30.07.2019

VOLT


Krachendes Metall, sprühende Funken, vor Spannung elektrisierte Luft. Ein schneller, gnadenloser Wettkampf, den am Ende nicht der Kämpfer mit den größten Muskeln gewinnt, sondern derjenige mit dem mächtigsten Roboter und dem gerissensten Plan! Das ist die Idee und Faszination hinter einem Roboter-Arenakampf – egal ob es sich um die aus den 90ern bekannte britische Fernsehshow Robot Wars handelt oder um VOLT, das 2019 als eine der ersten Veröffentlichungen von HeidelBÄR Games erschienen ist.

VOLT basiert auf einem Design von Emerson Matsuuchi (CENTURY-Reihe, REEF) und wurde von HeidelBÄR Games in einigen Aspekten verfeinert. Herausgekommen ist ein blitzschnelles und kurzweiliges Aktions-Programmier-Spiel, in dem bis zu vier Spieler drei Aktionen ihrer Roboterminiaturen pro Runde im Vorhinein bestimmen, und darauf hoffen, dass beim anschließenden Ausführen der Aktionen alles so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben. 


Ausgetragen wird der Wettkampf mit vorbildlich produziertem Spielmaterial. Hier darf das Lob ruhig großzügig ausfallen: Die Box des Spiels wird zur Roboterarena umgebaut, indem eines von vier Spielfeldern auf der Box platziert wird. Die Ecken der Arena werden zudem mit Türmen aus Karton geschmückt, die dem Ganzen Dreidimensionalität verleihen. Dabei wackelt nichts, das Material der Pappteile fühlt sich durchweg wertig an und überall ist thematisch stimmungsvolles Artwork zu finden (es gibt sogar fiktive Werbebanner auf den Rändern der Schachtel!). Auch die Roboterminiaturen sind hochwertig und laden zum Bemalen ein. Zum Einräumen des Spielmaterials in die Schachtel findet man ein sinnvoll gestaltetes Inlay vor. Sehr schön, das alles!

Das Spiel selbst ist ein Rennen um Siegpunkte: Der Spieler, der zuerst seinen fünften Siegpunkt erhält, gewinnt sofort. Dabei wird zu Beginn jeder Runde ein neuer Siegpunkt als Plättchen auf dem Spielfeld platziert. Wer am Ende der Runde auf dem entsprechenden Feld steht, erhält den Punkt. Außerdem erhält man einen Punkt für das Zerstören eines gegnerischen Roboters. Eine Partie spielt sich also fix: Viel länger als 30 Minuten dauert es kaum, bis jemand den Sieg erringt.


Wie erwähnt plant jeder Spieler zu Beginn einer Runde verdeckt drei Aktionen, die dann der Reihe nach ausgeführt werden – zunächst alle ersten Aktionen, dann alle zweiten Aktionen, und so weiter. Es gibt dabei zunächst nur zwei mögliche Arten von Aktionen zu bedenken: Bewegen (orthogonal) oder Schießen (ortho- oder diagonal). Dazu platziert man einen blauen oder roten Würfel auf das entsprechende Richtungsfeld seiner Steuerungskonsole. Der Würfel wird vorher NICHT gewürfelt; die angezeigte Augenzahl darf man sich selbst aussuchen. Bei den blauen Bewegungswürfeln gibt die Augenzahl die Weite der Bewegung an, bei den roten Schießwürfeln geht es nicht um Reichweite, sondern allein um das richtige Timing – denn die Augenzahl gibt sozusagen die Initiative einer Aktion an: Aktionen mit niedrigen Augenzahlen werden vor Aktionen mit höheren Augenzahlen ausgeführt. Bewegungswürfel mit gleichen Augenzahlen wie Schießwürfel werden zudem immer vor Schießwürfeln abgehandelt. Wenn ich davon ausgehe, dass mein Gegner sich in seiner ersten Aktion auf ein bestimmtes Feld bewegen möchte, auf das ich dann schießen kann und will, und er für dieses Feld drei Schritte gehen muss, muss mein roter Würfel also eine drei oder höher zeigen, sonst geht der Schuss ins Leere. 


Und was ist bei Würfeln gleicher Farbe und gleicher Augenzahl? Da entscheidet eine Startnummer, die man sich aussuchen kann, wenn man mit dem Planen fertig ist. Schnelles Planen wird also belohnt, denn die Startnummer kann darüber entscheiden, ob man am Ende auf einem Siegpunkt steht oder von seinem höhnisch grinsenden Gegner vom Siegpunkt geschubst wird – am besten noch in eine Grube. Ärgerlich, aber das Spiel ist dadurch natürlich noch nicht gelaufen: Zur nächsten Runde kommt man wieder ins Spiel.

Weiter aufgepeppt wird das Geschehen durch Module, die den Robotern aktive und passive Fähigkeiten bescheren. Die kann man auch weglassen, aber ich würde unbedingt empfehlen, VOLT auf diese Weise zu spielen! Die Module erhöhen die Bewegungs- oder Angriffsmöglichkeiten auf interessante Weisen, zum Beispiel durch diagonale Bewegungen und Teleport oder Minen und Granaten. Jeder Spieler verfügt über eine zufällige Auswahl zu Beginn des Spiels und kann im weiteren Verlauf neue Module erhalten, jedoch maximal zwei zur gleichen Zeit aktiv haben. Sie machen das Spielgeschehen auf der einen Seite unberechenbarer, auf der anderen Seite spektakulärer, wenn ihr Einsatz gelingt: Mir fällt auf dieser Welt nicht viel ein, das befriedigender ist, als einen Gegner per Fernsteuerung in eine Mine zu lenken, die er selbst platziert hat.


Aktions-Programmierung als Spielmechanik in der Art, in der es VOLT versucht, ist immer ein Seiltanz zwischen Chaos und Taktik. Beides hat seinen Reiz: Das Chaos ist schlicht unterhaltsam. Zu sehen, wie die eigenen brillanten Pläne vor aller Augen grandios scheitern, zaubert (mit etwas Fähigkeit zur Selbstironie) jedem am Tisch ein Lachen ins Gesicht. Die Taktik hingegen befriedigt das kompetitive Spielerherz. Wenn die eigenen brillanten Pläne vor aller Augen aufgehen, schmeichelt das dem eigenen Ehrgeiz und weckt im Idealfall ein anerkennendes oder zähneknirschendes „Nicht übel“ aus den Reihen der Kontrahenten. Es ist aber nicht leicht, die richtige Balance zwischen diesen Polen zu finden. Zu chaotisch, und das Spiel wird zu einem hübscheren Mensch-Ärgere-Dich-Nicht. Zu taktisch, und das Spiel wird trocken und steif.

VOLT gelingt dieser Seiltanz meines Erachtens ziemlich gut. Dafür spricht zunächst mal, dass einem das Spiel meistens das Gefühl gibt, die Lage überblicken zu können, und dass die Runden sehr zügig von statten gehen: Da man nur drei Aktionen plant und das Ziel meist klar ersichtlich ist (der nächstgelegene Siegpunkt oder ein angeschlagener Gegner), hat man sich schnell auf einen Kurs festgelegt. Wenn es doch nicht klappt wie gedacht, wiegt der Frust nicht schwer, da es direkt weitergeht und man bereits die Chance wittert, diesmal die richtigen Aktionen zu wählen.


Zudem gibt einem VOLT die Möglichkeit, die Menge an chaotischen Faktoren zu reduzieren oder zu erhöhen. Spielt man es zu zweit und ohne Module, gibt es kaum etwas, das man nicht bei angemessener Bedenkzeit hätte vorhersehen können. Mit steigender Spielerzahl und Modulen ändert sich das. Und wenn man nur zu zweit oder dritt ist, aber unvorhersehbare Elemente liebt? Kein Problem: VOLT lässt sich mit bis zu zwei Killbots spielen. Das sind Nichtspieler-Roboter, die nach einfachen Regeln in der Arena mitmischen. Das klappt erstaunlich gut. Ernstzunehmende Konkurrenten sind die Killbots zwar nicht, aber ein tolles dynamisches Hindernis, um das Spiel mit wenigen Spielern abwechslungsreich zu halten.

Wie man herausliest, halte ich VOLT definitiv für ein gutes Spiel. Die Gretchenfrage wäre vielleicht: Wenn ich weiß, dass mir ein Spiel wie VOLT grundsätzlich zusagt, weil ich gerne Rob Rally oder etwas Vergleichbares auf den Tisch bringe, lohnt sich die zusätzliche Anschaffung von VOLT überhaupt? Ich persönlich würde sagen: Ja! Nicht weil VOLT besser ist, sondern weil es bei mechanischer Ähnlichkeit doch einen eigenen Charakter hat. Es führt seine Mechaniken und sein Artdesign auf eine Art und Weise zusammen, die das Gefühl einer Roboter-Kampfarena sehr gut treffen – schnell, wild und doch keine reine Glücksangelegenheit, sondern ein Wettkampf taktischen Geschicks. Und das alles in einer sehr zeitgemäßen Produktion, dank HeidelBÄR Games.

Wer also bei Beschreibung eines solchen Spielgefühls hellhörig wird oder wer bereits Fan eines ähnlichen Spiels ist, dem kann ich VOLT klar ans Herz legen!
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Volt von Emerson Matsuuchi
Erschienen bei HeidelBär Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 40 Minuten

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier HeidelBär Games)


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26.07.2019

Fliegenfänger


Vor einiger Zeit bekam ich von SmartGames mal wieder ein Spiel um dieses zu testen. An dieser Stelle erst einmal herzlichen Dank dafür. Wer meine letzten Rezensionen zu den Spielen von SmartGames verfolgt hat, konnte bereits feststellen, dass neben mir auch meine Kinder ein Freund dieser „Hirnakrobatik“-Spiele sind. So nahm ich auch jetzt meinen Jr. zum Test dazu. 

Wird im Ballsport oftmals der Torhüter bzw. dessen schlechte Leistung mit einem Fliegenfänger abgetan so handelt es sich doch hier um die wahren Künstler auf diesem Gebiet. Salamander und Frösche bilden hier die Protagonisten und bereits die Aufmachung der Verpackung macht mir schon wieder Lust zu „tüfteln“.

Gewohnt hochwertig kommt das Produkt daher. Verpackung, Spielmaterialien und Anleitung sind aus einem Guss. Nirgends kommt es mir so vor, als wäre etwas halbherzig umgesetzt worden. Daher erneut ein kräftiges Lob an die Entwickler. SmartGames bleibt seiner Linie treu und setzt auf bewährt einwandfreie Komponenten bestehend aus dem Spielbrett, den Puzzleteilen (fünf an der Zahl) mit durchsichtigen Fröschen, Salamandern und Fliegen sowie dem Aufgabenheft mit den 48 Aufgaben inklusive den passenden Lösungen. 


Laut Expertenmeinungen werden durch dieses Spiel die Konzentration, laterales Denken, logisches Denken sowie Planen und visuelle Wahrnehmung gefördert. Aber wer einen Hang zu solchen kniffligen Spielen hat, wird wissen warum es gekauft wurde. 

Das Regelwerk ist, wie häufig bei dieser Art von Spielen der Firma SmartGames, denkbar einfach und meines Erachtens einer der Erfolgsgaranten. Man wählt eine Aufgabe aus dem Regelwerk. Am besten fängt man bei Aufgabe eins an und steigert sich dann.
Man ordnet dann die einzelnen Puzzleteile gemäß der gewählten Aufgabe an. Ziel ist, dass die possierlichen Tierchen ihre Nahrung (Fliegen) mit ihrer Zunge fangen können. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es natürlich immer nur eine richtige Lösung gibt.

Als Fazit kann ich nur einmal mehr bestätigen, dass ich von der Qualität des Spiels in Gänze überzeugt bin. Alles fühlt sich rund und top verarbeitet an. Wer Spaß am Rätseln und Tüfteln hat, der kommt gewohnt bei SmartGames auf seine Kosten. Von mir eine klare Empfehlung sich vom Handy zu lösen und seinem Gehirn mal wieder etwas Jogging zu gönnen.


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Fliegenfänger
Erschienen bei SmartGames
Für 1 Spieler in ca. 15 Min.
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier SmartGames)

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24.07.2019

Materia Prima


Der Stein der Weisen war in der Sagenwelt des Mittelalters das ultimative Ziel eines jeden Alchemisten. Nur mit ihm konnte man Metalle zu Gold verwandeln und so Ruhm und Reichtum bescheren. In Materia Prima probieren wir genau das. Nebenbei müssen wir auch noch unser Lebensziel erfüllen und uns die Konkurrenz vom Hals halten. Materia Prima ist in gewisser Weise nämlich ein Rennspiel. Wer als erster das Ziel erreicht, der hat gewonnen (fast immer zumindest).

Das Projekt startet noch auf Kickstarter und ist ein 1-Mann-Projekt eines Lehrers aus Bayern. An dieser Stelle hervorzuheben ist also, dass es sich bei den gezeigten Bildern um Prototypenqualität handelt, welche aber auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt designtechnisch eine enorm hohe Qualität bietet. Alle Zeichnungen im Spiel sind vom Designer per Hand gezeichnet und bieten somit einen charmanten Rahmen für ein Pick-Up-And-Deliver Spiel im Komplexitätsgrad eines Familienspiels.


Konkret startet jeder Alchemist mit einer fixen Anzahl an Aktionspunkten pro Runde, mit welchen er sich in der märchenhaften Welt fortbewegt, Ressourcen abbaut, diese zu mächtigeren Ressourcen weiterentwickelt und Rezepte in seinem Turm brodelt. Wie es sich für einen ordentlichen Alchemisten gehört, beschwört er sich im Laufe einer Partie auch noch kleine Helferlein - sogenannte Homunkuli, die fortan als eigenständige Figuren auf der Karte agieren, eigenständig Ressourcen abbauen und Gegenspieler blockieren. Denn logisch ist: Je mehr Handlanger man auf der Karte hat, umso schneller bekomme ich meine Ressourcen und kann diese in den Topf werfen.


Das zunächst extrem simple und sich ungeheuer schnell spielende Materia Prima entwickelt sich also im Laufe einer Partie zu einer immer komplexer werdenden Aufgabe, die aber zu keinem Zeitpunkt - also keine Angst - die Barriere vom Familienspiel verlässt. Die Aufgaben sind weiterhin gut überschaubar und gerade durch den langsamen Spielanfang gut zu meistern. Mir persönlich gefällt die sich steigernde Komplexitätskurve in Materia Prima sehr gut. Beschränken sich meine anfänglichen Züge noch auf Laufen, laufen, abbauen; geht es später (vielleicht mit bis zu drei Helfern) dann doch umfangreicher zu. Einer baut ab, einer blockiert den Gegenüber, einer greift den anderen an.


Interaktion, richtig. Materia Prima ist nicht solitär, sondern bietet genug Raum zum „In die Suppe spucken“. Wichtig zu wissen ist beispielsweise, dass jedes Feld auf der Landschaftskarte nur von einem Spieler betreten werden kann. Da hilft es teilweise schon enorm, wenn man sich geschickt in den Weg des Gegenüber stellt, nur damit dieser den Umweg nehmen muss. Zu sehr übertreiben sollte man es jedoch nicht, da man in Materia Prima auch angreifen kann. Richtig! Dieser läuft recht simpel über Würfel ab, die ich durch Ausrüstung verstärken kann, hat aber den charmanten Nebeneffekt, dass der Verlierer alle im Rucksack befindlichen Elemente an den Gewinner abdrücken muss. Das kann im richtigen Augenblick verheerend sein. Nicht unbedeutender Nebeneffekt ist auch, dass man den Seelenstein des Unterlegenen klaut, welcher fortan dadurch gestärkt durch die Karte reist, aber ohne Seele fortan auch nicht gewinnen kann, bis er eine zurückgewinnt.

Pepp kommt auch durch die unterschiedlichsten geheimen Ziele ins Spiel. Muss ich beispielsweise einen geheimen Kult aufbauen oder eine der im Spiel befindlichen Städte abbrennen. Jeder Spieler tut dabei gut, sein Ziel möglichst geheim zu halten, damit die Gegenüber dies nicht gezielt vereiteln können. Die Vielfalt ist dabei ein großes Plus bei Materia Prima  die sicherlich bei einer erfolgreichen Kickstarterkampagne noch weiter ausgebaut werden kann.


Natürlich gibt es auch drei Städte in der Spielwelt, welche - dank modalerem Spielplan - sich immer an anderer Stelle wiederfinden. Dort kann ich nicht nur neue Rezepte für meine Suppenküche finden, sondern auch meinen Heimatturm ausbauen, der mir beispielsweise fortan mächtige Boni gibt.

Materia Prima ist ein schnelles Familienspiel, was mich durch seine liebevollen Zeichnungen und das unverbrauchte Thema überzeugt hat. Die große Stärke liegt meiner Meinung nach im sich steigernden Komplexitätsgrad des Spiels, sodass auch Wenigspieler einen super Zugang zum Spiel bekommen. Die Wege zum Ziel sind dabei unterschiedlich. Ich kann als Pazifist völlig konfliktarm versuchen ans Ziel zu kommen, es macht aber auch höllischen Spaß, wenn ich permanent versuche meine Mitspieler zu blockieren und anzugreifen. Warum denn Ressourcen selbst abbauen, wenn ich sie auch stehlen kann? Materia Prima ist definitiv einen genauen Blick wert.
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Materia Prima von Florian Pfab
Erscheint bei Peacocks Tabletops
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Peacocks Tabletops)

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23.07.2019

Verleihung: Spiel des Jahres 2019


Spiel des Jahres 2019 – Mit einem Wort fliegend gewonnen

Jedes Jahr, seit nunmehr 40 Jahren, wird der Preis "Spiel des Jahres" verliehen. Was ursprünglich als Idee eines WDR-Redakteur begann, ist mittlerweile die wichtigste Auszeichnung der Welt für Brett- und Kartenspiele. Der Wichtigkeit angemessen ist auch die Kulturstaatsministerin Monika Grütters anwesend gewesen.

Der Ausweg aus den Schatten

In den letzten 10 Jahren hat Gaming, vor allem durch Mobile Gaming und Free 2 Play Konzepte, einen Hype in der breiten Öffentlichkeit erlebt. Davon haben Brett- und Kartenspiele nicht nur profitiert, sondern konnten auch durch einzigartige Spielformate und dem Aufkommen von kooperativen Spielen einen eigenen Hype erzeugen.

Ausdruck dieser allgemeinen Anerkennung in der Bevölkerung ist die extrem gestiegene Wichtigkeit des Preises "Spiel des Jahres". Selbst in den USA werden massiv mehr Exemplare eines Spiels verkauft, ist es Preisträger.


Doch schon die Nominierung ist eine kleine Auszeichnung für sich. 6 Spiele wurden in 2 Kategorien nominiert: Carpe Diem von Alea bzw. Ravensburger, Detective von Portal Games bzw. Pegasus Spiele und Flügelschlag von Feuerland als „Kennerspiel des Jahres 2019“ und Just one von Repos bzw. Asmodee, Werwörter von Ravensburger und L.A.M.A. von Amigo in der Kategorie „Spiel des Jahres 2019“. Zusätzlich wurde jeder der nominierten Autoren

Nach einer kurzen Präsentation aller Nominierten einer Kategorie, inklusive der Übergabe von Nominierungsurkunden, wurde jeweils der Gewinner gekürt. „Kennerspiel des Jahres 2019“ wurde Flügelschlag, enthüllt vom Sprecher des Vereins „Spiel des Jahres“ Bernhard Löhlein. „Spiel des Jahres 2019“ wurde Just One, enthüllt von der Kulturstaatsministerin Monika Grütters.

Ein kleiner Wermutstropfen

Nachdem im Bundestag vor Kurzen erst die Streichung der Videospielföderung beschlossen wurde, hatten vereinzelte Teilnehmer vermutet, dass die Kulturstaatsministerin eine Förderung oder andere finanzielle Mittel für die Gesellschaftsspiel-Branche vorstellen würde. Dieses Thema blieb jedoch in der 12 Minuten langen Rede der Kulturstaatsministerin völlig unerwähnt. Die Gesamte Rede könnt ihr euch auf dem Youtube-Kanal von André-Heinz (H4RD1N) ansehen.







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20.07.2019

Soviet Kitchen Unleashed


"Der Gast bestellt eine Wurst mit Kraut" - "Wir haben aber keine Wurst und kein Kraut mehr!" - "Egal! Macht was! Hauptsache die Leute haben was im Bauch!" - "Öhm... ok!"

Und schon landen Schweineschwänze, Jeanshosen und Zinnsoldaten im Fleischwolf und werden zur ansehnlichsten Wurst im ganzen Land. So in etwa könnt ihr euch das Setting in dem aktuellen Kickstarter-Spiel Soviet Kitchen Unleashed vorstellen. Wir befinden uns kurz nach dem 2. Weltkrieg in Russland und es herrscht akute Hungersnot, also kommt in die Töpfe was der Haushalt so hergibt, aber Obacht, bitte nicht die Soldaten vergiften, auch wenn sie schon sehr resistente Mägen besitzen. 

Soviet Kitchen ist bereits im letzten Jahr auf der Spiel erschienen und erhält nun mit Unleashed eine neue Edition mit Verbesserungen. Es handelt sich dabei um ein Hybrid aus Smartphone und Kartenspiel, daher auch der Verlagsname HYBR. Die auf den Bildern gezeigte Version ist ein Prototyp der neuen Edition und entspricht nicht dem fertigen Produkt und auch die App ist noch nicht komplett. Es können 1-4 Spieler mitspielen und wird bereits von 9 von 10 Lenins empfohlen ;-)


[Aufbau]

Im Karton befinden sich fünf kleine Pakete, wobei das Startpaket mit Abstand das größte ist. Die weiteren dürfen wir erst auf Anweisung der App öffnen. Auf dem Smartphone laden wir die Soviet Kitchen und öffnen diese. Hier können wir uns für eine Kampagne oder für Challenges entscheiden. Die App selbst erzählt einem dann immer was zu tun ist, im Regelfall wird je nach Spielerzahl jedem Spieler eine gewisse Anzahl Karten ausgehändigt. Die Rückseiten wirken zunächst identisch, wenn man aber ganz genau hinsieht, stellt man fest, dass jede Karte ein anderen QR-Code hat, dies fällt im Spiel aber nicht wirklich auf und wenn doch dann ist man wohl eine Art "Rainman".

[Ablauf]

Mit Starten des Spiels in der App wird alles über die App vorgegeben, wobei das Prinzip auch mehr als einfach ist. Wir bekommen eine Vorgabe welches Gericht wir kochen sollen und jeder Bestandteil eines Gerichts hat eine unterschiedliche Farbe. Nach und nach kochen wir nun die einzelnen Bestandteile und versuchen diese nachzubilden. Wird z.B. eine rote Wurst gewünscht, schmeißt nun jeder Spieler eine Zutat in den Fleischwolf, so dass die Mischung dieser Farben so nah wie möglich an die Vorgabe kommt. Aber aufgepasst: die meisten Zutaten sind z.T. giftig und davon sollte man dann nicht zu viel verwenden und im Laufe des Spiels sind welche sogar radioaktiv.


Je Runde wird in Prozent angegeben wie nah unser Farbton an die Vorgabe herankommen muss. Und bevor nun jeder eine Zutat in den Fleischwolf schmeißt, sollte man sich gut absprechen, welche man wählt, ansonsten haben wir blitzschnell ein Ergebnis welches der Vorgabe nicht entspricht und vom Gast abgelehnt wird oder wir haben ein Gericht, welches so giftig ist, dass unser Gast stirbt. Bei 4 Spielern ist das mit 4 Zutaten schon eine Herausforderung.

Im Laufe der Kampagne werden die Vorgaben immer schwieriger und wir spielen so lange bis wir alle Leben verloren haben oder halt alle Vorgaben erreicht haben. Im Deck befinden sich auch noch Sonderkarten, wie z.B. eine Hammer- und eine Sichel-Karte, die kombiniert immer die richtige Farbe ergeben, aber auch recht giftig sind. Oder die Matroschka, wenn davon 2 hintereinander gespielt werden, setzt sich der bisherige Gift-Wert wieder zurück. Schön ist im Laufe des Spiels auch der Wunderpilz (Magic Mushroom), der einem eine zufällige Farbe aus einem dargestellten Spektrum in die Mischung gibt, man somit vorher nicht 100% weiß, ob es passt oder nicht.

Ihr merkt schon, schnell erklärt und begriffen. 


[Fazit]

Ja, was soll ich sagen, dass Thema von Soviet Kitchen ist schon ziemlich speziell auch die Gestaltung würde ich als außergewöhnlich bezeichnen. Klar, hier stehen die Farben im Vordergrund. Bei manchen Motiven hatte ich zwar meine Probleme zu erkennen was das sein soll (Zehennägel, Walfett), aber dafür steht dass dann ja auch immer auf der Karte. Wer meint, dass man ja immer sagen könnte, was man auf der Hand hat um zu wissen welche Farbe das ist, liegt leider falsch, denn die Objekte kommen mehrmals vor, aber mit unterschiedlichen Farbabstufungen. So gibt es die Jeans z.B. in Dunkel- und in Hellblau. 

Genau das macht aber auch den Reiz des Spiels aus, denn hier kämpft man darum, die Farbe der Zutat so genau wie möglich zu umschreiben, damit man zusammen am besten entscheiden kann, welche Kombination zum Erfolg führt. Das heißt, wir haben hier einen nicht geringen Rede-Anteil im Spiel, der einem bewusst sein sollte. 
Das Abscannen der Zutaten klappt sehr gut und es ist immer wieder spannend die Auswertung zu beobachten. Wenn man sich vorher erzählt was da so alles in den Fleischwolf kommt, führt das schon zum einen oder anderen Lacher. 

Wer auf der Suche nach einem schnellen und lustigen Kartenspiel als Auftakt oder Absacker eines Spieleabends ist, sollte auf jeden Fall mal einen Blick riskieren. Das Thema ist unverbraucht und die Mechanik ist ebenfalls neu und funktioniert erstaunlich gut. Der Preis von ca. 17 € ist vollkommen in Ordnung. 
Wir drücken auf jeden Fall die Daumen für eine erfolgreiche Kampagne (sieht schon gut aus) und sind gespannt, was uns HYBR in Zukunft noch so bieten wird.

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Soviet Kitchen Unleashed von Andreas Wilde
Erschienen bei HYBR
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 15 Minuten
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Kickstarter Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier HYBR)


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19.07.2019

Underwater Cities


Früher haben die Menschen geglaubt, dass der Himmel über ihren Köpfen aus Wasser bestünde. Wenn es dann regnete, öffneten sich kleine Fenster dort droben und ließen etwas der Wassermassen auf die Menschen herunterfließen – Heute wissen wir, dass es stimmt…

Wie es der Titel bereits vermuten lässt, bauen in Underwater Cities ein bis vier Spieler an ihrem System aus Unterwasserstädten. Dabei gilt es, Ressourcen zu managen, eine kleine Engine aufzubauen, die Handkarten sinnvoll einzusetzen und letztlich die meisten Punkte für den Sieg zu erwirtschaften. 
Das Spiel stammt aus der Feder von Vladimír Suchý, wurde von Milan Vavron illustriert und ist im Delicious Games Verlag erschienen. Seit 2019 ist es auch auf Deutsch erhältlich, was es wohl für den ein oder anderen Spieleliebhaber interessant werden lässt. Werfen wir nun einen Blick auf die Details:

Crash into pieces - Material gibts für den Preis viel!

Underwater Cities läuft über zehn gleiche Runden, welche in drei Ären unterteilt sind. Das Ganze hat den Effekt, dass am Ende einer jeden Ära ein neues Kartendeck ins Spiel kommt und dass eine Produktionsphase stattfindet. Dadurch erhält man den Großteil der für den Aufbau der Stadt benötigten Ressourcen. In jeder Runde versucht nun der aktive Spieler, die beste Kombination aus seinen Handkarten und den verfügbaren Workerplacementslots zu finden. Hierin liegt nämlich die große mechanische Raffinesse von Underwater Cities  Statt nur einen Arbeiter zu platzieren oder nur eine Karte zu spielen, muss man hier beides machen. Felder und Karten sind in drei Farben gegliedert, spielt man nun die passende Farbe zum Feld, darf man beides tun, das Feld UND die Karte ausführen. Ansonsten wird die Karte einfach abgeworfen und man darf nur das Feld nutzen.

Dieser simple und doch neue (ich habe ihn zumindest noch nie gesehen) Mechanismus kann ganz schön Kopfzerbrechen bereiten und macht in meinen Augen den Reiz von Underwater Cities aus. Die Workerfelder an sich sind dabei klassischer Natur: Man bekommt Ressourcen, darf Städtekuppeln oder Tunnel errichten, bestehende Strukturen aufwerten usw. Die dazu gespielten Karten bringen dann die Vielfalt: Man erhält mehr, darf nochmals Aktionen ausführen, erhält permanente Effekte (kleines Engine-Building), oder sogar Siegbedingungen, die extra Punkte bringen können. 

Aufbau für zwei SpielerInnen

Wie bereits erwähnt, ist der Mechanismus an sich echt klasse, auch wenn es vom Zufall abhängt, welche Karten ich am Ende jedes Zuges nachziehe. Die Kunst besteht darin, diese in meine allgemeine Strategie einzuweben. So gut aber auch dieser Mechanismus ist, so austauschbar ist das Thema des Spiels. Es kann so ziemlich jedes Aufbauthema gewählt werden, das Unterwasser-Thema ist weder notwendig, noch kommt es sehr im Spiel durch. In meinen Runden wurden die Tunnel für das Verbinden auch oft als Straßen oder Brücken bezeichnet. 
Doch mit dem Thema haben wir erst die erste Schwachstelle von Underwater Cities entdeckt: Das Material. Puh – ich habe selten ein so schlechtes Brett in der Hand gehabt… Nicht nur die Spielerbögen sind besseres Kopierpapier, auch der Hauptplan ist mehr oder minder in Prototypenqualität. Das Artwork der Karten ist leider ähnlich repetitiv wie die einzelnen Runden an sich. 

Den oftmals gezogenen Vergleich zu Terraforming Mars muss ich an dieser Stelle auch noch einmal ansprechen. Ja, das Spiel gibt im einleitenden Text einen kleinen Seitenhieb in Richtung TfM, jedoch muss man dies nicht so lesen. In meinen Augen ist einzig die minderwertige Spielerbögenqualität ein vereinendes Merkmal. Ansonsten haben wir hier zwei vollkommen unterschiedliche Spiele vorliegen, zumal TfM Engine-Building im klassischen Sinne liefert und Underwater Cities dann doch eher ein Worker-Placement-Spiel ist. 

Links Worker in hervorragender Qualität und rechts Beispiele für das abwechslungsreiche Artwork des Spiels

Unter all der Kritik muss man jedoch erwähnen, dass dieses Spiel unheimlich ausbalanciert ist. Selbst nach stundenlangen Runden, waren die beteiligten Spieler selten mehr als 10 Punkte auseinander – und das bei Punkteständen über 100 Punkte. Apropos stundenlange Partien: Ich habe zwar viel im Voraus über die Länge des Spiels gelesen, als guter Rezensent testet man dies jedoch selbst. Im Spiel zu viert saßen wir über vier Stunden. Das Problem dabei ist, dass die Beteiligung der anderen Spieler dem Spiel keinen Mehrwert verliehen hat. Also lieber Leute, hört auf die Tester und spielt es nur zu zweit, da ist es wirklich nicht schlecht. Zudem muss man dann auch nicht so lange warten. 

In welche Richtung mein Fazit tendiert, mag man ob der vorigen Absätze wohl schon erahnen. Underwater Cities macht vieles richtig, bietet einen wunderschönen neuen Mechanismus, hat aber enorm viel Potenzial verschenkt. Diesem an sich handwerklich soliden Spiel fehlt es meiner Meinung nach stark am Wiederspielwert. Schon nach wenigen Partien hat man gefühlt alles gesehen. Zumal fühlt sich jede Runde und jede Ära unheimlich repetitiv an. Es existieren gefühlt nicht so viele Möglichkeiten, wie in anderen vergleichbaren Spielen. 

Möglicher Ausbau des eigenen Städtenetzes im Late-Game.

Das Pro des Spiels bewegt sich im Austarieren der Handkarten mit den Möglichkeiten der freien Felder – an sich eine schöne Sache, würde sich nicht alles irgendwie gleich gut anfühlen. Ich selbst habe einen Hang zur nummerischen Bewertung, welche das Fazit nochmals auf den Punkt bringen soll. Underwater Cities erhält von mir eine 3. Es ist nicht schlecht, aber auch nicht gut. Das größte Plus in meinen Augen ist der erschwingliche Preis von im Schnitt 40€. Mein Tipp zu diesem Spiel: Probiert es vorher irgendwo aus, bevor es auf eure Einkaufsliste kommt. Es sollte kein Blindkauf sein.

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Underwater Cities von Vladimir Suchy
Erschienen bei Delicious Games
Für 1 bis 4 Spieler in ca. 120 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Delicious Games)

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16.07.2019

Legend: Winds of War 1934-1940


Wer meine Artikel ein bisschen verfolgt, der hat bestimmt schon mal herausgelesen, dass ich ein großer Fan von Sport- und Rennspielen bin. Ich würde mich persönlich zwar nicht als großer Autonarr bezeichnen, aber irgendwie faszinieren mich Spiele wie Race: Formula 90, Formula D, Thunder Alley oder auch Downforce. Zusätzlich bin ich Sammler und immer auf der Suche nach außergewöhnlichen Spielen. Legend: Winds of War 1934-1940 sollte also ziemlich gut in meinen persönlichen Spielegeschmack passen, denn es behandelt thematisch die legendäre Autorennserie Mille Miglia in Nord-Italien.

Bei Legend handelt es sich offiziell um eine eigenständige Erweiterung zum Titel Mille Miglia. Das erste Basisspiel war ebenfalls ein Herzensprojekt, lies sich aber (ich habe es nie gespielt, sondern beziehe meine Informationen nur aus Videos und Berichten) nicht sonderlich gut spielen. Vielmehr soll es eine reine Simulation gewesen sein. Legend soll nun spielerischer sein, ohne dabei den historischen Charme einer Kleinstproduktion vermissen zu lassen. Gelingt das?


Seinen ganz eigenen Charme hat bereits die Verpackung und Aufmachung von Legend  Das ganze kommt in einem klappbaren Karton mit schickem Überzug. Das Cover wirkt futuristisch elegant sieht schick in jedem gut sortierten Brettspielregal aus. Der Inhalt ist reichlich. Da das Spiel aber eine Kleinstproduktion ist, ist vor dem ersten Spielen eine Menge mit Stickern zu bekleben, um die aus Kostengründen nicht erneut produzierten Teile der ersten Auflage mit Stickern auf den Stand der zweiten Auflage zu bringen. Auch während eines Spiels von Legend muss man sich fortan daran gewöhnen, dass manche Symbole auf den Streckenabschnitten keine Bewandtnis haben, sondern fortan die Sticker maßgeblich sind. Für mich eigentlich ein No-Go, aber der Charme eines Herzensprojekts lässt mich an dieser Stelle nochmal großzügig beide Augen zudrücken.


Der restliche Inhalt zeigt das, was Legend ist - das Hobby des Designers. Minutiös genau hat eben jener nämlich recherchiert und jedes Auto aus der damaligen Zeit nicht nur optisch perfekt widergespiegelt, sondern auch so auf den Karten dargestellt, wie es war. Dabei unterscheiden sich die zahlreich beigelegten Fahrzeuge in Höchstgeschwindigkeit, Preis, Motor, Überhitzungstempo, Bremsen, Fahrsicherheit etc. Aber auch die historischen Fahrer der historischen Rennen liegen bei u. v. m..

Spielerisch ist Legend natürlich ein Rennspiel. Dabei können wir entweder anhand einer Kampagne die Mille Miglia selbst in Etappen nachfahren, oder auch einzelne Circuits fahren. Fahre ich die gesamte Kampagne, kann ich währenddessen mein Auto verbessern, neue Fahrer anheuern und Ersatzteile mit an Bord nehmen. Auch hier wurde auf jedes Detail geachtet. So kann ich z. B. eine Wasserflasche kaufen, um bei Überhitzung des Motors kurzfristig Abhilfe zu schaffen, oder eine Glühbirne kaufen, um besser bei Nacht zu fahren. Ihr merkt schon. Legend geht ins Detail - auch in dieser zweiten Edition.


Der Rennmechanismus selbst zeichnet sich dadurch aus, dass ich mein eigenes Auto verwalten muss. Jede Runde kann ich beispielsweise beschleunigen oder bremsen. Das ist insofern wichtig, da ich in jede Kurve nur mit einer bestimmten Geschwindigkeit fahren kann. Ein klein wenig erinnert das an Formula D. Fahre ich zu schnell, kann ich aus der Kurve fliegen, wenn ich es nicht durch ein gutes Manöver verhindern kann. Hierfür gibt es Tests und Würfel. Dabei ist auch jedes Auto unterschiedlich.

Weitere Unwägbarkeiten des Rennsports sind die Überhitzung des Motors (falls ich zu lange auf Höchstgeschwindigkeit fahre) oder der Verschleiß der Bremsen (wenn ich zu oft Notbremsen muss). Natürlich gibt es auch eine optimale Fahrgeschwindigkeit, in der der Motor entsprechend runterkühlt. Darum dreht sich auch die ganze Partie von Legend  Es geht darum Risiken einzugehen und das optimale aus seinem Auto rauszuholen. Wo kann ich den Motor ein bisschen hochdrehen, um den Vordermann zu überholen und wo muss ich bewusst einen Gang zurückschalten. Ein Rennen in Legend ist gut planbar. Würfeln muss ich nur selten und nur wenn ich große Risiken eingehe. Wenn ich gut plane, dann kann ich auch ohne Risiken durchs Rennen fahren. Dabei gilt es aber eine Menge zu beachten. Wo und ab wann muss ich abbremsen, um optimal in die Kurve zu kommen, und wo kann ich aus dem Windschatten den Gegner überholen und wichtige Extrameter machen? Um das Überlegen nicht allzu lange werden zu lassen, muss man seinen Zug innerhalb von 40 Sekunden erledigt haben. Ich persönlich finde das toll. Es ist nicht nur thematisch, sondern drückt auch ganz schön die Downtime.


Was sind meine abschließenden Gedanken zu Legend und wo ordnet es sich mit den anderen Renntiteln meiner Sammlung ein? Legend ist ein Herzensprojekt mit viel Liebe zum Detail. Spielerisch muss man aber einige Abstriche machen. Mir persönlich gefällt im Bereich der Rennsimulationen Race: Formula 90 noch immer ab besten. Will ich also eine Simulation mit vielen Renndetails, greife ich dazu. Will ich ein schnelles Rennspiel mit viel Action und wenig Simulation, greife ich zur Basisvariante von Formula D. Legend füllt also so richtig keine Lücke für mich. Es orientiert sich klar eher in die Ecke der Simulationen, bietet aber für mich persönlich spielerisch zu wenig Spannung. Es ist viel eher etwas für Fans von historischen Rennspielen dieser Epoche, die sich in den Details und der Optik verlieren können. Sammler haben sicherlich auch ihren Spaß an Legend  Für die 0815-Spielerunde is des aber vermutlich eher nichts.
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Legend: Winds of War 1934-1940 von Carlo Amaddeo
Erschienen bei WBS Games
Für 1 bis 6 Spieler in ca. 120 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier WBS Games)

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13.07.2019

Hochspannung


Es gibt ja Kartenklassiker, die irgendwie jedem ein Begriff sind, die aber oftmals nicht in die aktuelle Playlist schaffen. Für mich ist ein solcher Klassiker Ligretto. Schnell, hektisch, irgendwie kennt’s jeder, und hat man erstmal ein paar Runden gespielt (was durchaus Spaß macht), hat man aber wieder für die nächsten Jahre genug davon. Woran das liegt, kann vielfältige Gründe haben. Manchen ist es vielleicht zu hektisch, anderen zu langweilig, wieder anderen fehlt vielleicht der Tiefgang. Für letzte Gruppe hat Amigo mit Hochspannung vielleicht eine Lösung in petto. Worum geht’s da also?


Die Karten werden gemischt und zu gleichen Teilen an die Spieler ausgeteilt. Die letzte Karte wird offen in die Tischmitte gelegt. Von seinem Stapel zieht nun jeder vier Handkarten. Und los geht’s: Alle Spieler versuchen nun gleichzeitig ihre Karten loszuwerden. Dafür müssen sie die Multiplikationsaufgabe der ausliegenden Karte schnell lösen und eine Zahl aus dem Ergebnis ablegen. Beispiel: steht auf der liegenden Karte 3 x 5, kann eine 1 oder eine 5 abgelegt werden. Die abgelegte Karte stellt ihrerseits eine neue Multiplikationsaufgabe, die es zu lösen gilt. Hat man nichts passendes, darf man jederzeit eine weitere Karte vom eigenen Stapel ziehen. Wer als erstes keine Karten mehr hat, gewinnt. Für’s bessere Balancing hat jede Karte dabei nicht nur eine, sondern zwei Zahlen abgedruckt. Dies erschwert natürlich etwas den Überblick, scheint aber auch gewollt zu sein, denn die Karten kommen noch dazu in sämtlichen Farben des Regenbogens daher.


Da eine Runde entsprechend schnell rum ist, bietet es sich an (und wird auch innerhalb der Regeln angeboten), die übrigen Handkarten als Minuspunkte zu notieren und einfach mehrere Runden zu spielen. Wer am Ende die wenigsten Minuspunkte auf dem Konto hat, gewinnt.
Das Spiel lässt sich zudem noch mit dem Spiel „Unter Spannung“ kombinieren und es werden eigene Regeln dafür mitgeliefert. Da wir „Unter Spannung“ jedoch nicht besitzen, konnten wir dies leider nicht testen.


Was bleibt als? Ein Ligretto-Abklatsch mit Multiplikations-Erweiterung? Jein. Hochspannung vermittelt ein ähnliches Stressgefühl und kann mitunter genauso hektisch und frustrierend sein, wie der Klassiker. Die Sache mit der Multiplikation erfordert jedoch eine völlig andere Hirnleistung. Und da liegt ein wenig der Knackpunkt: Erwachsene haben mit dem Spiel viel Spaß, da es durchaus fordernd (wenn auch nicht schwer) ist, ganz schnell von 4x8 auf 7x9 auf 4x7 umschalten und dann auch noch die jeweils passenden Zahlen auf der Hand suchen zu müssen. Grundschüler unter sich können das Spiel ebenfalls gut spielen (die Altersempfehlung 10+ ist da eigentlich schon zu hoch gegriffen!), da sich das Tempo hier automatisch etwas entschleunigt. Als Familienspiel taugt es allerdings nicht wirklich, außer man hat ein kleines Mathegenie in der Familie oder die Kinder sind alt genug, um das kleine 1x1 im Schlaf hinunterbeten zu können. Ansonsten aber wie immer, ein wirklich schickes kleines Fillergame, dass die Altherrenrunde mal etwas aufwecken kann.

Ein letztes Wort zu den „Komponenten“: Amigotypisch finden wir eine kompakte, gut geschriebene Anleitung und qualitativ hochwertige Karten mit zweckentsprechendem Design. Hier gibt es wie immer nichts zu meckern!

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Hochspannung von Maureen Hiron
Erschienen bei Amigo Spiele
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 20 Minuten


sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier Amigo Spiele)
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08.07.2019

Getaway Driver


Getaway Driver aus dem Hause Uproarious Games (Vertrieb Fowers Games) ist der spirituelle Nachfolger von Fugitive. Fugitive ist ein kleines simples asymmetrisches Kartenspiel im Katz und Maus Stil, bei dem - meiner Meinung nach - der Fliehende eine durchaus schwerere Aufgabe zu meistern hat, als der Verfolger.

Getaway Driver nimmt das Thema von Fugitive auf und verlagert das Spielprinzip von ausschließlich Karten auf ein modulares Spielbrett mit kleinen Miniaturen und liebevoller Grafik. Dass das gesamte Material deutlich umfangreicher als sonst für ein Fowers-Spiel ist, hängt wohl in erster Linie damit zusammen, dass Getaway Driver ein Produkt von Kickstarter ist, demnach also deutlich mehr finanzieller Spielraum vorhanden war. Einzig etwas überraschend für mich war, dass Getaway Driver in einer stinknormalen Box daherkommt, wobei ansonsten die Spiele des Verlags stets ausgefallene Ideen für die Verpackung hatten. Sei´s drum.


Spielerisch haben wir auch hier ein asymmetrisches Spiel, bei dem ein Spieler versucht nach einem Überfall der Polizei zu entkommen und wild durch die Stadt braust, während der Gegenüber mit Polizeiwagen, Helikoptern und Straßensperren versucht ihn daran zu hindern.

Hingucker Nummer 1 ist die modulare Stadt, welche sich im Laufe einer Partie Getaway Driver urch den Polizeispieler aufbaut. Da man dabei nie ganz weiß, wohin die Reise schlussendlich führt, sind natürliche Hindernisse (Gläser, Tischkanten, etc) auch natürliche Hindernisse im Spiel. Irgendwie charmant.


Die Rolle des Fahrers ist schnell erklärt. Ich muss irgendwie durchhalten und der Polizei entkommen. Meine einzige Ressource dabei sind meine Handkarten, mit welchen ich gewisse Stunts ausführen kann. Bei einem Stau fahre ich z. B. über den Gehweg etc. Diese Karten muss ich mir aber gut einteilen, da ich diese maximal ein zweites Mal nutzen kann und auch nur dann, wenn ich zuvor diverse Ressourcen aufgesammelt habe.

Thematisch cool an dieser Stelle ist, dass ich - sofern ich beispielsweise einen solchen Stunt ausführe - die mir folgenden Polizeiwagen meistens nicht folgen können und voll ins Hindernis reinfahren. Ein Hauch Hollywood liegt dann in der Luft. Das fühlt sich prima bei Getaway Driver an und ist ein echt befriedigendes Erlebnis, wenn man so etwas hinbekommt.


Nicht immer muss es aber ein Wheely sein, um den Cops zu entkommen. Manchmal reicht einfach ein altmodisches geschicktes schnell um die Kurve fahren, denn die Polizei kann keinen U-Turn durchführen. Und schwups ist man weg. Auch das fühlt sich cool an und kann durchaus eine ganz schöne Herausforderung sein.

Der Job der Polizisten ist ebenso herausfordernd. Da ich selbst bestimme wie sich die Stadt zu Beginn einer jeden Runde ausbreitet, muss ich versuchen den Fahrer in eine Sackgasse zu locken und das Netz langsam zu schließen. Mein Ziel ist es nämlich permanent einen Streifenwagen an der Seite des Fliehenden zu haben und ihm keine Möglichkeit zum Verschnaufen zu geben. Im Laufe einer Partie sammle ich dabei Polizeimarken, die ich dazu einsetzen kann um Upgrades zu kaufen.


Der Wiederspielreiz von Getaway Driver kommt über jene Upgrades. Vom Polizeihubschrauber bis zum Panzerwagen oder den Straßensperren. Alles ist dabei. Geld für alles habe ich in einer Partie nicht, also muss ich mich entscheiden, auf was ich setze. Das macht Spaß und lädt zum ausprobieren ein.

Getaway Driver ist schnell gespielt. Selten dauert eine Partie länger als 30 Minuten und fast nie bleibt es bei nur einer Partie. Das gesamte Spiel bringt die Hektik und das Tempo einer Verfolgungsjagd prima rüber. Vom langsamen Schließen des Netzes bis hin zum verrückten hoffnungslosen Stunt aus der Ecke ist alles dabei. Getaway Driver macht Spaß und ist eine klare Empfehlung.
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Getaway Driver von Jeff Beck
Erschienen bei Uproarious Games
Für 2 Spieler in ca. 45 Minuten
Boardgamegeek Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Uproarious Games)

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