30.11.2018

Storiez


Partyspiele sind bekanntermaßen nichts für jedermann. Sie erfordern oft dass Spieler aus sich rausgehen, sich zum Affen machen oder etwas privates von sich preisgeben. Verständlich, dass da der ein oder andere introvertierte Brettspiel-Nerd lieber zum Dungeoncrawler greift .

Hier macht auch Storiez keine Ausnahme. Denn Storiez verlangt von euch dass ihr eurer kreativen Ader freien Lauf lasst, und gruselige, witzige oder völlig verrückte -wenn ich da genauer drüber nachdenke, sind es meistens nur völlig verrückte- Geschichten erzählt, und das als Gruppe.

Dafür stellt euch das Spiel zehn Themenkarten zur Verfügung. Diese Karten geben euch das Genre eurer Geschichte vor. Von Liebesromanze über Fantasy bis hin zu Sci-Fi und Horror ist alles vertreten.


Nachdem ihr also zufällig eine Themenkarte gezogen habt, zieht ihr abwechselnd, im Uhrzeigersinn eine Karte vom anderen Stapel, dem Motivstapel. Dieser baut nach und nach die Szenerie auf, indem er euch erzählen lässt, was euch gerade zu dem aufgedeckten Motiv einfällt. Natürlich müsst ihr dabei das Thema und das zuvor erzählte berücksichtigen. Die Abbildungen auf den Motivkarten sind dabei sehr simple gehalten und zeigen eindeutige Bilder wie beispielsweise einen Schuh, Graf Dracula, die Queen oder ein Baby. Diese Einfachheit hat einen Grund, denn in eurer Runde könnt ihr auch darauf verzichten eine Motivkarte aufzudecken, und stattdessen den bereits ausliegenden Stapel an euch zu reißen und eure Mitspieler zu einem Duell auffordern.


Bei diesem besagten Duell spielt der Herausforderer gegen den Rest der Gruppe, die versucht sich an alle gespielten Motive, in ihrer Reihenfolge und unter Zeitdruck -hierfür liegt dem Spiel eine Sanduhr bei- zu erinnern. Schafft die Gruppe alle Motive aufzuzählen, erhält jeder, außer dem Herausforderer natürlich, eine Motivkarte als Punkt. Sollte aber auch nur einer der Gruppe einen Fehler gemacht haben, bekommt der Herausforderer zwei Karten. Wer zuerst fünf Karten hat ist der Gewinner.

Storiez war in unserer Gruppe ein voller Erfolg, was ich angesichts der Einfachheit des Spiels, das sich komplett auf die Phantasie der Spieler verlässt, niemals vermutet hätte. Die Geschichten tendierten dazu immer lustig zu werden, ganz gleich welches Thema vorgegeben war. Das war aber auch gut so, denn so konnte jeder kreativ sein und lachen, ohne sich zu sehr auf die Vorgabe zu versteifen.


Wer gerne Geschichten erzählt und eine kreative Gruppe hat, die vor einem Partyspiel, das auch etwas peinlich werden kann nicht zurückschreckt, wird hier ganz viel Spaß haben.

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Storiez von Jürgen Heel
Erschienen bei Amigo
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 15 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Amigo)


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28.11.2018

Ice Cool 2


Ich glaube man muss nicht wirklich viel zu Ice Cool sagen. Kinderspiel des Jahres 2017, Deutscher Kinderspiele Preis 2017 und vieles mehr hat Brian Gomez mit seinem tollen Schnippspiel gewonnen. Nun also eine Fortsetzung, genau: Fortsetzung (!) und NICHT Erweiterung!! 

Wenn man die Schachtel sich ansieht, fällt schon mal auf, dass es fast genau so aussieht, wie das original  Ice Cool und wenn man die Schachtel auch noch öffnet, denkt man zunächst, man hätte vielleicht sogar gerade das original Ice Cool geöffnet, denn der Inhalt ist fast 1:1 das gleiche.


Wer wissen möchte wie  Ice Cool an sich funktioniert kann sich gerne die Rezension vom lieben Andreas hier ansehen, denn im Grundspiel von Ice Cool 2 macht man eigentlich nichts anderes. Die Schachtelteile haben zwar andere Zimmer eingezeichnet, sind aber gleich aufgebaut und bieten somit das gleiche Spieleerlebnis wie Teil 1. Einziger Unterschied sind halt andere Farben der Figuren und leicht veränderte Punktekarten. Gab es beim Grundspiel die Möglichkeit zwei 1er-Karten zu benutzen um ein weiteres Mal zu Schnippen, gibt es nun noch die Möglichkeiten mit Trick-Shots zu punkten. Punktekarten die ich erhalte, haben nun jeweils ein Trickshot abgebildet (z.B. über Bande in einen Raum; über die Mauer in einen Raum etc.), ich kann nun vor meinem Zug ankündigen, dass ich einen dieser Tricks probieren möchte, gelingt mir dies, darf ich mir eine weitere Punktekarte nehmen. Gelingt es mir nicht, dann habe ich später die Möglichkeit es nochmal zu probieren.


Ja, das war es denn auch schon. 

Wie? Das war es? Und warum bringt man nicht einfach eine neue Version von Ice Cool 1 heraus, in der man die Karten ausgetauscht hat? Will der Verlag nur Geld machen? Was ist da los???

Beruhigt euch, denn der eigentliche Grund sich Ice Cool 2 zu kaufen, liegt darin, dass ich Teil 1 mit Teil 2 verbinden kann. Zum einen kann ich das Grundspiel (Jäger & Gejagte) nun mit bis zu 8 Leuten spielen und das in einem doppelt so großen Gelände, wenn ich möchte. Es gibt in der Anleitung mehrer Vorschläge, wie man die Schachtelteile zusammen setzen kann und somit gibt es nun für diese klassische Variante mehrere Spielpläne. Sehr schön!

Hinzu kommt aber noch ein komplett neuer Modus und zwar ein Wettrennen. Hierfür werden ebenfalls die Schachtelteile von beiden Teilen zu verschiedenen Plänen kombiniert. Weiterhin muss man die Pinguine wieder durch Öffnungen schnippen und Fische sammeln. Hat man alle seine Fische zusammen, heißt es nun als erster in den Zielraum zu gelangen. 


Für mich ist dieser Modus dann auch der alleinige Kaufgrund für Ice Cool 2  da es schon Abwechslung bringt und gerade in größeren Gruppen ebenfalls sehr viel Spaß macht. Toll find ich auch, dass es zwei Pläne gibt, in dem Räume beweglich sind und man so den Plan während des Spiels ändern kann. Somit auch für erwachsene Spieler ein wenig fordernder. 

Wie fällt nun das Gesamturteil aus? Es ist wirklich schwierig zu beurteilen. Ice Cool ist ein tolles, gut funktionierendes Schnippspiel, welches auch viele Erwachsene in den Bann zieht und daran ändert Teil 2 natürlich auch nichts, aber irgendwie liefert es auch zu wenig um sich Teil 2 zu nennen. Ich habe mir damals bei der Ankündigung von Teil 2 mehr vorgestellt, vor allem habe ich mir andere Räume vorgestellt, heißt evtl. andere Formen oder dergleichen. So bringt man aber mehr oder weniger das gleiche Spiel raus, ersetzt die Holzfische auch noch durch Plastik (warum auch immer??!), legt noch ein weiteres Regelheft (für die Kombi von 1+2) bei und verlangt den gleichen Preis wie das Originalspiel. Damit hat man es sich doch irgendwie sehr einfach gemacht. 


Ich wäre in diesem Fall zufriedener gewesen, wenn man es einfach als "5-8 Spieler Erweiterung" zu Ice Cool bezeichnet hätte. Klar erscheint dann der gleiche Preis als zu viel für eine Erweiterung, aber es erweitert ja nun mal auch um 100% das Hauptspiel. Wobei es Teil 1 ja mittlerweile auch schon deutlich günstiger gibt...
Versteht mich nicht falsch, Ice Cool 2 allein und gerade in der Kombination zu Teil1 macht Spaß und verliert nichts am Reiz von Ice Cool. Im Gegenteil: es ergänzt an den richtigen Stellen, aber wahrscheinlich war meine Erwartungshaltung einfach zu hoch. 


Wer also großer Fan von Ice Cool ist und gerne mit bis zu 8 Leuten spielen möchte, für den ist es schon fast ein Must Have. Alle anderen können sich aussuchen ob Teil 1 oder 2, denn viel anderes finden sie nicht, evtl. kann man Teil 2 vorziehen, da es die Trick Shot Karten gibt. Falls man bisher keine Erfahrungen mit Ice Cool gemacht hat, würde ich raten, zunächst den ersten (günstigeren) Teil auszuprobieren und bei gefallen dann zu erweitern, denn in Kombi ist der Spielspaß dann doch noch ein Schippchen höher.

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Ice Cool 2 von Brian Gomez
Erschienen bei Amigo
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 30 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Amigo)


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26.11.2018

Luxor - Queenies


Wie Ihr sicherlich alle bereits meiner Rezension zu Luxor entnehmen konntet, mag ich das Tempelrennen mit dem schicken Handkartenmechanismus. Auch heute kann ich Luxor prima in Familienspielrunden auf den Tisch bringen. Es spielt sich locker und leicht von der Hand.

Heute sind wir aber nicht hier, um nochmal über die Vorzüge des Nominiertenspiels zu reden. Nein, heute möchte ich Euch kurz die Queenies für Luxor vorstellen. Queenies? Ja, richtig. Queenies sind Mini-Erweiterungen des Verlages Queen Games zu seinen Spielen. Queenies gibts bereits zu vielen anderen Spielen des Verlages und nun auch zu Luxor. Sehr es als kleine Module, die das Basisspiel an der ein oder anderen Stelle ergänzen, verändern oder erweitern. Was wäre das im Einzelnen?


Modul 1 - Swarm of Scarabs

Nunja, hierbei handelt es sich um eine Abänderung der im Basisspiel befindlichen Skarabäen. Diese konnte man ja im Spiel aufsammeln und dadurch zusätzliche geheime Punkte aufsammeln. Die neuen Viecher ersetzen die bisherigen und geben nun keine Bonuspunkte mehr, sondern erlauben beim Ausspielen sogenannte Sonderzüge. Z. B. kann ich den Mechanismus der Kartenhand temporär aussetzen und eine beliebige Handkarte spielen. Mir persönlich gefällt diese Minierweiterung sehr gut und ich würde grundsätzlich nur mit ihr spielen wollen. Ich empfand die bisherigen Skarabäen immer als etwas unnötig. Mit diesem Queenie kommt mehr Taktik ins Spiel.


Modul 2 - The Snake God´s Boon

Auch hier ersetzen wir wieder etwas, denn die Teile des Tempels, auf denen man einfach weiterrücken musste. Die neuen Bonusplättchen erlauben Sonderaktionen, solange auf ihnen ein Abenteurer steht. Die Sonderfähigkeiten ähneln sich in Teilen mit den Effekten des ersten Queenies  aber alles in allem sind die Bonusteile eine interessante Erweiterung, aber kein Muss.


Modul 3 - Secret Missions

Was ist eine klassische Erweiterung in jedem Brettspiel? Richtig, Missionskarten. Hier erhalten sie auch Einzug in Luxor. Ich starte bereits zu Beginn mit einer und bekomme weitere, sobald ein neuer Abenteurer aufs Brett kommt. Die Missionen sind meistens so etwas wie: Lege Schätze xy ab und erhalte Bonuspunkte. Das will gut durchdacht sein, da man die Schätze dann natürlich nicht mehr für die Sets ab Spielende hat. Mir hat diese Erweiterung am wenigsten gefallen, denn ich finde sie etwas uninspiriert. Wie bereits geschrieben. Missionen ist eine klassische Erweiterung, die fast jedes dritte Spiel auf dem Markt reinbringt. Die Entscheidungen, die ich dabei treffen muss, sind ebenfalls nicht sonderlich interessant. Natürlich lege ich gerade die Schätze ab, auf deren Set ich vermutlich nicht mehr hoffen brauche, da ich sie ohnehin im Überfluss habe.


Modul 4 - The Treasure Chamber

Hierbei handelt es sich um fast eine richtige große Erweiterung und kein Queenie mehr, denn mit der neuen Schatzkammer kommt so einiges neues ins Spiel. Die Schatzkammer selbst kann man betreten, sobald einer der Eingänge zu ihr freigelegt wurde. In ihr selbst gibts dann per Zufall mächtige Schätze (neue Schlüssel, deftige Siegpunkte etc.) nach den bekannten Regeln. Man bewegt sich dort wie in ganz Luxor fort und sammelt auch erst nach den bekannten Regeln auf, sobald die entsprechende Anzahl an Abenteurern auf dem Feld steht. Der Clou der Schatzkammer ist, dass man bei Spielende in ihr keine Punkte bekommt. Es gilt also schnell zu sein, reinzugehen, Schätze einzusammeln und rechtzeitig wieder raus zu kommen.


Modul 5 - Exclusive Queenie

Mehr oder weniger eine Erweiterung zu den Erweiterungen. Hier gibts einfach noch etwas mehr Vielfalt zu den einzelnen Queenies. Bringt etwas mehr Abwechslung in die Queenies, wenn man diese bereits oft gespielt hat.

Ja, liebe Leute. Insgesamt halte ich es mit den Queenies wie mit allen anderen Erweiterungen. Diese unterteilen sich ja bekanntlich in „verbessern das Spiel“ und in „erweitern das Spiel“. Die Queenies bei Luxor fallen eindeutig unter die Kategorie „erweitern das Spiel“. Ich fand Luxor bereits in der Basisvariante toll. Gerade Modul 1 und 4 sind schicke Erweiterungen, die mir persönlich gut gefallen, sie sind aber nicht unbedingt notwendig. Spiele ich Luxor rauf und runter, dann greife ich gerade bei den eben genannten Modulen zu, da sie einen neuen Flair ins Spiel bringen. Die restlichen Module sind dann etwas für Luxor-Veteranen und Sammler.
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Luxor von Rüdiger Dorn
Erschienen bei Queen Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 40 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Queen Games)


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23.11.2018

Root


Root gehört definitiv zu einem der super gehypten Spiele der letzten Zeit. Bei Kickstarter finanziert und nun in aller Munde. Wird es dem Hype gerecht? Ich habe es mir genauer angeschaut und verrate Euch natürlich auch, ob ich Passagier des Hype-Trains bin, oder ob dieser an mir vorbei gefahren ist.

Die Geschichte in Root könnte auch gut Stoff für einen neuen Disney-Film sein. In einem Wald wurde das edle Vogelvolk der Eyre von der aufstrebenden Marquis de Cat vertrieben, die nun brutal und erbarmungslos den Wald beherrscht. Sägewerke werden errichtet, der Wald für die eigenen Bedürfnisse abgeholzt und massig Katzenkrieger werden auf Patrouille geschickt, um den Besitz zu sichern.
Zu einer jeden guten Geschichte gehört in dieser Art aber auch der wiedererstarkte Erzfeind (die Eyre), der sich aufmacht, um sich zu rächen und die ursprünglichen Machtverhältnisse wieder herzustellen, aber auch eine Allianz im Untergrund (Unterholz), die die einfachen Waldbewohner still und heimlich vereint, um den Tyrann zu stürzen.
…. und der Vagabund darf natürlich auch nicht fehlen. Der einsame Wanderer, der durch die Wälder streift auf der Suche nach Ruhm und Reichtum.


Gut. Die Hintergrundstory von Root hätten wir somit schon einmal erklärt. Die Basisbox kommt mit eben jenen eben vorgestellten vier Fraktionen, die sich mit der bereits erschienenen Erweiterung um zwei weitere Fraktionen erweitern lassen. Die Erweiterung lassen wir aber in diesem Text außen vor. Trotzdem gut zu wissen, dass es sie gibt. Sie hat nämlich ein Händlervolk (Biber) und einen Kult (Eidechsen).

Ich bin Euch aber noch den Bogen zum Disney-Film Vergleich schuldig. Root spielt, wie es bereits angeklungen ist, im Wald. Wir sind allesamt Tierwesen (Katzen, Vögel, Waschbären oder Mäuse) und bekamen eine echt knuffige Zeichnung spendiert, die auch gut in jedem x-beliebigen Kinderbuch bei den Kleinsten gut ankommen würde. Das nimmt dem eigentlich sehr erwachsenem und ernsten Thema (Rebellion, Aufstand, Unterdrückung) gehörig die Schärfe und transportiert das Thema eher in ein unterhaltsames Setting. Mir persönlich gefällt die grafische Gestaltung an dieser Stelle äußerst gut - auch wenn sie mich sehr oft an die Zeichentrick-Sendung „Happy Tree Fans“ erinnert.

Spielerisch ist Root kein leichter Happen, wie es vielleicht die grafische Gestaltung vermuten lässt. Wer den Vorgängertitel des Verlages „Vast“ kennt, weiß, dass der Verlag Leder Games auch für völlig asymmetrische Spiele steht. Asymmetrie in Spielen ist stets eine Herausforderung, da es nicht immer einfach ist, die Balance zwischen den Fraktionen zu behalten. In seinem spirituellen Vorgänger Vast ging der Autor jedoch einen Schritt weiter und perfektionierte den Gedanken der Asymmetrie in Spielen soweit, dass nicht nur die Fraktionen unterschiedliche Fähigkeiten hatten, sondern auch mehr oder weniger ihr völlig eigenes Spiel spielten mit unterschiedlichen Zugabläufen, unterschiedlichen Siegbedingungen, unterschiedlichen Wirkungsweisen auf die mitspielenden Charaktere. Das dies bei Vast gelang, kann getrost bis heute als ein kleiner Brettspielmeilenstein gelten. 


Die Probleme eines solchen Systems wie bei Vast lagen aber auf der Hand - eine erhebliche Einstiegshürde. Um das System vollends zu erfassen, musste nicht nur jeder die Spielregeln seiner eigenen Fraktion erlernen, sondern auch die Spielregeln sämtlicher im Spiel befindlicher Parteien, denn nur so konnte man überhaupt erahnen, was die Mitspieler zu tun im Stande waren. Vielleicht beseelt von dieser Kritik, kommt nun Vast mit einer Art Rückschritt im System selbst. In Root selbst spielen sich die Fraktionen nunmehr weiterhin äußerst asymmetrisch, aber diverse Grundkonzepte wurden vereinheitlicht und bilden eine Art gemeinsamer Pool für alle Mitspieler. Das erleichtert den Einstieg enorm, sodass der eben genannte „Rückschritt“ als eher positiv zu bewerten ist und mehr als eine Art „Anlauf“ zu verstehen ist, um das Konzept des Verlages auf ein neues und besseres Niveau zu heben. Meiner Meinung nach großen Anteil daran hat der Designer Cole Wehrle, welcher eben nicht der Designer des Vorgängers Vast war, sondern neu dazugestoßen ist, um das System auf eine spielbarere Ebene zu heben. Dies ist ihm gelungen.

Einer der Grundkonzepte in Root sind nunmehr die Siegbedingungen, welche vereinheitlicht wurden. War es in Vast noch für jede Fraktion höchst individuell, wie sie sich den Sieg schnappen konnte (Drache muss entkommen, Goblins müssen Ritter töten, Ritter muss Drachen töten, Höhle muss einstürzen etc.), kommt in Root die gute alte Siegpunktleiste zum Einsatz. Das Spiel endet (fast immer) sobald eine Partei 30 Siegpunkte erzielt hat. Das hat zwar zur Folge, dass die einzelnen Bedingungen nicht mehr ganz so thematisch wirken, wie sie es vielleicht bei Vast noch waren, nun aber deutlich greifbarer und überblickbarer sind. Man kann sehr gut sehen (und das wirklich im wörtlichen Sinne), wie weit eine Fraktion auf der Leiste vorgerückt ist. Das ist insofern auch wichtig bei einer solchen Art von Spiel, da es von Zeit zu Zeit sehr wichtig ist, gemeinsam gegen eine Fraktion vorzugehen, um sie am Davonziehen zu hindern.


Ein weiteres vereinheitlichtes Grundkonzept ist der Kampf, welcher in Root zwar stark vereinfacht mit einem doppelten Würfelwurf (zeigt Schaden an) dargestellt wird, aber durchaus seinen Zweck erfüllt und sich für mich gut ins restliche Spielgefühl einfügt, ohne es zu überladen. Schnell, präzise und auf den Punkt. Gespielt wird zudem auf einem Spielbrett. Bei Vast konnte sich die Karte zuerst entwickeln (in einer Version übernimmt sogar ein Spieler die Rolle der Karte/Höhle). Bei Root spielen wir im Wald, welcher sich in verschiedene Lichtungen und Waldstücke aufteilt (Flüsse kommen erst mit der Erweiterung zum Zuge). Die bereits zu Beginn vollkommen offen ausliegende Karte gibt Root im Vergleich zu Vast einen strategischen Ansatz. Das kommt dem Spiel an dieser Stelle auch zu Gute, da Root (und hier liegt vielleicht auch einer der großen Unterschiede) im Vergleich zu Vast eine Art Kriegsspiel ist, während ich Vast eher als eine Art Abenteuerspiel bezeichnen würde. Wer die COIN-Serie von GMT Games kennt (ansonsten gerne meine Rezensionen zu Andean Abyss und Pendragon lesen), der versteht vielleicht meinen Vergleich dazu, wenn ich sage, dass Root eine Art „COIN Light“ ist.


Insgesamt ist der Einstieg bei Root noch immer höher als bei den üblichen Neuheiten des Jahres. Trotz gemeinsamer Konzepte spielen sich die Fraktionen noch immer höchst unterschiedlich und verändern das Spielgefühl auch je nach Konstellation unterschiedlich stark. Die Katzen spielen sich dabei noch am intuitivsten. Ihre Aufgabe ist es eine Art Infrastruktur im Wald aufzubauen, Gebäude zu produzieren und diese mit ihrer zahlenmäßigen Übermacht an Einheiten zu beschützen. Die Siegpunkte, welche durch den Bau von Gebäuden erzielt werden, steigen dabei zwar langsam aber kontinuierlich an. Das Volk der Vögel hingegen muss in die Offensive gehen. Hauptantriebsmotor und Fluch zugleich ist deren Aktionsmechanismus, der aus einer Kartenprogrammierung besteht, die zu Beginn einer Runde abgegeben wird und danach stumpf abzuarbeiten ist. Schaffen die Vögel dies, bauen sie im Laufe einer Partie immer größer werdende Siegpunktsprünge auf. Scheitert die Programmierung (oder lassen sie andere Spieler scheitern) kommt es zu einer Revolution und zu einem derben Siegpunktrückschlag.

Die Rebellenallianz und der Vagabund agieren zunächst im Untergrund, und versuchen ein klein wenig ihr eigenes Spiel durchzuziehen, indem sie Sympathie im Wald streuen und versuchen Revolten anzuzetteln, bzw. durch den Wald zu streunern, Quests zu erledigen und Gegenstände mit den Fraktionen zu tauschen. Eine weitergehende Darstellung der Regeln der einzelnen Fraktionen ginge an dieser Stelle einfach zu weit.


Das System von Leder Games hat sich mit Root im Vergleich zu Vast weiterentwickelt. Gemeinsame Konzepte erleichtern den Einstieg und der Verständnis zu den Gegnerparteien und dennoch fasziniert die funktionierende Asymmetrie im Spiel, welche durch ein tolles Thema und eine optisch äußerst ansprechende grafische Gestaltung punktet. Dennoch braucht Root Zeit. Viel Zeit. Gerade in unserer heutigen Brettspielzeit muss ein Spiel bei vielen schnell zünden. Tut es das nicht, wird es schnell wieder auf den Stapel gelegt und eine weitere der unzähligen Neuheiten ausgekramt. Viele Spieler werden Root dabei nicht den Rahmen geben, den es braucht und meiner Meinung nach auch verdient. Root erfordert Disziplin es immer und immer wieder zu spielen und am besten auch mit einer festen Spielegruppe. Durch die Verzahnung der Fraktionen werden Neulinge am Tisch direkt bestraft. Nicht allein, da sie selbst mit der Einstiegshürde zu kämpfen haben, sondern auch weil für die erfahrenen Mitspieler am Tisch der bekannte Spieler am Tisch fehlt, der eben leider genau wissen muss, was in einer Spielsituation zu tun ist, sobald jene oder diese Fraktion folgendes macht. Root ist wie eine Art Melodie und wir sind die Musiker im Orchester. Nicht nur die Melodie muss erlernt werden, nein, auch das Zusammenspiel unter den Musikern. Tanzt einer dabei aus der Reihe, kann eine zuvor bereits einstudierte Melodie wieder an Eleganz verlieren und erfordert erneutes Training diese wieder zu verfeinern.


Root bleibt somit also ein Nischenprodukt, das mich oft mit seinen wunderbaren Konzepten begeistert hat, aber stets den Anschein erweckt hat, dass man noch nicht alles aus dem Spiel rausgeholt hat. Man merkt den Fortschritt. Mit jeder Partie in der festen Gruppe wird das Spielgefühl runder und eleganter. Ich habe aber immer das Gefühl, dass ich noch nicht am Ende angelangt bin, von dem was Root zu bieten hat. Das ist einerseits ein gutes, nein, ein wunderbares Signal. Es beweist, dass Root tiefgründig, fein konzipiert und vermutlich eines der besten Konzepte der letzten Jahre im Bereich der Brettspiele ist; es offenbart seine Schönheit jedoch erst nach unzähligen Partien und lässt den Spieler sehr oft mit einem Gefühl zurück, dass „mehr“ geht. Und mit „mehr geht“ möchte ich keine Enttäuschung ausdrücken. Seht es vielmehr als Aufruf an Euch Root zu spielen. Nehmt Euch aber eine feste Gruppe und Zeit.
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Root von Cole Wehrle
Erschienen bei Leder Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 75 Minuten
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sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Leder Games)


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21.11.2018

Paperback


Kein Spiel hat mich in letzter Zeit visuell so beeindruckt wie Paperback. Der kleine, aber feine Mix aus Deckbau- und Buchstabenspiel-Aspekten kommt unglaublich charmant daher und fängt das Setting der Schundromane im Taschenbuchformat perfekt ein. Und auch spielerisch überzeugt Paperback auf ganzer Linie.

Die Karten auf eurer Hand stellen Buchstaben dar, aus denen ihr in eurem Zug ein Wort bilden müsst. Je länger das Wort und je mehr schwierigere Buchstaben ihr verbaut, desto mehr Geld verdient ihr, mit dem ihr neue Buchstaben oder die wunderschön gestalteten Joker kaufen könnt, die nicht Geld, sondern Siegpunkte gewähren. 


Die Buchstabenkarten besitzen zum Teil auch Fähigkeiten, mit denen ihr mehr Geld verdient oder für den nächsten Zug mehr Karten auf die Hand nehmen dürft. Nur so ist es möglich, die Belohnungen für das Bilden von Wörtern mit zunächst sieben, dann acht, neun und zehn Buchstaben zu erhalten. Sobald ein zehn Buchstaben langes Wort gelegt wurde, ist das Spiel vorbei, alternativ auch dann, wenn zwei der vier ausliegenden Joker-/Siegpunktekartenstapel aufgebraucht wurden.


Im Großen und Ganzen sind damit die Regeln erklärt und das ist einer der größten Pluspunkte des Spiels. Es ist perfekt geeignet, um Neulinge in die Welt der Brettspiele einzuführen oder um absoluten Scrabble-Fanatikern mal eine Abwechslung zu bieten. Die Spielerinteraktivität hält sich zwar in Grenzen, äußert sich aber in der Regel in positivem Raunen, wenn einem der Mitspieler ein besonders schönes Wort gelungen ist. Zwar gibt es Angriffskarten, um Gegner zu stören, doch können diese auch einfach aus dem Spiel entfernt werden.


Überhaupt kommt das Spiel mit vielen Varianten inklusive, unter anderem mit einer voll kooperativen. So ist auch nach unzähligen Partien noch für Abwechslung gesorgt. Nichtsdestotrotz stellen sich besonders in den frühen Phasen des Spiels Abnutzungserscheinungen ein: Da die Starthand zudem immer dieselbe ist, legt man in den ersten Runden jeder Partie meist auch dieselben Wörter, bevor sich durch den Kauf neuer Buchstaben auch neue Möglichkeiten ergeben. Weil die Regeln außerdem kaum Einschränkungen bezüglich der zu bildenden Wörter machen, ist es keine große Herausforderung, irgendein halbwegs gutes zu legen. 


Paperback ist und bleibt trotz dieser kleinen Kritikpunkte ein angenehm leicht zu erlernendes, gemüliches Kartenspiel, das sich perfekt für Familienabende und Brettspielneulinge eignet und dabei auch noch verboten gut aussieht.
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Paperback von Tim Fowers
Erschienen bei Fowers Games
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 45 Minuten
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19.11.2018

Lifestyle


Mein Haus, mein Boot, mein Pferd... Wer kennt diese alte Werbung für ein Bankhaus nicht?! Das dachte sich Amigo wohl auch und hat daraus nun ein Push-Your-Luck-Würfelspiel entwickelt und frisch auf den Markt gebracht. Das Spiel wird ab 10 Jahren empfohlen, ist für 2-5 Spieler und geht im Schnitt 45 Minuten. Vorweg schon mal: 10 Jahre ist zu hoch angesetzt, ich denke Kinder ab 8 Jahren können ohne Hilfe mitspielen, Kinder ab 6 Jahren auch aber mit Hilfe. Die Zeitangabe hängt natürlich von der Spieleranzahl ab, kommt aber ganz gut hin.

Worum geht es also? Wir spielen quasi das Spiel des Lebens und wollen so viel wie möglich Immobilien und Autos sammeln, aber auch die besten Jobs an Land ziehen, Haustiere mein eigen nennen und die Liebe des Lebens finden. Eine gesunde, sportliche Lebensweise hilft natürlich auch... zu unserem Glück stehen uns drei Würfel zu Verfügung, mit denen ich nun die jeweiligen Luxusgüter versuche zu gewinnen.

Zu Spielbeginn ziehen wir vom Kartenstapel 9 Karten und legen diese in einem 3x3 Raster aus. Die Spieler nach dem Startspieler erhalten noch ansteigend Chips (erster Nachbar 1 Chip, der folgende 2 Chips, etc.), mit denen ich bei Abgabe jeweils einen Würfel neu werfen darf. Ich kann die Chips aber auch verwenden um später die Auslage mit neuen Karten zu ergänzen. 


In meinem Zug habe ich nun die Wahl Karten aus der Auslage zu nehmen und diese in meine Würfelzone zu legen (beim ersten Zug kann ich nur dies machen!) oder nach und nach die Karten in meiner Würfelzone in die Punktezone zu bringen, in dem ich die genannten Werte auf den Karten erreiche. Jede Karte gibt vor mit vielen Würfeln (1 bis 3) ich welchen Mindestwert erreichen muss. Der Clou ist, dass ich ALLE Karten in meiner Würfelzone in einem Zug schaffen muss. Gelingt mir ein Wert nicht, ist mein Zug beendet und wenn ich möchte kann ich dann Karten aus der Würfelzone komplett ablegen. Vor jedem Wurf kündige ich an, um welche Karte es geht, so dass ich nicht spontan entscheiden kann, für welche Karte nun dieser Wurf galt (bei gleicher Würfelanzahl). Je mehr Karten ich mir also in die Würfelzone lege, desto höher ist die Chance dass ich scheitere, aber solange sie bei mir liegen, kann kein anderer darum würfeln!! 

Bei der Auswahl der Karten ist auch zu beachten, dass ich entweder genau 1 Karte aus der Auslage nehme oder immer komplette Spalten oder Reihen. Die Auslage wird erst wieder aufgefüllt, wenn ALLE Karten genommen wurden oder ich Chips abgebe. Für 1 Chip kommen zwei neue Karten hinzu, bei zwei Chips kann ich die komplette Auslage auffüllen.

Bei den Karten gibt es verschiedene Kategorien, die uns am Ende unterschiedliche Punkte oder Vorteile geben, hier ein kleiner Überblick:


- Autos: jedes Auto gibt uns jeweils Punkte am Spielende, die auf der Karte festgehalten sind.
- Immobilien : hier kommt es darauf an so viele unterschiedliche Immobilien wie möglich zu sammeln, je mehr ich da habe desto mehr Punkte erhalte ich je Set.
- Haustiere: ich erhalten immer einen Chip, wenn ich ein Tier erhalte und für jedes Set von drei unterschiedlichen Tieren erhalte ich Punkte am Schluss
- Jobs: je nach Job erhalte ich für Karten anderer Kategorien Extrapunkte (z.B. Tierarzt = Extrapunkte für jede Tierkarte) 
- Liebe: es gibt Liebe in Verbindung mit Immobilien, Tiere, Autos und Jobs, je nach dem welche Liebeskarten ich habe, verdoppeln sie den Wert der jeweiligen Kategorie (habe ich also mit Tieren 20 punkte gemacht und habe die Liebeskarte Tiere, dann sind es schon 40 Punkte!)
- Sport: diese Karten sind während des Spiels wichtig, denn jede Sportkarte gibt mir die Chance meinen Würfelwurf abzuändern (einmalig je Karte im Zug). Entweder neu würfeln, Wert um 1 erhöhen oder einen Würfel direkt auf die vier legen. 

Das Spiel endet, sobald ein Spieler dran ist und keine Karten mehr in der Auslage liegen und auch nicht mehr nachgezogen werden können. Die Karten, die noch in der Würfelzone liegen können auch nicht mehr erwürfelt werden. Nun zählt man alle Punkte zusammen und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt und hat den luxuriösesten Lebensstandard.


Wie finde ich Lifestyle nun? Es ist das, was man für einen Preis von knapp 10€ erwarten kann. Ein Spiel für zwischendurch in dem das Glück gleich doppelt beansprucht wird: mit Würfeln und Push-Your-Luck. Das kann man mögen oder auch nicht. Trotz der Würfelorgie, gibt es dennoch kleine taktische Elemente. Denn es gilt stets zu überlegen, welche Karten man will, ob ich mich damit übernehme und was überlasse ich meinen Mitspielern. 

Das Thema ist hier sehr aufgesetzt, denn schlussendlich hätte man um alles würfeln können, es will auch nicht wirklich das Gefühl aufkommen, dass ma sich hier einen coolen Lebensstil erwürfelt. Viel mehr ist es einfach sammeln von Karten, um am Ende die meisten Punkte zu haben, egal ob mit Autos, Tieren oder Häusern. Auch find ich persönlich die Spielzeit für so eine Art Spiel etwas zu lang. Aber das hängt auch ein wenig von der Gruppengröße ab, so spielt sich eine Partie mit 4 oder 5 Spielern etwas schneller weg, da die Auslage schneller aufgefüllt wird. Aber wenn einem das Würfelglück komplett fehlt, kann es sich ziemlich ziehen, die gewünschten Karten zu erhalten. 

Auch die Endwertung wird einem nicht leicht gemacht, denn es gibt schon einiges zusammenzuzählen, hier wäre ein kleiner Block hilfreich gewesen. 


Die bisherigen Partien waren ok, nicht mehr, nicht weniger. Wie gesagt, es ist was es ist und zwar ein Würfelspiel bei dem man stark vom Glück abhängig ist. Bei dem Preis ist es kein Totalausfall, aber ich muss sagen, dass es vom gleichen Verlag stärkere Zwischendurch-Spiele gibt, die mich mehr in den Bann gezogen haben.


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Lifestyle von N/A
Erschienen bei Amigo
Für 2 bis 5 Spieler in ca. 45 Minuten
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18.11.2018

Lincoln


Der amerikanische Bürgerkrieg ist ein Thema, welches mich historisch sehr reizt und vermutlich neben der Entdeckung Amerikas für mich die interessanteste historische Epoche darstellt. Um ehrlich zu sein ist es jedoch aber auch ein Konflikt, über den ich nur mit gepflegtem Halbwissen prahlen kann, das häufig ein Sammelsurium aus Brettspielen (Liberty or Death von GMT) oder aus Computerspielen (North and South - kennt das noch wer?!) ist. Für mich war daher klar, dass Lincoln ein Spiel ist, welches in meine Sammlung gehört, denn anders als viele andere Verspielungen auf dem Brettspielmarkt zu diesem Thema handelt es sich bei Lincoln um ein Spiel, welches man mit zwei Personen in gut 1,5 - 2 Stunden spielen kann. Klar, der historische Kontext und der Detailgrad leiden daran etwas, aber die Grundessenz wurde eingefangen.


Lincoln ist ein Spiel von Martin Wallace, welcher mittlerweile seinen Hausverlag Treefrog Games aufgegeben hat und sich nun wieder vollends auf das Designen von Brettspielen konzentriert, was ich - und so viel Offtopic muss erlaubt sein - begrüße. Lincoln ist - und auch das ist für ein Spiel von Martin Wallace nicht ungewöhnlich - ein Deckbauspiel. Nein, falsch! Offiziell nennt es sich ein Deck-Deconstruction-Spiel, also ein Spiel, bei welchem man sein Kartendeck nicht aufbaut, sondern im Laufe einer Partie zerstört. Das ist insofern nicht nur eine clevere Marketing-Strategie, sondern eröffnet auch recht interessante neue Überlegungen, die im Laufe einer Partie Lincoln mit dem eigenen Kartendeck umgesetzt werden müssen.


Doch spulen wir mal ein wenig zurück. In Lincoln übernehmen genau zwei Spieler die Rollen der Südstaaten bzw. der Nordstaaten und versuchen den amerikanischen Bürgerkrieg für sich zu entscheiden. Die beiden Fraktionen spielen sich dabei höchst unterschiedlich. Motor des ganzen Systems ist ein Kartendeck, welches sich erheblich zwischen den beiden Fraktionen unterscheidet. In der Mitte liegt eine Karte, auf der es, anhand der Karten, gilt, Einheiten hin- und herzubewegen und wichtige Schlachten für sich zu entscheiden. Dass Lincoln in einer gewissen Weise ein Folge, Folge, Folgedesign seines Klassikers A Few Acres of Snow ist, sollte nun auch jedem bewusst sein. Das bekannte System hat Martin Wallace ja auch in weiteren Titeln übernommen, abgeändert und verfeinert (Mythotopia, A Handful of Stars).


Die einzelnen Decks der Fraktionen sind dabei auch historisch an die Situation angepasst. Der Norden verfügt über ein erhebliches Potential zum Rekrutieren neuer Einheiten und ist militärisch eher mit mittelprächtigen Generälen ausgestattet, während der Süden grandiose Generäle auf seinen Seiten hat, aber Probleme mit dem Rekrutieren neuer Truppen bzw. des Transportes eben jener. Der Spielablauf selbst stellt dabei ein Rennen für die Nordstaaten dar. Die Siegbedingungen sind nämlich recht unüblich für ein Spiel. Der Norden muss bis zum ersten Durchspielen seines Kartendecks mindestens zwei Siegpunkte errungen haben. Eben jene bekommt er durch das Einnehmen siegpunktbringender Schlüsselstädte, die zu Beginn durch den Süden kontrolliert werden. Das bringt sofort Spannung und Druck ins Spiel, denn das Deck des Nordens ist nicht sonderlich dick, sodass keine Zeit für einen behutsamen Aufbau bleibt. Es muss agiert werden. Das macht Lincoln spannend ab dem ersten Zug. Jeder Fehler wird bestraft. Schafft der Norden dieses Etappenziel nicht, gewinnt der Süden frühzeitig.


Doch der Druck bleibt beim Norden. Ist das erste Deck erst einmal durchgespielt, kommen für beide Parteien neue Karten hinzu, die auch der historischen Situation geschuldet sind. Der Norden erstarkt, erhält bessere Generäle und sinnvollere Karten - der Süden wird schwächer und schwächer. Nach dem zweiten Durchspielen des Nord-Decks muss der Norden schon 5 Siegpunkte sein Eigen nennen - demnach noch weiter angreifen und nach dem finalen Durchspielen (auch hier kommen zwischendurch weitere Karten hinzu) müssen ganze 12 Siegpunkte zu Buche stehen. Keine einfache Aufgabe. 

Die vermeintlich einfach Aufgabe des Südens besteht darin auszuharren und den Norden zu blockieren. Das gelingt in erster Linie mit der Kampfmechanik, bei welcher sich der Verteidiger freiwillig auf Raten zurückziehen kann und somit den Angreifer wertvolle Zeit kostet. Und wertvolle Karten. Warum wertvoll? Es gibt noch den Hauptmechanismus in Lincoln. Den Deck-Deconstruction-Mechanimus. Für fast jede meiner gespielten Karten - egal ob Norden oder Süden - muss ich zusätzliche Karten aus meiner Hand abwerfen bzw. die gespielte Karte permanent zerstören. Will ich beispielsweise eine meiner mächtigen 3-Stärke-Einheiten auf das Spielfeld bringen, muss ich nicht nur diese Karte permanent aus dem Spiel entfernen (und jede Karte hat mehrere Aktionsweisen, also verliere ich mächtige Zusatzeffekte permanent), sondern auch zwei zusätzliche Handkarten auf den Ablagestapel legen, die ich vielleicht gerne für etwas anderes verwendet hätte. Gerade für den Nordstaatler ist das immer eine äußerst knifflige Aufgabe, da er ja gegen die Zeit spielt. Mehr abgeworfene Karten bedeuten auch mehr Karten nachziehen und demnach auch schneller durch sein Deck spielen. Was aber, wenn ich mein Siegpunktlimit noch nicht erreicht habe? Ich stehe somit stets vor einer wichtigen Entscheidung in Lincoln  Der im Grundsatz sehr einfache Mechanismus, dass ich pro Zug zwei Aktionen ausführen darf und damit meine Multifunktionskarten nutzen muss, entpuppt sich bereits beim ersten Zug als herrlich komplex. Vielleicht baue ich lieber eine 2-Stärke-Truppe anstatt einer 3-Stärke-Truppe, damit ich nur eine Karte ablegen muss und die starke 3-Stärke-Truppe-Karte für seinen mächtigen Zusatzeffekt nutzen kann?


Hinter Lincoln versteckt sich ein tiefgründiges Spiel, was von der ersten Minute an Spannung aufbaut und schöne Entscheidungen bietet. Das Spiel lässt es dabei - trotz simpler Mechanismen - nicht vermissen ein gutes stimmungsvolles Ambiente zu schaffen, das in Grundzügen den amerikanischen Bürgerkrieg gut darstellt. Grafisch ist Lincoln meiner Meinung nach ohnehin toll gestaltet und definitiv einen Blick wert.

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Lincoln von Martin Wallace
Erschienen bei PSC Games
Für 2 Spieler in ca. 90 Minuten
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier PSC Games)


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16.11.2018

Burning Rome


Magic the Gathering etablierte seinerzeit das Sammelkartenspiel Genre. Zahlreiche andre Sammelkartenspiele adaptierten die Spielprinzipien von Magic, so z.B. Yu-Gi-Oh! oder Netrunner. Aber auch Brettspiele bedienten sich der cleveren Kartenmechaniken die Richard Garfield erfand: Permanente Karteneffekte, das „flippen“ einer Karte um den Effekt zu aktivieren oder das Ablegen von Tokens auf einer Karte um diese Stärker zu machen.

All diese Prinzipien finden sich heutzutage in Brettspielen wie Seasons oder X-Wing wieder. Und ab und zu erscheint auch ein reines Kartenspiel, das diese Prinzipien mit seiner eigenen besonderen Idee bzw. dem eigenen Twist und Charme umzusetzen versucht. So auch Burning Rome: Romes Nightmare von Emil Larsen.

Wie der Name schon verrät, ist das Thema des Spiels im antiken Rom angesiedelt. Jedoch fokussiert sich das Spiel weder auf den Aufbau der Stadt, noch geht es hier um das Besänftigen römischer Götter. Das Spiel dreht sich einzig und allein um all die historischen Schlachten, die das Römische Reich zu bestreiten hatte.


Das Basisspiel beinhaltet vier verschiedene Armeen: Die Römer, die Karthager, die Kelten und die Gaetuler. Dabei spielt sich jede Armee anders, da der Fokus bzw. die Effekte der Karten immer wo anders liegen. So sind die Gaetuler flinke Krieger die schnellen Schaden austeilen das heißt, dass man als Spieler ständig Karten zieht, und spielt und zwar schneller als der Gegner.

Die Kelten sind Experten im Aushungern. So ist man als Spieler ständig dabei Karten hinzuplatzieren und wieder wegzunehmen, dem Gegner die Lebenspunkte zu rauben während man selbst regeneriert, und ihn damit hinzuhalten bis er verliert. 

Die Römer sind Strategen, und setzen ihre Armee möglichst effektiv ein. Im Spiel zeichnet sich dies zum einen durch das viele Ausspielen von Taktikkarten, und zum anderen durch den Einsatz von Einheiten aus, die bestimmte gegnerische Einheiten auskontern. 

Die Karthager zeichnen sich durch ihre Stärke und Hingabe aus. Für den Spieler bedeutet das starke Karten mit ordentlichem Schaden spielen zu können, gleichzeitig aber einen Malus hinnehmen zu müssen.

Wie ihr lesen könnte, wurden die Fraktionen nicht nur anders betitelt; Jede Armee spielt sich einzigartig, was zu einem leichten asymmetrischen Spielerlebnis führt aber auch eine Menge Thema beisteuert. Gespielt wird typisch: Kartenkosten decken, Karte ausspielen, Effekt der Karte nutzen und gegnerische Karten angreifen.

Was Burning Rome aber von anderen ähnlichen Kartenspielen abhebt, ist dass die Position eurer Karten genauso wichtig ist wie deren Effekte. In diesem Spiel kämpfen die Armeen in Formationen gegeneinander. Das heißt dass es wichtig ist, in welcher Spalte eure Karten liegen, denn nur die Karten der gegenüberliegenden, gegnerischen Spalte können angegriffen werden.

So habt ihr und euer Gegner ein Zentrum mit zwei Flanken, also drei Spalten in denen ihr eure Soldaten platzieren könnt. Außerdem könnt ihr Soldaten übereinander Stapeln, was dazu führt, dass zum einen, die Karteneffekte der unten liegenden Soldaten keine Wirkung mehr haben, die kann auch vorteilhaft sein, und zum anderen der Soldat der unten liegt, zum Anführer der Truppe wird und sich dadurch seine Kampfwerte verändern.

Gekämpft wird ganz typisch durch das Vergleichen der Kampf und Verteidigungswerte, der Angreifers und Verteidigers. Die Differenz wird dann von den Armeestärkepunkten, was nichts anderes als Lebensenergie ist, abgezogen. Fällt diese auf null ist der Kampf verloren.


Eine weitere Möglichkeit zu gewinnen, ist es dem Gegner seiner Kommandopunkte zu berauben. Diese werden nämlich benötigt um Karten ausspielen zu können. Jede Karte kostet Kommandopunkte. Fällt dieser Wert jemals unter null ist das Spiel ebenfalls vorbei.

Und die letzte Besonderheit von Burning Rome sind die zahlreichen Generäle die jedem Volk zur Verfügung stehen. Ein General kann nur auf einer Karte liegen und bringt meist einen sehr starken Effekt mit sich. Manche Generäle haben auch einfach nur hohe Angriffswerte und verstärken die Truppe.

Neben dem freien Spiel bietet Burning Rome auch die Möglichkeit historische Schlachten nachzuspielen. Dabei ändert sich die Spielfeldgröße meist von drei auf fünf Spalten und begrenzt den Ablauf auf eine bestimmte Rundenanzahl.
Wem das ganze noch nicht genug ist, kann sich eine eigene Armee zusammenstellen. Dafür gibt es ein Punktesystem an dem man sich orientieren muss um eine Balance einzuhalten.

Uns hat Burning Rome ganz gut gefallen, obwohl ich sagen muss, dass mir das Thema absolut nicht gefällt. Dafür ist das darunter liegende Kartenspielsystem sehr gut durchdacht und individuell. Es macht aus einem kleinen Kartenspiel schon fast ein Miniaturen-Kriegsspiel. Das ist besonders dem clever durchdachten Spielsystem von Flanken, Zentren und Anführern zu verdanken.

Es ist definitiv kein Spiel für zwischendurch, da man sich mit den Armeen vertraut machen muss. Aber nicht nur dass, dadurch dass die Position der Karten entscheidend ist, ist es schwer einer Strategie treu zu bleiben. So muss man sich immer wieder am Gegner orientieren, was einen hohen Interaktionsfaktor mit sich bringt. Es hat aber auch nicht die Tiefe eines Netrunner oder Magic. 

Dennoch hat Burning Rome seine eigene Daseinsberechtigung, da es den Spagat aus Karten- und Kriegsspiel mit Bravour bewältigt.
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Burning Rome von Emil Larsen
Erschienen bei SunTzu Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 20 Minuten
Boardgamegeek-Link


sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier SunTzu Games)
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