29.11.2019

Amul


Im 10. Jahrhundert war Amul eines DER Knotenpunkte der Seidenstraße und somit ein immens wichtiger Umschlagsplatz, doch stets brodelte es zwischen den Arabern und den Mongolen. Die Mongolen zerstörten dann Anfang des 13. Jahrhunderts dann auch den Ort, so dass es heute kaum einem noch bekannt ist. In Amul vom Pegasus (im Original von Lautapelit.fi) verkörpern wir jeder einen Händler in dieser umtriebigem Stadt und versuchen durch geschicktes Tauschen und Handeln unserer Karten, so viele Punkte wie möglich zu erhalten. Das tolle schon vorweg: bis zu 8 Spieler können mitspielen, 3 sollten es mindestens sein. Altersvorgabe ist 10 Jahre und eine Partie dauert ca. 30-60 Minuten, je nach Spieleranzahl. 


[AUFBAU]

Zu Beginn müssen wir je nach Spielerzahl evtl. ein paar Karten aussortieren, dies können wir jeweils an der unteren, rechten Ecke der Karte erkennen. Dann legen wir den Spielplan in die Tischmitte, der uns drei Bereiche vorgibt: Palast, Bazar und Markt. Vor die Palastseite legen wir die benötigten Palastkarten offen aus. Das selbe machen wir mit den Bazarkarten vor der Bazarseite. Die Marktkarten mischen wir einfach und legen diese verdeckt in den Marktbereich. Von den Marktkarten erhält jeder Spieler 5 auf die Hand und hält diese vor seinen Mitspielern geheim. Dann gibt es noch für jeden eine Übersichtskarte und wir bestimmen den Startspieler, der zeitgleich die Rundenzählerkarte und die "Erste Wahl"-Karte erhält. Beachtet bitte, dass jeder Spieler ein wenig Platz vor sich benötigt um gespielte Karten auszulegen. Los geht's...


[ABLAUF]

Amul spielt sich über 9 Runden und jeder Runde besteht aus 3 Phasen. Wir beginnen mit der Auffüllphase, hier zieht jeder 1 Karte vom Marktstapel, so dass man 6 Handkarten hat. Je nach Spielerzahl werden 1-3 Karten offen vom Marktstapel in den Markt gelegt. 

Weiter geht es mit der Kartenphase. Jeder Spieler wählt 1 Handkarte und legt diese verdeckt in den Markt, sobald jeder eine Karte gespielt hat, werden sie aufgedeckt. Der Spieler mit der "Erste Wahl"-Karte nimmt sich nun als Erster 1 Karte aus dem Markt, im Uhrzeigersinn folgen die Mitspieler. Im Laufe des Spiels erhalten Spieler durch gewisse Karten eine Militärische Stärke, welche die Reihenfolge beeinflussen kann. Von den nun wieder 6 Handkarten wählt jeder Spieler eine aus und legt diese verdeckt in seinen Spielbereich, sind alle fertig damit, deckt man sie auf. 
Die Karten haben jeweils ein Tisch- oder ein Hand-Symbol (es gibt auch Karten mit beiden!), in dieser Phase will man Karten mit dem Tisch spielen, denn nur diese dürfen vor euch liegen bleiben und bringen ggf. Siegpunkte. Spiele ich in dieser Phase eine Karte, die nur ein Hand-Symbol hat, kommt die Karte aus dem Spiel. 
Es gibt auch Karten mit einem Sofort-Effekt, der nun ausgeführt wird. Sofort-Effekte lassen uns immer Karten aus der Palast- oder Bazar-Auslage nehmen, nur so kann ich an diese Karten kommen! Haben mehrere Spieler einen Sofort-Effekt, startet der Spieler mit der "Erste Wahl"-Karte, im Laufe des Spiels kann dies ebenfalls durch die militärische Stärke beeinflusst werden.
Bei Rundenende, kommen die noch ausliegenden Marktkarten aus dem Spiel und die "Erste Wahl"-Karte wandert im Uhrzeigersinn weiter. Die Startspielerkarte bleibt wo sie ist, bis zum Ende des Spiels!


Ein Wort noch zur Militärischen Stärke: diese kommt erst zum Tragen, wenn jeder Spieler einmal die "Erste Wahl"-Karte hatte, heißt ab sofort darf der Spieler mit der größten militärische Stärke zuerst wählen, dann der mit der zweitgrößten usw.. Wie erwähnt hat das dann auch Einfluss bei der Durchführung der Sofort-Effekte! 

Nach 9 Runden endet das Spiel und jeder Spieler legt nun noch die Handkarten mit einem Hand-Symbol offen in seinen Spielbereich und eine Gesamtwertung wird durchgeführt. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt das Spiel. 

Wie bekomme ich Punkte? Das ist von den Karten abhängig, die ich im Laufe des Spiels gesammelt habe und die alle irgendwie in Relation stehen. Es gibt Karten die geben mir einfach Punkte oder sie geben mehr Punkte wenn andere Karten bei mir, oder sogar bei meinen Nachbarn ausliegen. Bei manchen Karten muss man mehrere Exemplare sammeln, bei anderen wiederum sollte man bestimmte Karten nicht bei sich haben, andere beziehen sich auf Karten, die nur bei den Mitspieler liegen und und und. Im Spiel ist ein Beiheft dabei, welches jede Kartenart noch mal detaillierter erklärt (es ist dicker als die Anleitung ;-)). 


Zur Wertung steht uns glücklicherweise ein Wertungsblock zur Verfügung, welchen wir abhandeln und damit einen Sieger finden. Bei Punktgleichstand entscheidet, ihr könnt es euch denken, die militärische Stärke über Sieg und Niederlage.

[VARIANTE]

In einem Spiel ohne diese Variante, kommen ALLE Karten ins Spiel, so dass erfahrene Spieler auf bestimmte Karten spekulieren können, um dies ein wenig zu unterbinden kann man die Tee-Variante spielen. Hierfür mischt man einfach Teekarten in Höhe der Spieleranzahl in den Marktstapel und legt die "Teehändlerin" offen zu den Bazarkarten. So sollten bei Spielende so viele Karten übrigbleiben, wie ihr Tee-Karten hinzugegeben habt. 

[FAZIT]

Amul spielt sich äußerst fluffig, wie man so schön sagt. Die Mechanik selbst ist recht simpel: Karten auslegen, Karten nehmen und dann wieder eine Karte auslegen. Das Ziel ist Set-Collection wie es im Buche steht und bringt einen schönen Kniff mit sich, durch die Tisch- und Hand-Karten. 


Das Spielerlebnis verändert sich allerdings durch die Spieleranzahl. Bei 3-5 Spielern spielt es sich taktischer, man hat mehr Chancen einen Überblick zu behalten, was die anderen Mitspieler für Karten auslegen und versuchen zu sammeln. Bei 6-8 Mitspielern ist das fast schon unmöglich, gerade bei 8 Spielern weiß ich auch nicht was für einen Tisch man haben muss, damit jeder die Karten normal auslegen kann. Ihr merkt schon zu acht habe ich es gar nicht probiert, mir fehlt dafür schlicht der Platz. Dazu kommt noch ein weiteres Manko, gerade bei 8 Spielern, und zwar die Militär-Karten, die Einfluss auf den "Erste Wahl"-Spieler haben. Vorgegeben wird, dass dies erst benutzt wird, wenn JEDER einmal die "Erste Wahl"-Karte hatte, da man immer 9 Runden spielt, gibt es nur 1 Runde, in der die militärische Stärke eine Auswirkung hat, da diese Karten kaum Siegpunkte bringen, hat es eigentlich nur wenig Sinn diese Karten in seine Auslage zu legen. Das ist schade, bringt es ja doch eine ordentlich taktische Komponente ins Spiel, die gerade bei 3-5 Spielern über die Hälfte der Runden bestimmt. Hier hätte es evtl. geholfen bei mehr Spielern die Rundenanzahl anzupassen oder eine Vorgabe zu geben, dass die Militärkarten nicht mitspielen bzw. nur wenn man will. 


Ansonsten hat es sich in meinen Runden immer gut und flott gespielt, es erfindet das Rad sicherlich nicht neu, aber das was es tut, tut es gut. Hat man Lust auf Set Collection, gerade auch mal in größeren Runden, ist Amul sicherlich einen Blick wert und keineswegs ein Fehlkauf. Es schreit auch ein wenig nach weiteren Erweiterungen, da kann man sicherlich noch einiges dazu tun. Die Endwertung kann sich zwar ein wenig in die Länge ziehen und ist auch nicht immer so einfach, aber für mich war es auch immer ein spannender Moment und so störte es mich nicht so, aber unerwähnt möchte ich es auch nicht lassen.


Die Qualität des Materials ist guter Standard, für mich hätte es nicht unbedingt noch dieses kleine Spielbrett geben müssen um die drei Bereiche einzugrenzen, aber es schadet auch nicht. Bei kleineren Runden ist es Schade, dass man nicht alle Karten zu Gesicht bekommt, gerade beim Spiel zu dritt, verbleibt die Hälfte der Karten in der Schachtel. Denn nebst ganz anderen Effekten, sind die Karten allgemein sehr schön illustriert. Mich spricht diese Optik total an! Der Preis von ca. 25€ ist ok, hätte vielleicht auch 5-10 € weniger sein können, wenn man bedenkt, dass es eigentlich ja nur Karten sind, dafür gibt es in der Schachtel noch einen schönen Einsatz in dem man die Karten nach Spieleranzahl trennen kann und somit immer passend die Karten herausnehmen kann. Super!

Wie gesagt, das Spiel wird die Welt nicht verändern und die Brettspielszene auf den Kopf stellen, bringt aber super solide Kost mit. Sich zu überlegen, auch welche Art von Sammlungen man sich konzentriert, bringt mir Spaß, auch der spannende Moment, wer welche Karte aus der Auslage nimmt, gefällt mir. Alles in allem also ein grundsolides Spiel, welches ich häufiger auf den Tisch bringen werde, gerade zum Auftakt eines längeren Spieleabends.



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Amul von Remo Conzadori und Stefano Negro
Erschienen bei Pegasus
Für 3 bis 8 Spieler in ca. 30 Minuten
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Pegasus)


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27.11.2019

Raccoon Tycoon


Eine Fuchsdame und ein flauschiger Kater, allesamt in Kleidern aus dem Gilded Age, Dollarnoten mit Dachsporträt und eine übergroße Holzfigur eines putzigen Waschbären; der Inhalt von Raccoon Tycoon lässt nicht gerade darauf schließen, dass es sich hier um ein Stock-Market Spiel handelt. Wer jetzt aber denkt, Raccoon Tycoon sei ein trockenes Wirtschaftsspiel mit einem zusammenhangslos aufgemalten Thema, hat in einer Hinsicht recht, das Tierthema ist tatsächlich ein auswechselbarer Platzhalter, das Spiel aber ist Bombe!

In Raccoon Tycoon spielen wir Aktionäre, die mittels Warenverkauf und Marktkapitalisierung große Gewinne erzielen möchten, um sich Eisenbahnen zu ersteigern, Städtchen zu bauen und am Ende die meisten Siegpunkte davontragen. Das klingt alles etwas kompliziert und vor allem nach altem Schuh, aber glaubt mir, die Mechanik von Raccoon Tycoon macht daraus etwas Einzigartiges.


Der Spielplan von Raccoon Tycoon hat vier Segmente: Ganz oben finden sich diverse Güter, wie Holz oder Eisen, wieder, die sich auf einer Leiste befinden, die den Wert der jeweiligen Ware angibt. Dieser Wert steigt aufgrund von Angebot und Nachfrage. Links darunter liegen Eisenbahnunternehmen aus, die im Laufe des Spiels ersteigert werden können. Diese Unternehmen bringen und am Ende Siegpunkte und sind daher sehr begehrt. Außerdem bekommen wir Extrapunkte, wenn wir Sets sammeln, also die gleichen Eisenbahnkarten. Rechts neben den Eisenbahnen kann man Stadtkarten kaufen, dafür muss man entweder Geld oder eine bestimmte Ressource ausgeben. Und unter dem Spielbrett liegen Gebäudekarten, die einem Boni geben, wie z.B. einen Rabatt beim Bieten auf Eisenbahnen oder das Erhöhen des Handkartenlimits.


Die Handkarten benutzt ihr, um gleichzeitig Waren zu erhalten, also zu produzieren und den Marktwert einzelner Waren zu erhöhen. Dafür unterteilt sich eine solche Handkarte in zwei Bereiche. Im unteren Bereich seht ihr die Waren, die ihr produzieren könnt, dabei sind oftmals mehr Waren abgebildet als ihr erhalten werdet. Ihr müsst euch hier für drei der Waren entscheiden, es sei denn ihr habt ein Gebäude, dass auch diese Regel verändert, dann dürft ihr auch bis zu vier oder sogar fünf Waren produzieren. Im oberen Bereich der Karte werden die Waren abgebildet, die durch das Ausspielen der Karte im Wert steigen. Wenn eine Ware im Wert steigt, bewegt man diese einfach die entsprechende Anzahl an Feldern nach oben. Dabei unterscheiden sich Waren in ihren Grundwerten, während Holz oder Weizen mindestens 1$ und höchstens 12$ Wert sein können, sind Luxusgüter mindestens 3$ und maximal 14$ wert. Verkauft man eine Ware, sinkt diese automatisch, um die verkaufte Anzahl, an Feldern, im Wert. 


Ein Spielzug besteht aus genau einer von fünf möglichen Aktionen. Entweder ihr spielt eine Karte, verkauft Güter, kauft Gebäude, kauft eine Stadtkarte oder bietet auf ein Eisenbahnunternehmen. Letzteres funktioniert so, dass der aktive Spieler ein Startgebot abgibt und dann reihum so lange überboten wird, bis nur noch ein Spieler übrigbleibt. Dieser Zahlt die entsprechende Summe an die Bank und erhält die Eisenbahnkarte. Neben den Siegpunkten, hat eine Eisenbahnkarte die Funktion, eine Stadtkarte auslegen zu können, um die darauf abgebildeten Siegpunkte am Spielende zu erhalten; ohne Eisenbahnkarte ist eine Stadtkarte also wertlos. Wenn der Spieler, der eine Auktion eingeleitet hat, die Auktion nicht gewinnt, darf er sich erneut für eine der fünf Aktionen entscheiden. 

Zum Schluss werden Siegpunkte addiert, dabei zählen auch Gebäude als Punkte und der Spieler mit den meisten Punkten ist der Gewinner.


Aktien, Spekulationen, Auktionen, Angebot und Nachfrage. Wenn mir einer gesagt hätte, dass alle genannten Begriffe nötig seien, um zu beschreiben, worum es in Raccoon Tycoon geht, hätte ich das Spiel vermutlich nie angefasst… Und damit wäre mir eines der besten Spiele des Jahres entgangen!
Ich nehme es vorweg: Raccoon Tycoon ist ein ganz besonderes Spiel, angefangen bei der Optik bis hin zum Spielgefühl, welches sich durch ein gut durchdachtes und einfaches System auszeichnet. 
Da man in seinem Zug eine recht überschaubare Auswahl an Aktionen hat, fühlt man sich zu keinem Zeitpunkt überfordert, gleichzeitig erkennt man aber viele Wege, die einem zur Verfügung stehen und zum Sieg führen könnten, oder zumindest zu Punkten. 


Der Clou bei Raccoon Tycoon besteht darin, den richtigen Zeitpunkt für das Ausspielen der Karten, dem Verkaufen von Waren und dem Bieten auf Eisenbahnen abzuwarten. Haben beispielsweise ich und einer meiner Gegner viele Luxusgüter, entsteht gleich eine Spannung untereinander, da man natürlich derjenige sein möchte, der diese Waren zum höchsten Preis verkauft und den anderen Spieler auf den nun weniger wertvollen Gütern sitzen lässt. Diesen Zeitpunkt aber abzuschätzen ist äußerst spannend und erfordert immer einen Plan B. Auch das Bieten auf Eisenbahnen ist eine Mechanik, die durch die gute Spielbalance immer oder fast immer zum Erfolg führt. Entweder locke ich meine Gegner in einen teuren Kauf oder biete gerade so viel, dass es sich für diese nicht lohnt mit einzusteigen, wenn die Gelddifferenz stimmt, oder ich überlasse meinem Gegner die Karte, kann dafür in der nächsten Runde eine neue Eisenbahn zum Günstigen Preis ergattern, wenn keiner mehr genug Dollars aufbringen kann. Auch in einem zwei Spieler Spiel funktioniert das Bieten hervorragend, und das ist bei ähnlichen Spielen nur selten der Fall. Das Beste an Raccoon Tycoon ist die Tatsache, dass alles was man in seinem Zug tut, direkt oder indirekt, die Gegner beeinflusst. Dieses Spiel hat einen sehr hohen Interaktionsfaktor und zwingt einen stets und ständig dazu am Spielgeschehen teilzunehmen, auch wenn man gerade nicht am Zug ist. Dafür sorgen alle Mechanismen, die so gut miteinander verzahnt sind, dass keine Aktion aufgezwungen oder künstlich erscheint. Der Spielfluss bleibt somit erhalten und bis zum Ende immersiv. 


Klar, das Thema ist ersetzbar und das Papiergeld, das aber aus einem hervorragenden Material ist, nervt, da man zum einen nicht sehen kann, wie viel Geld die anderen haben, wenn diese ihre Batzen stapeln und zum anderen die Haptik an Pappmünzen nicht herankommt, aber das sind auch die einzigen Kritikpunkte, die ich habe. 

Glenn Drover hat mit Raccoon Tycoon ein Spiel erschaffen, dass meiner Meinung nach ein Klassiker werden könnte. Die Regeln sind leicht, das Spielgeschehen spannend und interaktiv. Egal ob als Gate Way Game oder für Vielspieler, Raccoon Tycoon sollte man gespielt haben. Einfach nur Hammer!
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Raccoon Tycoon von Glenn Drover
Erschienen bei Forbidden Games
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 90 Minuten
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Forbidden Games)

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25.11.2019

Imperial Settlers: Roll & Write


Zutaten: Man nehme eine Hype-Mechanik des letzten Jahres, vermische dies mit einem beliebten Thema und lasse es von einem Kultautor servieren. Fertig ist ein wunderbares Brettspiel.

Dieses Rezept funktioniert vor allem dann, wenn der Autor Ignazy Trzewiczek heißt und sein beliebtes Imperial-Settlers-Thema mit einem Roll & Write verbindet. Heraus kommt dann ein wirklich schönes Spiel, mit vertrauter Grafik und einer Mechanik, die irgendwie bekannt und doch so anders ist. Doch nun im Detail zu diesem 2019 von Portal Games verlegtem und hierzulande von Pegasus vertriebenem Spiel:


Die Grundmechanik eines Roll & Write ist – wer hätte es gedacht – zu würfeln und das Beste daraus zu machen. Anders als bei vielen anderen R&W-Titeln, würfelt man hier aber nicht für sich, sondern ein Wurf zählt für alle. Das mindert das ‚Unfair‘-Gefühl ungemein, da ein schlechtes Ergebnis nun von allen Spielern verarbeitet werden muss. Dabei verläuft das Spiel über zehn Runden in jeweils vier oder fünf Phasen. Vier Phasen werden für den Einstieg empfohlen, ich widme mich jedoch direkt der fünfphasigen Fortgeschrittenen-Variante, da ich diese als deutlich besser und nicht wirklich schwerer empfinde. 

Schritt 1: Der Startspieler würfelt die drei Rohstoff- und den einen Aktionswürfel. Alle starren auf das Ergebnis und der Kopf beginnt zu arbeiten.

Schritt 2: Reihum darf sich nun jeder Spieler ein Gunstplättchen nehmen, welches für diese Runde einen persönlichen, individuellen Vorteil parat hält.


Schritt 3: Reich erweitern. Dies geschieht gleichzeitig und daher ist es auch fast egal, ob man das Spiel zu zweit oder zu viert spielt, e dauert nicht wesentlich länger. Diese Phase ist das Kernelement des Spieles, denn die Spieler kreuzen nun mit den verfügbaren Ressourcen Felder in ihrem Reich oder ihrem Dorf ab. Zu den Bögen kommen wir im Detail etwas später. Dabei ist grundsätzlich jedes Kreuz eine Aktion.

Schritt 4: Auf dem im Reich gewonnenen Bauplatz können nun Gebäude errichtet werden. Dafür werden Felder für einen entsprechenden Grundriss umrandet. Dies wiederum steigert die Effektivität meines Dorfes.

Schritt 5: Dieser läutet nun das Rundenende ein, die Gunstplättchen gehen wieder in die Tischmitte und der nächste Spieler wird Startspieler. Ab hier wiederholt sich alles.


Einige Erwähnungen oben mögen verwirrend geklungen haben, die klären sich nun beim genauen Betrachten der Bögen. Im Spiel enthalten sind drei Blöcke: Ein Reichbogen, ein Dorfbogen und ein Abenteuerbogen.

Der Reichbogen besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: den oberen Bauwerkreihen und dem unteren (grünen) Erntebereich. Die vier Reihen symbolisieren dabei die Mauern, die Hütten, den Kornspeicher und die Brücken. Einzig die Brücken kann man im unteren Erntebereich dann wirklich errichten. Die anderen Reihen dienen letztlich nur dem Schaffen von Bauplatz für Schritt 4 sowie dem Erlangen von Punkten. In der Abrechnung zählt hier dann der höchste Wert von rechts, daher darf man nur von links anfangen mit ankreuzen. Im Erntebereich kann man für einen Aktionspunkt Ressourcen abkreuzen, welche man dann wieder im Bauwerkebereich oben oder im Dorf verbauen kann.


Der Dorfbogen bietet vor allem Vorteile für den Spieler. Dafür muss das entsprechende Haus aber gebaut werden. Die Kosten sind den drei Feldern links zu entnehmen. Dabei ist ein leeres Feld schlicht mit einem Aktionspunkt, jedoch ohne extra Ressourcenkosten gestrichen werden. Sind alle Felder gestrichen, entfaltet sich die Aktion in der nächsten Runde. Dann hat man durch die Farm z.B. einen Apfel mehr – Traumhaft!

Weiter verbessern lässt sich dies dann nur, wenn man das Gebäude zusätzlich im Reich platziert. Dafür muss der Grundriss (oben rechts) auf dem Reichbogen auf bereits gestrichenen Feldern umrandet werden. Dadurch erhöht sich die Effektivität um eins. Meine Farm macht mir nächste Runde also 2 zusätzliche Äpfel – Juhu!

Da man die Grundrisse nicht drehen und wenden darf, muss man hierbei ein wenig puzzeln um in der Endwertung durch den Architekten nochmals ordentlich zu Punkten zu kommen. Dieser wertet nämlich bebauten Grund nach einem bestimmten Muster.


Der Abenteuerbogen ist an sich ein Dorfbogen, mit jedoch 48 unterschiedlichen Dörfern. Diese sind vor allem für ein Solospiel gedacht und machen wirklich enormen Spaß! Auch möglich ist, dass man sich drei Bögen raussucht, diese für alle kopiert und dann einen Marathon durch die Welt von Imperial Settlers – Roll & Write macht.

Um diese Ausführungen mit einem Fazit zu küren, bedarf es nicht viel: Mir hat dieses Spiel unheimlich viel Freude bereitet, vor allem durch seine Gerechtigkeit im Würfeln. Mit Leichtigkeit und dennoch einigem Kopfzerbrechen ist es ein wunderbarer Vertreter im Bereich der R&W-Titel! Die Verknüpfung der beiden Bögen bringt dabei auch ein völlig neues Spielerleben. Dass ich diesem Spiel eine 1 geben muss, ist wohl schon klar geworden. Einzig der Preis ist für meinen Geschmack mit derzeit um die 25 Tacken etwas zu hoch. Solltet ihr es jedoch für irgendwas unter 20 sehen, dann darf es ruhig ein Blindkauf sein. Es ist ein großartiges kleines Spiel!

Letztlich will ich noch einige Schlussgedanken zu Imperial Settlers loswerden: Schön am R&W ist es, dass man sich im Gegensatz zum großen Kartenspiel mal nicht gegenseitig in die Angelegenheiten pfuscht, sondern munter vor sich hin kreuzt. Die wirkliche Parallele ist der eindrückliche Zeichenstil, der auch diesem R&W eine schöne Stimmung verleiht. Ihr müsst euch also keine Sorgen machen, dass ihr das „richtige“ Imperial Settlers kennen solltet, wie auch das derzeitige IS Empires of the Nord, ist das R&W komplett eigenständig. Scheint wohl ein Jahr der Imperial Settlers-Ableger zu werden.

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Imperial Settlers: Roll & Write von Ignacy Trzewiczek
Erschienen bei Portal Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 30 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Portal Games)

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22.11.2019

1941: Race to Moscow


In 1941: Race to Moscow spielen wir (auf Seiten der Deutschen) die Operation Barbarossa nach. Das geht sowohl solo, als auch mit bis zu drei Spielern, wobei sich jene auf die unterschiedlichen Kampfgruppen der deutschen Wehrmacht aufteilen (Nord, Süd und Mitte). Dabei ist Race to Moscow aber keinesfalls ein kooperatives Wargame, wie es sich zwar zunächst so anhören mag, denn einerseits handelt es sich hier vielmehr um ein Logistikspiel, als um ein Wargame (darüber gleich mehr) und andererseits kann es nur einen Gewinner geben - nämlich die Kampfgruppe, die als erstes ihr historisches Ziel (große Städte in Russland) erreicht und eingenommen hat - es entwickelt sich also ein spannendes Wettrennen.


Warum ist denn nun aber Race to Moscow kein Wargame, obwohl uns optisch, als auch thematisch alles daran erinnern mag? Ninja ganz einfach. Wie bereits in seinem mechanischen Vorgänger (1944: Race to the Rhine) spielt in Race to Moscow vielmehr die Logistik und der Transport von Nahrung, Benzin und Waffen an die jeweilige Front eine Schlüsselrolle. Während nämlich der Kampf gegen Partisanen und russisches Militär vielmehr eine bloße Abhandlung von gezogenen Karten ist, stellt uns die Frage der Logistik vor ein permanent spannendes Puzzle, das es Runde für Runde zu lösen gilt.

Kurzum: Armeen rücken gegen Osten zwar vor, verlieren aber bei Kampfaktionen fast immer Ressourcen. Ein Krieg ist eben teuer und mächtige Panzer fressen viel Benzin. Damit der Blitzkrieg aber nicht zur Stehparty wird, muss aus dem jeweiligen Hauptstützpunkt Nachschub geliefert werden. Hier stellt sich aber nicht nur die Frage, ob ich auf kostengünstige und schnell einsetzbare LKWs setze oder auf Eisenbahnen, deren Schienen zwar erst gebaut werden müssen, die aber deutlich effektiver zu Werke gehen, sondern es stellt sich vor allem die Frage, wie ich meine Transportlinien vor Vergeltungsangriffen der russischen Bots (und teilweise auch vor gemeinen Mitspielern) schützen kann. 


Ein wildes Vorpreschen Richtung Moskau ist also in zweierlei Hinsicht schwierig. Einerseits gehen mir schnell die Vorräte zu Neige und andererseits muss ich stets meine Transportlinien, welche hinter mir liegen, schützen. Da kommt dann meistens die gute alte langsame Infanterie zum Einsatz, welche zwar wenig Offensivpower besitzt, aber oft geschickt den flinken Panzern den Rücken freihält. So ein Krieg will halt gut geplant sein.

Race to Moscow entwickelt sich schon ab dem ersten Zug zu einem interessanten Gedankenspiel, bei dem zwar weniger die Interaktion die Spieler vor ein echtes Problem stellt, sondern vielmehr die ständige Frage aufgeworfen wird: „Wie zur Hölle bekomme ich nun diese Waffen ganz nach vorne an die Front?“. Der besondere Reiz der Mechanismen, welcher sich bereits bei seinem Vorgänger gezeigt hat, wurde nun durch den Designer in Race to Moscow weiter verfeinert. Das Zusammenspiel von Infanterie und Panzern, die sinnvolle Kombination von Eisenbahnen und LKWs oder aber auch die leicht unterschiedlichen Kampfgruppen sind Dinge, die Race to Moscow zu einem wirklich spannenden Spiel machen, das ich Taktikern und Strategen gleichermaßen ans Herz legen mag. Der Clou in Race to Moscow liegt darin bereits ab dem ersten Zug einen Plan im Hinterkopf zu haben, denn frühe Fehler werden bestraft, wenn am Spielende das berühmte eine Benzin fehlt, um nach Moskau zu tuckern. Ein wirklich schönes Spiel, was mit zunehmender Anzahl der Partien noch stets weiter an Finesse gewinnt.


Bleibt die Frage der Spieleranzahl. Die Antwort hierzu lautet definitiv drei. Zwar werden unterschiedliche Teile der Karte bei Spielen ohne dritten Mitspieler abgesperrt, aber sein volles Potential entfaltet Race to Moscow mit allen drei Kampfgruppen. Dabei hält sich die Downtime mehr als in Grenzen, sodass eine Partie Race to Moscow fast immer in maximal 120 Minuten gespielt ist und oft Lust auf eine Revanche macht.

Noch ein kurzer Satz zum Material, welches wirklich hervorragend ist (und das bereits in meiner Prototypenversion). Kleine schicke Miniaturen, individuell geformte Ressourcen und ein stimmiges Gesamtdesign. Das Auge spielt halt mit.

Problematisch könnte Race to Moscow für Spieler sein, die es ablehnen die Rolle von Nazis übernehmen zu wollen oder einen solchen Angriffskrieg nicht nachspielen möchten. Hierzu ist aber anzumerken, dass das Spiel vollends auf verfassungsfeindliche Symbole verzichtet und an keiner Stelle grausame Szenen darstellt (z. B. auf Ereigniskarten). Spieler, die damit ein Problem haben, haben vermutlich die Rezension ohnehin nicht zu Ende gelesen, aber der guten Ordnung halber sei darauf hingewiesen. Alle anderen mögen zugreifen.

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1941: Race to Moscow von Waldek Gumienny
Erscheint bei Phalanx Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Phalanx Games)

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20.11.2019

Half Pint Heroes und Happy Hour


Ich mag ja Stichspiele. In meiner Studiumszeit hatten wir das Kartenspiel Wizard so lange gespielt, dass wir mehrmals ein neues Set kaufen mussten, da die Karten einfach zu speckig wurden. Da hat sich der Anschaffungspreis gelohnt. Besonders gereizt hatte mich bei Wizard damals die Vorhersage der eigenen Stiche. Leider kam nie wirklich ein Stichspiel an den Klassiker für mich ran. Ich hatte dann vor einiger Zeit mal Skull King ausprobiert, aber auch das war für mich eher Wizard, nur eben aufgebohrter und komplizierter. Bei Half Pint Heroes wagte ich aber nochmal einen Versuch und warf meinen Hut in den Stichspiele-Ring. Ausschlaggebend war - zugegebenermaßen – die Boxgrafik. Charmant, anders, irgendwie diskutabel, aber auffallend. Jetzt musste nur noch das Spiel gut sein.


Half Pint Heroes mixt Pokerelemente mit einem Stichspiel. Klingt abgefahren, ist es auch. Ich muss zugeben, dass dieser Mix sich zuerst für mich anhörte, als ob er zum Scheitern verurteilt wäre. Weit gefehlt. Irgendwie passt es doch zusammen und eröffnet sogar einige ganz neue Gedankenspiele in einer Genrewelt, in der man eigentlich alles gesehen zu haben glaubt. Hauptmerkmal bei Half Pint Heroes ist es eben, dass ich bei einem Stich nicht nur eine Karte aus meiner Hand spielen muss, sondern auch eine legale Pokerkombination (keine Angst eine Übersicht liegt bei) aus meinen Handkarten und den Karten aus der offenen Auslage. Das führt zu zweierlei. Einerseits kann ich mit dem Ausspielen mehrere Karten die Sicherheit einen Stich zu machen, andererseits führt es unter Umständen dazu, dass einzelne Spieler frühzeitig keine Handkarten mehr haben und übrig geblieben ganz lässig die noch offenen Stiche mit niedrigeren Karten nehmen können / müssen.


Zweites Element bei HHalf Pint Heroes ist die – aus Wizard altbekannte – Vorhersage von Stichen, was Bonuspunkte bringt. Neu hingegen ist aber, dass ich jede Runde auch die Ansage eines Gegenspielers anzweifeln kann, was auch Bonuspunkte bringen kann und das Ganze noch konfrontativer macht. Ich habe nun noch mehr Gründe dem Gegenüber einen Stich „reinzudrücken“.

Die Punktevergabe ist bei Half Pint Heroes recht klassisch, was angenehm ist, da es lange Rechenoperationen vermeidet. Jeder Stich macht Punkte, eine korrekte Ansage und das Anzweifeln auch. Am Ende gibt’s noch Bonuspunkte. Interessant sind dann noch die Kneipenschlägerei und die Schießerei in Half Pint Heroes  Mache ich nämlich einerseits drei Stiche in Folge, bekomme nur ich Punkte und alle gehen leer aus. Das bringt eine gehörige Brise Taktik ins Spiel und kann es unter Umständen extrem gefährlich werden lassen, wenn alle bis auf einen Spieler frühzeitig die Runde beenden, da sie hohe Kartenkombinationen für Stiche abgelegt haben. Die Schießerei hingegen ist eine Art Sudden Death, die dann in Kraft tritt, wenn man zum sechsten Mal seine Stiche korrekt vorhersagt. Auch das ist eine valide Taktik, die man mit dem nötigen Kartenglück durchaus erzwingen kann.


Half Pint Heroes bringt frischen Wind in das eingestaubte Genre Stichspiele. Das Thema passt, auch wenn sich die Mechanismen nicht wirklich damit decken. Half Pint Heroes spielt man am besten nämlich in einer Bar mit Freunden beim Feierabendbierchen. Es lässt dabei aber auch nicht die notwendige Brise Taktik vermissen, die sich durchaus ergibt. Die Hauptaufgabe der Spieler besteht darin die eigene Hand einzuschätzen und abzuwägen, wo es Sinn ergibt den Stich „sicher“ zu nehmen und mit welchen Stichen man unter Umständen auch rechnen muss. In meinen Runden hat Half Pint Heroes überzeugt. Hat es den Klassiker Wizard ersetzt? Nicht ganz. Es hat genug eigene Ansätze um daneben im Schrank zu stehen, da es durchaus auch einen Tick in der Komplexitätsskale höher anzusiedeln ist.

Happy Hour

Happy Hour bietet Half Pint Heroes noch den gewissen Extrakniff und einen Hauch von Legacy. Mit dabei sind ablösbare Sticker, die man unter bestimmten Voraussetzungen auf seine Karten kleben darf, die die gesamte Runde dann auf- bzw. abgewertet werden. Ebenfalls dabei das Material für zwei weitere Spieler – also für ganz große Runden.

Braucht es die Erweiterung? Happy Hour st sicherlich kein Must-Have. Ich bin dennoch froh sie in meiner Sammlung zu haben. Das eingebaute Legacyelement ist eine Art Hommage an die derzeitige Brettspielwelt, bei dem jedes erfolgreiche Spiel eine Legacy-Variante braucht. Warum also nicht auch ein Stichspiel? Herrlich!

Natürlich bietet die Option auch spielerischen Mehrwert. Sie macht Half Pint Heroes unplanbarer, chaotischer und unterhaltsamer. Je nach Laune der Spielrunde baue ich also die Erweiterung ein, oder aber auch nicht. Die Effekte der Sticker sind vielfältig und interessant.

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Half-Pint Heroes von Roland Goslar, Johannes Goslar und Sören Schaffstein
Erschienen bei Corax Games
Für 2 bis 7 Spieler in ca. 30 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Corax Games)

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18.11.2019

Das Streben nach Glück


Streben nach Glück - Ein Leben ist nicht genug!

Spiele sind ein einfacher Zeitvertreib. Sie lenken uns von unserem schweren Alltag ab und entführen uns nicht selten in fremde oder absurde Welten. Der Abstand zur eigenen Realität ist es, der es uns oft erst ermöglicht überhaupt richtig zu entspannen. Doch was ist, wenn ein Spiel die Distanz zu unserem realen Leben aufgibt, wenn uns aufzeigt, wie wenig Zeit wir eigentlich haben und wie gefährlich Stress für uns sein kann? Kann so ein Spiel noch Spaß machen oder streut die Nähe zum eigenen Leben zu viel Salz in offene Wunden? Können wir weiterhin fröhlich Siegpunkte sammeln oder erkennen wir nur die verpassten Chancen unseres eigenen Lebens? Macht so ein Spiel wirklich Spaß und hilft es uns vielleicht sogar unser Leben besser zu verstehen? All diese Fragen hat Das Streben nach Glück bei mir aufgeworfen.


Alles für einen guten Start ins Lebens - Das Spielmaterial

Das Streben nach Glück ist ein Kartenspiel, mit einer offenen Draft-Mechanik, indem verschiedene Ressourcen in Zufriedenheit (die Siegpunkte des Spiels) umgewandelt werden wollen.  Dementsprechend finden wir in Das Streben nach Glück jede Menge Kartn, ein sehr übersichtliches Spielbrett und eine große Zahl an Ressourcenmarkern. 

Während die Karten selber sehr übersichtlich gehalten sind, sorgen Bild und Text für die passende Stimmung. Wenn ich z.B. das Projekt “Schauspieler werden” habe, das Bild einen Künstler mit Schädel in Hamlet-Pose zeigt, eine der Stufen “Baum im Hintergrund” und die letzte “Star des Abends” heißt, habe ich sofort eine klare Vorstellung. 
Geschickt wird beim Spielmaterial die Nähe zur eigenen Realität und zu bekannten Klischees ausgenutzt, um Kopfkino und somit viel Stimmung zu erzeugen.


Auch die Marker für die eigene Zeit in Form von Sanduhren, die persönlichen Einfluss in Form von schüttelnden Händen oder Kreativität in Form einer Glühbirne sind sehr stimmig. Sicherlich mag der Comic-Stil nicht jedem gefallen. Für mich war aber das genau der Punkt, der mich davon abhielt zu viele Parallelen zu meinem eigenen Lebens zu ziehen und eher Vergleiche mit einem modernen Leben im Allgemeinen anzustellen.

Das Spielbrett nimmt sich da nicht aus. Die Aktionsfelder sind eindeutig bebildert und die Leisten für Stress, Glück und Zufriedenheit sehr gut lesbar. Man weiß immer woran man ist. Lediglich die Beschriftung für Glück von +1/+2/+3 bei Glück und -1/-2/-3 bei Unglück hätte ich genau andersrum gestaltet, um es den Regeln besser anzupassen. Verständlich bleibt es trotzdem.

Das Regelwerk ist nämlich sehr gut und einfach geschrieben und konnte mir tatsächlich alle Detailsfragen beantworten die während der ersten Partien aufkamen. Der Spielfluss wurde selten bis nie durch die Regeln unterbrochen.


Das ganze Leben vor einem - Das Spiel

Das Streben nach Glück ist denkbar einfach. Im Kern des Spiel stehen die Aktionen. Davon hat jeder Spieler 6. Hat man eine Aktion ausgeführt, ist im Uhrzeigersinn der nächste Spieler an der Reihe. Eine Aktion läuft dabei immer auf eine von zwei Weisen ab: Entweder ich erhalte direkt Ressourcen oder ich wandle Ressourcen in andere Ressourcen oder Zufriedenheit um.
Einige Aktionen, wie Job nehmen, Partner suchen oder Überstunden machen kann an erst ab Runde 2 wählen, da wir erzählerisch gesehen in der ersten Runde noch in unserer Kindheit oder Jugend sind und Das Streben nach Glück sich strickt gegen Kinderarbeit ausspricht.

Für welche Aktionen ich mich entscheide wird wiederum durch 2 Faktoren wesentlich beeinflusst: Welche Karten und Vorteile habe ich und welche Ressourcen besitze ich? Ziel jeder Aktion sollte es dabei sein Zufriedenheit zu erlangen oder direkt darauf hinzuarbeiten.

Was sich jetzt so simpel und fast solitär-mäßig liest, ist in Wirklichkeit ein wahrer Optimierungskrimi. Bereits in der ersten Runde überlegt man, welche Ressourcen man sammeln sollte, um einen guten Job zu erhalten, schöne Aktivitäten ausführen zu können oder wertvolle Projekte zu starten. 


Ab Runde 2 stellen dann zusätzlich Fragen. Ist man glücklich genug? Denn je glücklicher man ist, desto weniger Ressourcen muss man für den Abschluss einer Projekt-Stufe bezahlen. Hat man genug Aktionen oder muss man Überstunden machen, um effektiv eine Aktion mehr zu machen und ist der Stress das wert? Lohnt sich eine intensive Partnerschaft, die mich jede Runde Zeit kosten wird oder sollte ich lieber Geld verdiene, um mir mehr Gegenstände kaufen zu können?

Während des Spiels hat man zwar kaum Einfluss auf die anderen Spieler, aber durch die vielen direkten Vergleichssituationen bei Stress, Glück, Zufriedenheit, Job, Partnerschaft, Projekten, Besitz und Aktivitäten, ist man immer hoch motiviert. Und gerade bei Jobs und Partner gibt es ja die Möglichkeit den anderen Spielern den aktuellen Traumjob oder Wunschpartner weg zu schnappen. Sicherlich hätte mehr Interaktion dem Spiel gut getan, es hätte aber auch den fantastischen Spielfluss gestört.

In den letzten 3 Runden befinden wir uns dann im Lebensabend und beginnen jede Runde damit, dass wir immer mehr Stress erhalten. Was am Beginn des Lebensabends eventuell nur Zeit in Form von Aktionen kostet, kann bereits eine Runde später zu unserem Tod führen, wenn wir überhaupt soweit kommen.
Denn Stress ist in diesem Spiel nicht nur der Hauptkiller aller Spieler, sondern auch schwer abzubauen. Mit Erholung kann man sich nur an das untere Ende seines aktuellen Stresslevels bewegen, aber nie in ein niedrigeres Stresslevel gelangen. Das ist nur mit Gesundheit möglich, die man im Hauptspiel so gut, wie nie erreichen kann. Das klingt im ersten Augenblick etwas doof, sorgt aber im Umkehrschluss dafür, dass jede Entscheidung noch gewichtiger wird. Denn im stressigsten Fall ist das Spiel extrem kurz und kann schon nach wenigen Runden beendet sein. Wehe dem, der nicht auf sich achtet und nur den falschen Zielen hinterher läuft.


Am Ende war es nicht genug Leben - Das Fazit

Das Streben nach Glück hält genau, was der Titel verspricht. Dieses Spiel treibt jeden Spieler dazu nach möglichst viel Lebensglück zu streben, ohne dabei mahnend oder bedrückend zu wirken. Es macht Spaß, sich immer neuen Projekten zu stellen, sich im Job zu verbessern und den Ruhestand mit der eigenen Familie zu planen.

Dabei gibt es keine Aktion die den Spielfluss stört oder das Spiel ruckelig wirken lässt. Die Wartezeit ist kurz und kann gut genutzt werden, um den nächsten Spielzug zu planen, was den Spielfluss nach befördert und die relativ kleine Anzahl an Runden, sorgt dafür, dass pro Spieler nur ca. 25 min Spielzeit anfallen.

Sicherlich ist Das Streben nach Glück nichts für jene, die komplexe Simulationen und viel Interaktion lieben und brauchen. Wer aber Spaß an Punkteoptimierung hat und lieber ein Wettrennen, als einen Wettkampf, mit anderen Spielern veranstaltet, de ist hier genau richtig. Auch der geneigte Solospieler sollte genauso zugreifen, wie jeder Einsteiger in das Brettspiel-Hobby.

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Das Streben nach Glück von Adrian Abela und David Chircob
Erschienen bei Artipia Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Artipia Games)
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15.11.2019

Tudor


Lange, lange Zeit, bevor mit Game of Thrones der Serienwahnsinn zeigte, wie spannend höfische Intrigen doch sein können und wie hinterhältig so manche machtbesessenen Persönlichkeiten jede sich bietende Chance nutzen, ihren Widersachern einen Dolch zwischen die Schulterblätter zu rammen, zeigte bereits eine ganz andere Serie – und das sogar vor einem realen Hintergrund – ebensolches bereits eindrucksvoll auf. Die Rede ist natürlich von den Tudors und ja, zugegeben, ganz so lange Zeit liegt nicht zwischen dem Ende von Tudors und dem Anfang von GoT (genaugenommen sogar nur ein einziges Jahr und die deutsche Free-TV-Premiere der letzten Folge Tudors lag sogar nach der ersten Folge GoT, aber sei’s drum) und jaa…die Tudors waren nicht mal halb so konsequent grausam und sexistisch wie GoT…aber es könnte wunderbar als guter Einstieg ins Thema dienen.

Die Serie beginnt mit der Inthronisierung Heinrichs des VIII. und endet mit dessen Tod. Und auf diesem langen Weg begegnen und alle seine sechs Ehefrauen samt ihren jeweiligen Schicksalen.


Was das alles nun mit GoT zu tun hat? Na ja, immerhin spielt Natalie Dormer in beiden Serien eine nicht ganz unwichtige Rolle…ach nee…ihr wollt sicherlich wissen, was das alles mit dem Brettspiel von Jan Kirschner zu tun hat. Nun ja, wenn wir ehrlich sind ist der Titel ähnlich und auch im Spiel kommen die sechs Frauen Heinrichs des VIII. (als Rundenzähler!) vor…aber dann war’s das auch schon. Das Setting selbst hätte man auch anderweitig verpacken können. Das ist einerseits schade, da ich thematische Spiele durchaus mag, andererseits ist es aber auch nicht schlimm, denn letztlich kommt es ja auf die Mechaniken und den Spielspaß an. 

Aber genug der warmen Worte, ran ans Eingemachte: Schnappt man sich die Packung von Tudor ist man erstmal überrascht, welches Gewicht die Packung auf die Beine stellt. Ein Blick in die Packung zeigt dann auch schnell, wo dieses Gewicht herkommt: Es steckt viel drin! Leider gibt es zu dem Spiel auch schicke Plastik-Miniaturen, die aber gesondert erworben werden müssen. Zum Spielen selbst sind sie zwar nicht erforderlich, denn Holz tut‘s ja bekanntlich auch. Aber irgendwie hat man nun doch das Gefühl, dass das Spiel nicht vollständig ist….aber nun gut, das liegt ja voll im Trend und ist sowas wie der DLC bei den Brettspielen geworden. Mal schauen, wann es den Season Pass gibt; aber ich schweife ab….


Worum geht es bei Tudor also? Um nichts geringeres als Macht bzw. genau genommen um Prestige! Im Spiel gibt es fünf verschiedene Staatskünste, jeweils gekennzeichnet durch ein bestimmtes Symbol sowie eine Farbe. Zu jeder Staatskunst gibt es Ringe und Karten. Jeder Spieler beginnt mit zwei Ringen und jeweils einer passenden Karte zu jedem Ring. Die Ringe selbst werden auf die Sichtschirme gesteckt, die eine Hand darstellen. Doch Vorsicht! Die Auswahl der Finger ist entscheidend(dazu aber gleich mehr). Und schon geht es los: Je nach ausliegender Situationenkarte werden Reihum eigene Höflinge (die eben angesprochenen Holz-Meeples) an die Warteschlangen der Audienzräume auf dem Spielplan eingesetzt. Wurden alle platziert marschieren sie in die Audienzräume und verdrängen dortige Höflinge. Als nächstes setzen die Spieler ihre Lords in die Audienzräume und zu guter Letzt folgt die Aktionsphase. Jeder Audienzraum bietet nämlich 2 mögliche Aktionen an. Pro Höfling darf man eine dieser Aktionen ausführen, aber nur, wenn sich ein Lord im gleichen Raum befindet. Ist kein Lord vorhanden, verfallen diese Aktionen also ersatzlos. Ein Lord wiederrum darf beide Aktionen in beliebiger Reihenfolge ausführen. Schönes Detail am Rande: rücken in einen Raum keine Höflinge nach, bleiben die dortigen wo sie sind. Taktisch bringt das allein schon eine Menge Potenzial mit sich, was durch das Einsetzen der Lords natürlich noch verstärkt wird.


Die Aktionen teilen sich dabei grundsätzlich in drei Arten auf: Bewegung, Karten erhalten, Sonderaktionen.
Mit Bewegungen bewegt man Höflinge (die dort dann aber Familienmitglieder heißen) auf den Hierarchieebenen des Thronsaals hoch und runter, nach links oder rechts. Hierbei sammelt man immer pro Feld ein Staatskunstplättchen auf und auf dem Zielfeld winkt dann sogar ein Einfluss- oder Intrigenmarker, sofern noch einer da ist. Kommt ein Familienmitglied oben in einer Spalte an, erhält man das entsprechende Amt, also (ihr ahnt es) den entsprechenden Ring. Diesen behält man auch, bis man durch ein gegnerisches Familienmitglied wieder – im wahrsten Sinne des Wortes – aus dem Amt geschubst wird. Mit Sonderaktionen darf man grundsätzlich seine Figuren auch mit Staatskunstplättchen bewegen oder 2:1 Karten tauschen. Weitere Sonderaktionen kommen mit den Situationenkarten (quasi das Setting für diese Partie) hinzu. Diese Situationenkarten regeln auch, wie viele Höflinge pro Runde gesetzt werden dürfen, wie viele Runden insgesamt gespielt wird und ob es Sofortaktionen gibt, die quasi automatisch bei bestimmten Situationen im Spielverlauf genutzt werden können. Die Staatskunstkarten werden ebenfalls für Bewegungen benötigt, sofern man es nicht in einen Audienzraum mit Lord geschafft hat („Ausweichaktionen“). 


Die Position der Ringe auf der eigenen Hand verstärken die Aktionen der Audienzräume weiterhin. Beispiel: Die Aktion A im 1. Audienzraum besagt, dass man einen Familienangehörigen um ein Feld in eine beliebige Richtung verschieben darf, wenn das dort liegende Plättchen einer Staatskunst entspricht, von der man einen Ring besitzt. Hat man aber einen Ring auf jedem der mittleren drei Finger sitzen, darf man sich auch auf Felder bewegen, deren entsprechenden Ring man nicht besitzt. Die Reihenfolge der eigenen Ringe darf man jedoch nur ändern, wenn man einen Ring dazubekommt oder verliert. Sonst nicht.

Haben alle ihre Aktionen durchgeführt wird der Rundenmarker (ein Bilderrahmen rund um die Portraits der Frauen Heinrichs des VIII.) ein Feld weitergeschoben und es geht von vorne los. Davor werden aber alle Staatskunstplättchen, die die Spieler gesammelt haben, aus dem Spiel entfernt und es wird evtl. gewertet. Ha! Eine Wertung! Wie bekommt man denn nun Macht äh Prestige? Nun, das ist von Spiel zu Spiel anders und wird zu Spielbeginn mit den beiden Wertungskarten festgelegt. Vier verschiedene Wege gibt es, um Prestige zu erhalten und je zwei davon wirken in einer Partie. Während die eine Variante Punkte während des Spielens verteilt, gibt es bei der anderen die Punkte nach jeder Runde oder sogar erst am Spielende. 


Dies erhöht natürlich – erst recht zusammen mit den Situationskarten, von denen es drei gibt - den Wiederspielwert des Ganzen deutlich, da je nach Wertungskartenkombi völlig andere Taktiken gefragt sind und je nach Situationskarte andere Sonderaktionen möglich sind. Im Kern hätte ich mir hiervon aber ehrlich gesagt noch ein paar Varianten mehr gewünscht, aber das ist vermutlich etwas für den Season Pass…Aber, wenn wir ganz ehrlich sind: Viele Eurogames bieten genau diese Möglichkeit – ein und das selbe Spiel auf verschiedene Art und Weise zu spielen – nicht. Und so ist das hier nur Meckern auf hohem Niveau.

Ein hoher Wiederspielwert ist natürlich kein Selbstzweck, so dass die Frage im Raum stehen dürfte, ob man Tudor denn überhaupt ein zweites, drittes, viertes, fünfzigstes Mal spielen will!? Denn schließlich hört sich das ganze durchaus komplex und umfassend an und ist bestimmt abendfüllend, so dass man gar nicht umhin kommt, das Spiel nur selten mal auf den Tisch zu bringen. Doch genau da kommt ein genialer Kunstgriff zum Tragen: Eine Partie Tudor ist nämlich – trotz der durchaus nicht ganz einfachen Regeln (die letztlich lange erklärt, aber schnell verinnerlicht und daher gar nicht so komplex sind) – schneller vorbei als eine Doppelfolge Game of Thrones – oder eben von der gleichnamigen Serie. Und hat man die Regeln nach der ersten Partie erstmal so wirklich verstanden, spielt man auch schnell mal ein anschließendes Ründchen. Von langatmigem Workerplacement mit ewigem Taktieren also keine Spur, sondern eher ein (auch was die Spielzeit angeht) sehr familientaugliches Eurogame, dass aber trotzdem nichts für die jüngsten Kids der Familie ist (zumal sie mit dem Setting eh nichts anfangen können und die einzelnen Symbole mitunter nicht intuitiv zu verstehen sind). Vielmehr dient es sehr gut als Einstieg für Teenies in das Thema der etwas komplexeren Brettspiele, wenn (die Siedler von) Catan ausgedient haben. Aber ich würde trotz allem durchaus behaupten, dass auch die Altherrenrunde großen Spaß dran haben dürfte. 


Zu guter Letzt sei noch gesagt, dass im Spiel, da es im Kern also ein typisches Eurogame ist, das Thema (leider) keine wirklich tragende Rolle spielt. Das Design ist durchweg schick und stimmig, aber letztlich könnte es halt auch „Borgia“, „Grimaldi“, „Karolinger“, oder einer der andere Adelsdynastien der Welt sein (ohne die Portraits, versteht sich), deren Name auf die Packung gedruckt wurde. Aber sei’s drum. Hauptsache es macht Spaß, und das tut es!


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Tudor von Jan Kirschner
Erschienen bei Corax
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Corax)
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