kartenspiel haben. Danke, Amigo – und danke an Kramer und Kiesling!

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6 nimmt! Baron Oxx von Michael Kiesling & Wolfgang Kramer
Erschienen bei AMIGO
Für 2-10 Spieler in ca. 30 Minuten ab 8 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier AMIGO)

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