29.06.2020

Big Monster


Die Meldung ist erst ein paar Tage alt. Skellig Games veröffentlicht eine deutsche Version von Big Monster vom französischen Verlag Explor8 und netterweise hat man uns vorab schon die Original-Version davon zukommen lassen, so dass wir euch gleich sagen können, wer das Spiel im Auge behalten sollte. Die deutsche Version wird dabei dem Original entsprechen, zumal das Material sprachneutral ist. Big Monster ist für 2-6 Spieler ab 10 Jahren und dauert ca. 30 Minuten. Autor ist Dimitri Perrier. 

[MATERIAL & ANLEITUNG]

Die kleine Schachtel ist verhältnismäßig schwer. Kein Wunder, befinden sich doch sehr viele Plättchen, sowie Tokens darin. Die Qualität ist dabei hervorragend, es fühlt sich alles sehr wertig an. Bei diesem Spiel aber auch wichtig, dass das Material einiges durchhält. 

Die Anleitung ist ebenfalls gelungen, es gibt ausreichend Beispiele und der Aufbau ist verständlich. Aber das Spielprinzip ist sowieso schnell verstanden.

Optisch gefallen mir die Monster sehr gut, leider nicht immer 100% harmonisch mit dem Hintergrund, aber für das Spiel selbst ist das gut so, da man so schneller die richtigen Plättchen erkennt. Die Raumschiff- bzw. Startplättchen und Punkte-Token gefallen mir persönlich jetzt nicht so gut, aber das ist natürlich Geschmacksache. 


[ABLAUF]

Big Monster bietet verschiedene Spiel-Modi, die von der Spieleranzahl abhängig sind. Es gibt einen Modus für 2-3 Spieler, dann einen für 4-6 Spieler und noch einen Team-Modus ebenfalls ab 4 Spieler. Von der Grundmechanik ändert sich eigentlich nur wenig, nur die Art des Draftens wird angepasst. Ich werde euch zunächst die Team-Variante ab 4 Spieler erklären, denn für meinen Begriff liegt hier das Herzstück und mehr oder weniger der USP. 

Wir sind alles Raumfahrer, welche auf einem neuen Planeten landen und nun so viele außerirdische Monster sammeln möchten wie möglich. Dabei ist aber auf einige Synergien zu achten. Zunächst stellen wir 2er-Teams zusammen (bei 5 Spieler fällt diese Variante also weg) und jeder Spieler erhält 9 Monster-Plättchen, sowie zwei Startplättchen (Landepunkt auf dem Planeten). Von den Startplättchen wird eine gewählt, da diese unterschiedliche Vorteile bieten. Manche geben bei Spielende Sonderpunkte für bestimmte Monster oder ähnliches. Das andere Startplättchen wird umgedreht und zeigt unser Raumschiff, hierauf legen wir die 9 Monsterplättchen verdeckt ab. 


In die Tischmitte legen wir auf einem kleinen Planeten Belohnungs-Medaillen, die wir im Laufe des Spiels erhalten können. Dazu später mehr. 
Auf ein Startsignal schnappen sich alle ihre 9 Monsterplättchen und wählen 1 davon und legen dieses verdeckt vor sich hin und legen die restlichen auf ein Raumschiff eines Gegen- oder Mitspielers, so lange dieses noch frei ist. Es kann vorkommen, dass alle anderen Plättchen besetzt sind, dann darf man die restlichen auch auf sein eigenes Plättchen legen. 

Nun drehen alle zeitgleich das gewählte Plättchen um und legen dieses an die Auslage an. Dabei gibt es nur wenig zu beachten. Ein Seite des Plättchens muss komplett an ein anderes Plättchen anliegen und die Ausrichtung des Monsters muss stimmen (alle mit dem Kopf nach oben). Aber natürlich kann ich noch mehr beachten bzw. sollte ich. 


Zum einen betreiben wir klassisches Set Collecting und versuchen so viele Monster einer Art zu sammeln, zumindest so lange bis ich die Vorgabe eines der Medaillen erfüllt habe. So heißt es z.B. sammelt zusammen 8 Runen-Monster. Haben wir dies am Ende einer Runde geschafft erhalten wir die Medaille und somit Siegpunkte bei Spielende. Dann haben manche Monster noch Kristalle an den Rändern und durch zusammenlegen, werde diese komplementiert. Bei den Eis-Monstern habe ich die Möglichkeit diese zu entwickeln. Hierfür benötige ich spezielle Monster, die beim Entwickeln helfen und die Eis-Monster sind danach deutlich mehr Punkte wert. 

Nach Anlegen des Plättchens geht es dann weiter und man wählt das nächste Monster-Plättchen von seinem neuen Stapel. In dieser Weise gehen wir vor bis ALLE Plättchen verbraucht wurden.

Bei Spielende werden nun von jedem Spieler die Monster, die Kristalle, das Startplättchen und die Medaillen gewertet. Achtung ist gibt auch eine negative Medaille, für denjenigen mit den wenigsten Sumpf- und Runenmonstern. Bei der Wertung hilft uns ein Block (sehr schön!), welcher sogar die Teams optisch zusammenführt. Am Ende zählt aber jeweils das niedrigste Ergebnis eines Team-Mitglieds und NICHT die Summe. Das Team mit dem höchsten Wert gewinnt das Spiel.


Wenn man nicht in Teams spielt, dann zählt jedes Ergebnis allein für einen selbst und es gewinnt derjenige mit den meisten Punkten. 
Bei 2 und 3 Spielern wird das Drafting geändert. Hier bekommt keiner Plättchen auf die Hand, sondern diese werden offen in zwei Reihen ausgelegt. Der Startspieler wählt eine Reihe, aus der nun gewählt wird. Dann darf er ein Monster für sich wählen und ein Monster welches aus dem Spiel kommt. Dann ist der nächste Spieler dran, so dass die Reihe geleert wird. In der folgenden Runde fügt man eine neue Reihe hinzu aus denen dann wieder eine gewählt wird. Beim Anlegen ändert sich dahingehend nichts. 

[FAZIT]

Big Monster ist ein tolles Familienspiel, welches Drafting, Tile Placement und Set Collection vereint. Klar wird hiermit kein Innovationspreis gewonnen, aber es verknüpft alles stimmig zusammen. Die Skalierung bei den Spielerzahlen ist ebenfalls gut gelöst und bringt in beiden Varianten Spaß. Klar, gerade das Team-Spiel hat hier den größten Reiz. Man will seinem Team-Partner schnell ein gutes Plättchen zuschustern, bevor andere den Platz belegen. Und hofft dann inständig, dass das Team-Mitglied auch erkennt, welches tolle Plättchen man ihm gegeben hat. Auch Kinder kann man toll einbinden, hier würde ich aber zu der 2-/3-Spieler Variante raten, die Hektik der anderen Variante könnte hier überfordern. 


Ich kann hier eigentlich nichts kritisieren, denn das Spiel ist was es sein möchte. Ein schnelles, spaßiges Familienspiel. Es ist schnell erklärt, schnell gespielt und lädt auf eine Revanche ein. Die Qualität ist ebenfalls toll, Abzüge gibt es bei der Gestaltung der Medaillen-Plättchen sowie dem Startplättchen, aber das ist auch nur mein persönlicher Geschmack.

Glückwunsch an Skellig Games für das wirklich gelungene Spiel. 

[Für wen ist das Spiel?]

Kinder: 4 von 5 (in der 2-/3-Spieler Variante werden auch Kinder schnell verstehen worauf es ankommt, sollten aber frustresistent sein, wenn der Papa mal wieder das benötigte Monster aus dem Spiel nimmt)

Familie: 5 von 5 (da will es hin und da kommt es auch hin. Kinder vs. Eltern vs. Großeltern wäre da eine tolle Idee für jede Menge Spaß im Team-Spiel)

Kenner: 2 von 5 (man muss schon überlegen, welches Monster man nimmt und weitergibt, aber am Ende wohl doch zu wenig, um die Kenner-Spieler zu begeistern)

Experten: 1 von 5 (es wird wohl auch den Experten Spaß bringen, aber nicht lange begeistern)


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Big Monster von Dimitri Perrier
Erschienen bei Skellig Games
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 25 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek-Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Skellig Games)


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27.06.2020

Vault of Dragons


Ein kleines aber feines Spiel in meiner Sammlung ist Sons of Anarchy aus dem Hause Game Force Nine. Der Titel kam in meinen Runden deshalb u. a. so gut an, da es sich relativ schnell runterspielt und dabei eine schöne Mischung aus Taktik und Konflikt aufs Brett bringt. Da nun mittlerweile die Lizenz hierzu ausgelaufen scheint, das grundsätzliche Spielsystem aber taugt, kam mit Vault of Dragons nun eine überarbeitete Version im D&D-Universum auf den Markt. Vault of Dragons nun aber als bloßes Re-Theme zu bezeichnen wäre falsch, denn das Spiel hat zwar das grundsätzliche „Stadt-System“ übernommen, aber - und soviel sei vorweggenommen - prima ins D&D-Universum eingebettet.


In Vault of Dragons finden wir uns als eine von vier möglichen Fraktionen in der allseits bekannten Stadt Waterdeep wieder. Unser Ziel? Als erster so viel Gerüchte aufschnappen, um uns durch den Dungeon unterhalb der Stadt durchzuprügeln und dann schlussendlich den namensgebenden Vault of Dragons zu öffnen und mit der Kohle uns ein schönes Leben zu machen.

Vault of Dragons kann somit grundsätzlich als Wettrennen bezeichnet werden, bei dem wir naturgemäß unseren Gegenübern versuchen Stöcke in die Speichen zu stecken, um uns einen Vorteil zu erhaschen. Das klappt auch soweit gut und ist in gut und gerne 75-90 Minuten erledigt. Das ganze wird mit einem Mehrheitssystem innerhalb der Modular aufgebauten Stadt Waterdeep gepaart, bei der wir in den unterschiedlichen Orten (die allesamt thematisch D&D bekannt sind) versuchen als einzige Fraktion zu verweilen, um die jeweiligen Aktionen der Orte auszulösen und am Rundende bestmöglich noch den Spezialbonus abzugreifen.


Die möglichen Aktionen der einzelnen Spieler, wie laufen, anheuern, kämpfen etc. sind also stets mit dem Gedanken verbunden: Versuche ich mich möglichst weit auszubreiten, um möglichst viele Orte zu dominieren? Oder versuche ich meine Macht zu zentralisieren und einzelne Orte relativ sicher zu halten? Ihr habt es bestimmt erwartet - die Optimallösung liegt irgendwo dazwischen, und da kommt schlussendlich auch der Reiz einer Partie Vault of Dragons zum tragen. Oftmals werde ich nämlich von den Gedanken getragen, dass ich diverse Boni meinen Gegenübern nicht gönne und deshalb versuche sie zu vertreiben. 

Das gelingt durch ein simples aber elegantes Kampfsystem, bei dem wir grundsätzlich aus drei unterschiedlichen Einheiten - nebst eigener Spezialfähigkeiten - wählen. D&D-typisch verfügt jede Einheit über einen eigenen Würfel. Während der Dieb mit dem W4 agiert und seine gegenüber vom Brett nehmen kann (Mord!), greifen die Magier zu einem W12 und der Krieger zu einem W10. D&D-Fans fühlen sich alleine aus der Würfelauswahl in einen Rollenspielabend versetzt. Thema gut aufgegriffen!


Vault of Dragons verläuft so über eine Vielzahl an Runden, bei denen ich Orte beherrsche, Items sammle und nach und nach meine Truppe stärke. Das ist auch bitter nötig, denn um in den späteren Dungeonleveln zu bestehen, brauche ich Schlagkraft. Thematisch wird es auch beim Abstieg in die selbigen. Das geschieht natürlich (wie sollte es auch anders sein) über die bekannte Kneipe, die den Weg zum Undermountain freigibt.

Wie eingangs bereits erwähnt, versteht sich Vault of Dragons als Wettlaufspiel, das mit einer schicken Portion Thematik daherkommt. Rein optisch punktet das Spiel nicht vollständig. Die Minis sind nach heutigem Standard okay bis schwach und das Modulare Waterdeep ist zwar zweckmäßig und fördert den Wiederspielreiz, aber so richtig schick sieht das Raster nicht aus. Das reißen auch die klassischen, aber super schicken Zeichnungen des Illustrators nicht raus. Viel wichtiger ist jedoch der Spielreiz und der liegt bei Vault of Dragons definitiv im oberen Drittel. Fans von D&D dürfen hier ruhig mal einen Blick riskieren, aber vor allem auch Spieler, die kurze Spiele mit schnellen Aktionsmöglichkeiten und viel Konflikt suchen, sind hier richtig. Der Verlag bleibt da seiner Linie treu, denn auch andere Titel des Sortiments, wie Spartacus oder Dune legen den Fokus auf der Interaktion.


Vault of Dragons ist also zusammenfassend gesehen eine Empfehlung. Wie man es vom Verlag bei bisherigen Titeln erwarten könnte, bietet das System auch ausreichend Platz für Erweiterungen (eine gibt es bereits), die weitere Klassen, neue Ortschaften und neue Mechanismen nach Waterdeep bringen. Bleibt noch ein letzter Vergleich, der wohl zwangsläufig mit dem anderen bekannten D&D-Brettspiel Lords of Waterdeep aufkommen muss. Beides sind zwar eurolastige Spiele mit viel Interaktion und direktem Konflikt, können aber mühelos nebeneinander in einer Spielsammlung bestehen. Vault of Dragons arbeitet noch viel mehr mit Würfeln und Zufall, während Lords of Waterdeep eher in die klassische Richtung des Ressourcen-Sammelns und -Einlösen geht.

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Vault of Dragons von Aaron Dill
Erschienen bei Gale Force Nine
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten ab 14 Jahren
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Game Force Nine)
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26.06.2020

Arschlochkind


Für mich war es ein deutscher Comedian Anfang der 2000er, der den Begriff des Arschlochkinds geprägt hat. Die darunter zusammengefassten Ergebnisse pädagogischer Fehlleistungen sind den meisten von uns in all ihren Facetten ein (klischeebehafteter) Begriff.

Jetzt kann ich mich mit dem Kartenspiel Arschlochkind jederzeit darum bemühen, die absurdesten Erziehungsmethoden an meinem fiktiven Nachwuchs auszuprobieren. Zusammen mit meinen MitspielerInnen wetteifere ich also darum, das mieseste Elternteil zu sein. 


Arschlochkind reiht sich mit dieser Prämisse also ein in Party-Kartenspiele wie Munchkin, Chez Geek oder Spank the Monkey und möchte den Spielenden einfach eine gute, witzige Zeit schenken. Das beginnt schon mit der Zuteilung des Kindes, das man durch die drei Phasen „Kleinkind“, „Schüler“ und „Teenager“ begleitet und „erzieht“. Vom Dreckspatz über die Petze und den Besserwisser ist bis zur Heulsuse alles dabei. In jeder der drei Wachstumsphasen werden reihum Erziehungskarten auf das eigene oder die Kinder der Mitspielenden gespielt, um die Werte des gewählten Görs zu verschlechtern oder zu verbessern.


Wer am Ende die niedrigste Punktzahl – und damit das größte Arschlochkind – hat, gewinnt. Die Erziehungskarten sind dabei das Herz des Spiels. Die Werte der Kinder (Gesundheit, Freiheit, Liebe, Macht & Erfolg) werden durch krude Erziehungsmaßnahmen verändert. Für jede der drei Wachstumsphasen gibt es ein eigenes passendes Deck mit pädagogischen Totalausfällen. Kleinkinder werden da schon mal mit Whiskey ruhiggestellt, Schüler bis zum Alter von zwölf Jahren gestillt und Teenies zum Leben auf der Straße verdonnert. Die Geschichten, die dabei für die einzelnen Kinder entstehen, sind skurril-witzig und machen besonders Spaß, wenn man seinem Kind anfangs einen passenden Namen gegeben hat. Schön chaotisch wird die Runde dann noch, wenn Abwehrkarten zum Einsatz kommen, um Erziehungskarten oder andere Abwehrkarten abzuwehren.

Nach vier Runden ist eine Wachstumsphase abgeschlossen und es wird gewertet. Dabei zählt man die Werte des Kindes zusammen und es ergibt sich eine Zwischenpunktzahl. Das Spannende an Arschlochkind ist, wie diese Werte zustande kommen. Alle Spielkarten mit Ausnahme der Kinder sind farblos, also durchsichtig. Die Erziehungskarten verändern meist nur einzelne Werte und die entsprechende Karte wird einfach auf das Arschlochkind gelegt, wo es die zuvor sichtbaren Werte teilweise verdeckt. 


Man hat daher immer ein Auge drauf, sein eigenes Kind gleichmäßig in allen Bereichen schlecht zu erziehen, während man bei den Mitspielenden das genaue Gegenteil versucht. Das ist vor allem in der letzten der vier Runden einer Phase relevant, wenn man keine Karten mehr auf das eigene Kind spielen darf. Dass pro Phase nur vier Züge möglich sind, macht planvolles Vorgehen nötig, um möglichst effizient zu spielen. Gleichzeitig kommt das Spiel so in einen passenden Rhythmus, ohne langatmig zu werden.

Wer den manchmal etwas härteren, politisch nicht ganz korrekten Humor von Arschlochkind zu schätzen weiß, wird mit dem Spiel seine helle Freude haben. Von den Mechaniken her ist das Ganze nichts Besonderes, aber es geht auch einfach mehr um die Gaudi, die man beim Ausspielen der Karten und beim „Schlechte-Eltern-Rollenspiel“ haben kann. Dennoch fragt man sich, wie lange das Spiel witzig bleibt. Mit ein und derselben Gruppe wird man wohl maximal zwei, drei unterhaltsame Runden spielen können, ehe sich die Gags wiederholen und ein relativ simples Kartenspiel übrigbleibt.

Wem das reicht, der macht mit Arschlochkind definitiv nichts falsch. Ansonsten sollte man sich aber eher mit den bereits weiter oben genannten Alternativen, wie etwa Munchkin beschäftigen.
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Arschlochkind von Angela Vögtli
Erschienen bei Kampfhummel Spiele
Für 3 bis 6 Spieler in 75 Minuten ab 16 Jahren
Boardgamegeek Link

sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Kampfhummel Spiele)


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25.06.2020

Fisch-Alarm im Froschteich


Wie einige von Euch sicherlich schon gemerkt haben, fallen mir bei so manchen Brettspielen schnell Analogien zu Videospielen aus der grauen Vorzeit ein. Dies war bei Fisch-Alarm im Froschteich zunächst nicht der Fall. Etwas verwirrt hat mich nämlich zunächst der Widerspruch zwischen Packungsdesign und Kennzeichnung des Spiels. Während die Verpackung nämlich ein astreines Kinderspiel suggeriert steht auf der Packung dann das Kennzeichen „Familienspiel“ und „6 Jahre+“. Hm. Trügt da der Schein? Ohne hier zu viel vorweg nehmen zu wollen, kann ich guten Gewissens behaupten, dass der Schein nicht trügt. Fisch-Alarm im Froschteich ist aus meiner Sicht ein reines Kinderspiel und die Altersempfehlung viel zu hoch gegriffen. Abseits dieses Fauxpas macht es aber vieles richtig.


Beim Auspacken entdeckt man zunächst die wirklich ordentlich gearbeiteten Komponenten. Ein kreisrundes Spielbrett, einen großen silbernen Fisch und viele – haptisch sehr gut ausgearbeitete und stabile – Frösche. Der Fisch kommt in die Mitte des Bretts und jeder Spieler sucht sich eine Froschfamilie aus. Ziel des Spiels ist es nun, die eigene Froschfamilie von der einen Seite des Spielbretts zur anderen zu bringen, ohne dass sie vom Fisch gefressen werden. Dabei hat jede Froschfamilie einen eigenen Start- und Zielpunkt, so dass alle kreuz und quer übers Spielfeld hüpfen. Aha…das gute alte „Frogger“ lässt grüßen, dachte ich mir dann doch direkt, auch wenn wir hier keine Autos in unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Fahrtrichtungen haben. Wird ein Frosch vom Fisch geschnappt, kommt er wieder zum Start zurück. Wir haben hier also eine schicke Mischung aus "Frogger" und "Mensch ärgere Dich nicht", nur ohne Würfel – und somit ohne Glücksfaktor. 


Reihum darf nämlich jeder einen seiner Frösche bewegen. Die „Eltern“ dürfen jeweils zwei Seerosen weit hüpfen und die „Kinder“ sogar drei. Fremde Frösche dürfen übersprungen werden, sofern in gerader Linie hinter ihnen ein Feld frei ist. Das übersprungene Feld zählt nicht mit. Dafür dürfen hier nie zwei Frösche auf einem Feld stehen Durch schlaues Hüpfen kommt man also schneller voran, als normal. Wer einen Frosch ins Ziel bringt, darf dann endlich den Fisch um zwei Felder bewegen und einen gegnerischen Frosch aufmampfen.

Soweit die Grundregeln („Junior-Variante“). SmartGames-typisch gibt es aber eine weitere Schwierigkeitsstufe, nämlich das Experten-Level. Hier darf ein Kinderfrosch jederzeit auf den Rücken eines Elternteils hopsen und mit diesem durch den Teich kommen. Der Vorteil: Dem Fisch ist dieses Gespann zu groß und er kann keinen von beiden fressen. Der Nachteil: Froschmama oder –papa haben weniger Sprungkraft, so dass unser Team nur noch ein Feld pro Runde springen kann. Außerdem dürfen beide nicht gemeinsam ins Ziel springen. Darüber hinaus kann bei diesem Level ein großer Frosch jederzeit auf einen kleineren springen und ihn unter sich „gefangen nehmen“. Der kleine Frosch kann sich dann so lange nicht mehr bewegen, bis der Große weg hüpft oder vom Fisch gefressen wird.


Mit ihrem ersten Mehrspielerspiel haben SmartGames also ein durchaus ansehnliches Kinderspiel mit strategischer Komponente auf den Markt gebracht. Hierdurch eignet es sich zwar nicht dazu, die kleinsten der Kleinen allein auf den Teich los zu lassen. Nach mehreren Übungsrunden schaffen es aber auch schon (etwas Ältere) 4-jährige, ihre Familien über den Teich zu bringen. Unsere 5-jährige schaffte das jedenfalls auf dem Experten-Level schon ganz wunderbar (und findet die Frösche ganz ganz toll). Älteren Menschen – allen voran uns Eltern – dürfte Fisch-Alarm im Froschteich dann aber mittelfristig doch etwas zu seicht sein, so dass es sich hier für mich definitiv eher um ein Kinderspiel als um ein Familienspiel handelt. Aber das ist zu verschmerzen.
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Fischalarm im Froschteich
Erschienen bei SmartGames
Für 2 bis 6 Spieler in ca. 20 Minuten ab 10 Jahren

sämtliche Bilder sind von www.boardgamegeek oder dem jeweiligen Verlag (hier SmartGames)
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24.06.2020

Betrayal at House on the Hill


Als ich mit dem Brettspielen begann, gab es für mich drei Spiele am Brettspielhimmel, die auf meiner Must-Have-Liste standen. Diese waren seinerzeit Winter Der Toten, Twilight Struggle und Betrayal at House On The Hill (Betrayal). Während ich mir die ersten beiden Spiele schnellstmöglich besorgte, musste Betrayal leider im Schaufenster verweilen, da ich wusste, dass man in diesem Spiel, im geheimen lange Texte lesen musste und ich dies nicht all meinen Freunden zutraute. Nicht das Lesen an sich traute ich meinen Freunden nicht zu, sondern das Übersetzen aus dem englischen, denn Betrayal gab es die meiste Zeit nur auf englisch. Und heute, knapp 6 Jahre und über 200 Brettspiele später erscheint Betrayal endlich auch auf deutsch, und das ganze 16 Jahre nach seinem Release Termin. Ob sich das lange Warten gelohnt hat?


Betrayel at House On The Hill lässt sich relative schnell in die Ameritrash-Schublade stecken; Laufen, Sammeln, Kämpfen und viele Würfel würfeln. Zwischen drei und sechs Spieler starten das Abenteuer in einem weiten Flur, eines verfluchten Hauses. Jeder Spieler kontrolliert einen Charakter mit individuellen physischen und psychischen Werten, wie Tempo, Stärke, Verstand und Wissen. Diese Werte werden im Laufe des Spiels manipuliert, sodass die Protagonisten stärker bzw. schwächer werden oder sogar sterben, wenn auch nur einer dieser Werte auf 0 sinkt. Zunächst haben jedoch alle ein gemeinsames Ziel, nämlich die Erkundung dieses verfluchten Anwesens und das Ausfindigmachen des grausamen Fluchs der hier lastet. Nach und nach werden dabei neue Räume aufgedeckt, die, je nach dem auf welcher Etage sich die Figuren befinden, an die vorhandenen Plättchen angelegt werden und so nach und nach eine riesige Villa entstehen lassen. Außerdem haben manche Räume besondere Eigenschaften, die euer Würfelglück auf die Probestellen und euch u. U. bestrafen, wenn ihr beispielsweise einen gefährlichen Abhang überqueren oder auf dem Friedhof nicht dem Wahnsinn verfallen dürft. Die meisten Räume aber, tragen ein Symbol, das auf einen der drei Kartenstapel verweist. Entweder ihr bekommt einen Gegenstand, wie z. B. eine Waffe oder eine merkwürdige Schatulle, löst ein Ereignis aus, dass u. U. auch andere Spieler beeinflusst oder ihr zieht eine Omen Karte, die entweder einen Gegenstand oder ein Ereignis darstellt, darüber hinaus aber, den Fluch antreibt. Jedes Mal, wenn eine solche Omenkarte gezogen wurde, muss ein Spieler alle sechs Würfel würfeln, um zu sehen, ob der Fluch ausgelöst wurde. Dabei gilt, ist die Augenanzahl der Würfel kleiner als die Summe aller Omenkarten, geht der Horror los, ansonsten bleibt erstmal alles wie gehabt.


Wird der Fluch ausgelöst, kippt das Spielgeschehen und aus dem kooperativen Spiel, wird eine „einer Gegen alle“ Menschenjagd, wenn man denn bis dahin noch menschlich ist. Nun muss der Verräter, den der Fluch meist zufällig trifft, über die letzte Omenkarte und den Raum, in dem er sich befindet, in dem Verräterhandbuch nachschlagen, welcher Fluch ihn jetzt getroffen hat und wie dieser das Spielgeschehen verändert. Gleichzeitig dürfen alle anderen Spieler im Überlebendenhandbuch nachschlagen, wie sie den besagten Fluch nun besiegen und sicher aus dem Anwesen entkommen können. An diese Stelle möchte ich nicht viel mehr verraten, da die Szenarien alle wirklich sehr vielseitig und abwechslungsreich sind, und ich nichts von den Überraschungen vorwegnehmen möchte, die euch hier erwarten können. Nur so viel sei gesagt, der Verräter bekommt Wissen und Fähigkeiten, die den anderen Spielern verwehrt bleiben und wird so zum mächtigen Bösewicht, der Monsterhorden kontrollieren oder Fallen auslösen kann.


Betrayal at House On The Hill hat sich nach knapp 16 Jahren, als ein absoluter Klassiker beweisen können. Es wird immer noch gespielt und sogar eine Legacyversion gibt es mittlerweile. Wenig verwunderlich also, dass lediglich der Text übersetzt und ansonsten nichts modernisiert oder verbessert wurde. Dabei schaue ich besonders auf die Charakterkarten. Diese Pentagon-förmigen Pappplättchen werden mit kleinen Plastikschiebern versehen um die Statuswerte der Charaktere zu trecken. Diese Plastikschieber sind aber so verdammt eng, dass es unmöglich ist sie zu schieben. Stattdessen muss man sie abnehmen und am entsprechenden Wert wieder anbringen. Das ist nicht nur nervig, sondern zerstört auch langsam aber sicher die Charakterkarten. Meine Recherche hierzu ergab, dass die Trecker irgendwann ausleiern und dann so lose sind, dass sie sich immer wieder von selbst verschieben werden. Das heißt, dass es irgendwann zwischen diesen beiden Extremzuständen, eine Phase geben wird, wo die Trecker so funktionieren wie gedacht…


Nach dieser sehr speziellen Kritik möchte ich aber nun sagen, dass Betrayal ein wirklich einzigartiges und extrem spaßiges Spiel ist. Das Earlygame spielt sich zwar meist gleich, hier geht es darum zu looten und zu leveln, schnell so viele Räume wie möglich aufdecken und so viele nützliche Gegenstände wie möglich sammeln, bevor der Verräter deklariert wird, wird durch die zufallsbasierende Raumgestaltung aber immer wieder neu erfunden. Glänzen tut das Spiel aber natürlich dann, wenn der Verräter deklariert wird. Pech nur, wenn der Verräter derjenige mit dem stärksten Loot und den höchsten Stats ist. Dann haben die anderen meist keine Chance und es gibt nichts, was das Balancing wieder herstellt. Andersherum hat der Verräter keine Chance, wenn er im Early Game Pech hatte. Aber darum geht es hier eigentlich auch nicht, denn wer sich auf Betrayal einlässt, akzeptiert, dass hier fast alles vom Würfelglück abhängt; es ist nun mal Ameritrash durch und durch. Dafür wird man jedoch vom Anfang bis Ende mit einem so starken Thema zugeschüttet, dass tatsächlich eine Horrorfilm-ähnliche Stimmung entsteht. Viele Szenarien sind nämlich direkt von Filmen wie SAW, Dracula oder Zombi inspiriert und strotzen nur so vor Anspielungen. Die Regeln sind sehr schnell erklärt und eine Runde dauert gerade so lang, dass das nicht vorhanden Balancing schnell vergessen ist und man gleich die nächste starten möchte. Außerdem gibt es vorbemalte Miniaturen, die zwar aus Gummi sind, das Thema aber dennoch deutlich aufwerten. Betrayal at House On The Hill ist ein verdienter Klassiker, der bei uns ab jetzt öfter auf den Tisch kommen wird. Trashig und spaßig, genau wie ein guter Horrorfilm a lá The Cabin In The Woods.

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Betrayal at House on the Hill von Bruce Glassco, Rob Daviau, Bill McQuillan, Mike Selinker, Teeuwynn Woodruff
Erschienen bei Avalon Hill Games
Für 3 bis 6 Spieler in ca. 60 Minuten ab 12 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Avalon Hill Games)

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22.06.2020

Domination


Hier ist der Name Programm – denn es geht um nichts anderes, als die Welt zu dominieren. Entweder als Alliierten die Achsen-Mächte im Zaum halten, oder aber als Achse die Welt unterjochen. Klingt episch, klingt groß, und genau diese War-Game-Weltkriegskonstellation wirft uns Domination auf den Tisch und verspricht: Viel Spaß, es dauert auch nur 90 Minuten. Na dann, rein ins Vergnügen! 


Vor uns aufgebaut erstreckt sich eine Weltkarte, mit relativ abstrakten Regionen, die dennoch die typischen geografischen Formen aufweisen. Es gibt Land, Meer und Küste und entsprechende Verbindungen zwischen den Gebieten, die entweder nur von Land- oder nur von Wassereinheiten überwunden werden können. Und dann bekommt jede*r noch eine Technologiebrettchen – hui, jetzt wird’s spannend. Darauf werden Würfelchen in bunten Farben ausgelegt und es wird schnell deutlich, dass wir uns entlang der abgebildeten Tech-Trees entwickeln können. Nun werden noch die Starteinheiten auf dem Brett verteilt, die Karten gemischt und schon kanns losgehen. Die Qualität des Materials ist dabei durchaus solide – wohlgemerkt, dass es sich bei meiner Kopie noch um einen Prototypen handelt, was man vor allem bei der Anleitung sieht. Diese wird im fertigen Produkt dann um Meilen besser sein, daher keine Kritik dafür. Das Brett, die Karten und der Rest sind gut! Sogar ich hatte schon 3D-gedruckte Miniaturen dabei, wo sich die Panzer der verschiedenen Nationen unterschieden haben – Großartig! Ich denke auch, dass die Miniaturen am Ende bestimmt sogar noch besser sein werden. Doch genug zum Material, wie geht’s nun?


Erschreckend einfach, wenn man die erste Hürde genommen hat. Und darin liegt definitiv die Stärke von Domination. Es überfrachtet nicht, wie andere Vertreter des Genres, die Spieler*innen mit enorm vielen Regeln, um Tiefe zu erzeugen. Nein, hier wird alles über Karten gesteuert, und dennoch hat man das Gefühl, dass es so viele Möglichkeiten gibt, die man am liebsten alle sofort ausführen möchte. Jede*r spielt reihum eine Karte. Das wars. Krass einfach, oder? Manchmal haben einige Beteiligte eine Karte mehr, die sind dann halt einmal mehr dran. Diese Karten erfüllen dabei mehrere Funktionen zugleich – ein Merkmal womit auch schon Mini-WW-II, der Vorgänger, glänzte. Man kann die Karte in drei Arten spielen: Entweder nutzt man die Operation-Points oben links in der Ecke, oder das Entwicklungssymbol oben rechts oder aber, wenn die Farbe am unteren Ende der Karte zur eigenen Nation passt, dann den Effekt der Karte. Mit den Operation-Points passieren genau die klassischen Dinge: neue Einheiten Einsetzen, Einheiten bewegen, feindliche Einheiten zerstören. Das schöne an Domination ist, dass der Kampf zu Null-Komma-Nix glücksabhängig ist. Wenn man in Reichweite ist und genügend OP hat, dann zerstört man einfach. Boom! Dieser Umstand führt zu interessanten Frontverläufen, da man sich nicht zu nah an feindliche Einheiten heranbewegen will, man nicht selbst direkt einen Angriff starten kann. Wie viel das alles kostet, hängt übrigens von der jeweiligen Entwicklungsstufe im Tech-Tree ab. Ich selbst habe es als sehr effizient empfunden, meine Zerstörungskraft zu verbessern, denn diese kann man von 3 auf 1 OP senken, das Einsetzen von Einheiten wird jedoch immer mindestens 2 OP kosten. Auf lange Sicht ist man daher im Vorteil.


Auch kann man, wie bereits angesprochen die Karte zur Entwicklung nutzen, dabei jedoch nur eine pro Runde, was dann doch stark ans Abwägen geht, wohin man sich entwickeln möchte. Hier bietet das Spiel enorm viele Möglichkeiten: Von der bereits erwähnten Verbesserung der Grundaktionen über Spionage beim Feind oder aber der Entwicklung von Bombentechnologie ist alles machbar. Diese Auswahl wird durch die Karteneffekte noch übertroffen, sie hier aufzuführen sprengt den Rahmen und nimmt euch die Überraschung, sie zu entdecken. Nur soviel: Man kann dem Feind zum Beispiel auch mit finanzierten Widerstandskämpfern im eigenen Land schaden – großartig! 

Ihr merkt, es ist sehr kartengesteuert. Um hier dann auch noch den letzten Glücksaspekt zu minimieren, werden diese Karten gedraftet. Man weiß, was man seinen Gegenspielern gibt! Und wie viel Freude Drafting in einem taktischen Kartenspiel macht, brauche ich hier wohl niemandem erläutern. 


Alles in allem macht Domination vieles richtig. Wohlgemerkt: Es ist und bleibt ein Kriegsspiel. Es ist ein andauerndes vor und zurück der Front. Mal wird man vom Gegner ordentlich zusammengequetscht, mal kann man selbst die Oberhand gewinnen. Es ist ein Gemetzel über die ganze Welt, was vor allem zu viert ordentlich Spaß macht (zu zweit oder dritt geht’s auch, doch glänzt Domination erst in voller Besetzung). Es hält sich auch an seinen Rahmen: Wenn es alle können und niemand sehr lang grübelt, spielt man den WWII in 90 Minuten. Zur „ersten Edition“, dem Vorgänger Mini-WWII hat sich einiges verbessert, zum Beispiel ist die Karte geografischer geworden. Doch das wohl beste Upgrade ist der Tech-Tree, den man jetzt munter hochentwickeln kann und nicht mehr irgendwie durch Karten anzeigen muss. Ob einem die düsterere Aufmachung gefällt, oder doch lieber die Sandtöne des Vorgängers, ist Geschmackssache. 

Um es kurz zu machen: Hast du und im besten Fall drei weitere, Lust auf ein Kriegsspiel, in dem alles zusammenpasst, die Kartensteuerung wirklich gut ist und Glück keine große Rolle spielt? Na dann, worauf wartest du? Schau’s dir an!!!


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Dominion von Wei-Cheng Cheng
Erscheint bei Phalanx Games
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 90 Minuten ab 10 Jahren
Boardgamegeek Link



sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder aus dem Pressematerial des jeweiligen Verlages (hier Phalanx Games)

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20.06.2020

Gladigala


Kennst du das? Du holst zum glorreichen Schlag mit deiner Lieblingsstreitkeule aus, hörst schon den tosenden Applaus der begeisterten Menge, verfehlst jedoch zu deinem eigenen Erstaunen dein geschickt ausweichendes Gegenüber und wirst seitlich von einem herannahenden Speer aufgespießt. Nein? Echt noch nie erlebt? Na dann wird es vielleicht Zeit für eine Runde Gladigala!

In dieser planungsbasierten und actionreichen Arenaprügelei tust du alles, um dem nach spektakulären Kampfszenen lechzenden Publikum eine angemessene Show zu bieten, aus der deine Gladiatorenschule mit den allerbesten Champions möglichst siegreich hervorgehen sollte. Für erfolgreiche Angriffe, das Aktivieren des Publikums im richtigen Moment und das weitsichtige Wetten auf schlappmachende Kämpfer gibt es Münzen, die zwar für Upgrades und dergleichen ausgegeben werden können, am Ende der Vorstellung jedoch bestimmen, welche Gladiatorenschule am erfolgreichsten war und die Medaille mit nach Hause nimmt. Allerdings ist es noch mehr Wert, den goldenen Adler der gegnerischen Schulen in der Arena zu stibitzen und in die „Safe Zone“ zu tragen. Gelingt dies einem Spieler, ist das Geld nur Nebensache.


Die Vormittagsvorstellung ist gelaufen, du hast weniger Geld als deine Konkurrenten und auch die goldenen Adler deiner Gegner waren für dich dieses Mal unerreichbar? Nicht verzagen! Denn die Nachmittagsvorstellung beginnt gleich und dieses Mal wirst du es den anderen zeigen und dem Publikum eine wahre Gladigala vor den Latz knallen!

Material

Neben dem 8 x 8 Felder großen Arena-Board findet ihr beim Öffnen der Schachtel insgesamt 16 unbemalte Gladiatorenminiaturen in vier verschiedenen den vorhandenen Gladiatorentypen entsprechenden Designs (Schwert-, Speer-, Dolch- und Keulenkämpfer), 24 verschiedenfarbige Ansteckbasen für die Miniaturen, 16 den verschiedenen Gladiatorentypen zugeordnete Magnettafeln für die Planung, 12 Standfüße und 24 schwarze Metallscheiben für die Magnettafeln, 24 Angriffsmarker aus Holz, 12 rote Treffermarker aus Plastik, eine zentrale Bühne in Form einer runden Holzscheibe, vier taktische Übersichtstafeln sowie 24 Schulsymbolmarker, 12 Publikumsmarker, 4 Adlermarker, 2 Medaillen und 39 Münzmarker aus Pappe. Die Miniaturen sind recht hübsch, die Magnet- und taktischen Übersichtskarten durchaus hochwertig und auch sonst gibt es am bunt aus Pappe, Plastik und Holz zusammengewürfelten Material nichts auszusetzen. Eine kleine Kritik sei hier vorab jedoch erlaubt. Es wäre nämlich schön gewesen, wenn das ganze tolle Material auch problemlos in die dafür vorgesehene Spielschachtel gepasst hätte, doch egal wie ich das Material auch hin und her geschoben habe, die Schachtel ging am Ende leider nie ganz zu. Doch an diesem kleinen Makel wollen wir uns jetzt nicht allzu sehr stören und werfen lieber einen Blick auf den Spielablauf und das anschließende Fazit.


Ablauf

Eine Standardpartie Gladigala verläuft über zwei Wettkämpfe, die zunächst jeweils mit der Ausrüstungsphase beginnen, in der die Spieler ihre Gladiatorenschulen aussuchen und ihre Gladiatoren(typen) eher zufällig zugewiesen bekommen. Nachdem die Gladiatoren mit den Ansteckbasen in Spielerfarbe versehen wurden und sich jeder Spieler die entsprechenden Magnettafeln geschnappt hat, werden die Gladiatoren sowie der goldene Adler jedes Spielers nach bestimmten Regeln in der Arena platziert, wobei der Spielaufbau je nach Spielerzahl variiert. Bevor es dann ans Planen und Kloppen geht, platzieren die Spieler reihum noch ihre Publikumsmarker am Rand des Spielfelds, sodass immer nur ein Publikumsmarker genau einer Reihe oder Spalte zugeordnet ist, und geben eine Strategieerklärung ab, indem sie auf die fünf Gladiatoren wetten, die die Arena vermutlich als erste verlassen werden. Und vier Seiten der Spielanleitung später kommen wir nun endlich zum Kerngeschehen in Gladigala, der Planungs- und Kampfphase!


In der Planungsphase wählen die Spieler gleichzeitig und geheim, wie sich ihre Champions in dieser Runde bewegen sollen und auf welchem Feld sie angreifen. Für die Bewegung sind für jeden der eigenen Gladiatoren – und in der Arena gibt es unabhängig von der Spielerzahl zu Beginn insgesamt immer zwölf – zwei Entscheidungen zu treffen, die jeweils mit einer der Metallscheiben auf der Magnettafel festgehalten wird. Zunächst legt man fest, ob der Gladiator stehenbleibt oder sich orthogonal oder diagonal auf ein benachbartes Feld in beliebiger Richtung bewegt. Im Anschluss überlegt man sich noch, ob sich der Gladiator um 90° in eine beliebige Richtung oder gar um 180° drehen soll. Alternativ kann man jedoch auch aufs Drehen verzichten und die Spezialfähigkeit des Gladiators für die aktuelle Runde aktivieren. Wurden alle Bewegungen geplant, folgt nun die Planung des Angriffs. Hierfür platzieren die Spieler wieder gleichzeitig für jeden ihrer Gladiatoren genau einen ihrer hölzernen Angriffsmarker auf jeweils einem Feld in der Arena, wobei sie von der aktuellen, nicht der zukünftigen Position ihrer Gladiatoren ausgehen und die Ausrichtung ihrer Gladiatoren beachten. Welche Felder die einzelnen Gladiatorentypen angreifen können, ist jederzeit auf der taktischen Übersichtstafel ersichtlich. Während die Dolchkämpferin zum Beispiel nur wenig Reichweite hat, dafür jedoch sogar schräg hinter sich angreifen kann, trumpft die Speerkämpferin mit einer besonders hohen Reichweite auf, kann dafür aber die Felder um sie herum mit ihrem langen Speer nicht erreichen. Wichtig beim Planen des Angriffs ist – wie bereits gesagt –, dass stets von der aktuellen Position – also der Position der Gladiatoren, noch bevor sie sich bewegen – ausgegangen und zudem die Ausrichtung der Gladiatoren beachtet wird, da diese darüber entscheidet, wo bzw. in welche Richtung die Gladiatoren angreifen können.


Ist die Planung abgeschlossen, dürfen die Spieler noch beliebig viele ihrer drei Publikumsmarker aktivieren, die ihnen, falls einer ihrer Angriffe in der entsprechenden Reihe oder Spalte in dieser Runde erfolgreich ist, eine Münze extra einbringt, oder einem Gegner bei einem erfolgreichen Treffer Münzen vorenthält. Im Anschluss decken die Spieler ihre Magnettafeln auf, führen die Bewegungen ihrer Gladiatoren aus – wobei alle Gladiatoren stehenbleiben, die sich auf ein Feld bewegen würden, auf dem bereits ein anderer Gladiator steht oder auf das sich ein anderer Gladiator hinbewegen würde – und kassieren ggf. Münzen für erfolgreiche Treffer, nämlich immer genau dann, wenn sich ein gegnerischer Gladiator auf einem Feld befindet, das sie mit einem ihrer Gladiatoren angreifen. Allerdings bringen erfolgreiche Treffer der verschiedenen Gladiatorentypen auch unterschiedliche Belohnungen in Form von Münzen mit sich. Wird ein Gladiator getroffen, ist er von nun an verwundet und darf sich nicht mehr diagonal bewegen – außer der Spieler zahlt eine Münze, um diesen Gladiatorentyp upzugraden und das diagonale Bewegen dauerhaft für diesen Wettkampf auch für andere verwundete Gladiatoren desselben Typs freizuschalten. Bei einem zweiten Treffer muss der verwundete Gladiator die Arena jedoch verlassen und sobald fünf oder mehr Gladiatoren auf diese Weise ausgeschieden sind, endet der aktuelle Wettkampf und der Spieler mit den meisten Münzen geht als Sieger hervor. 


Alternativ können die Spieler den Wettkampf jedoch auch für sich entscheiden, indem sie sich mit einem ihrer Gladiatoren den goldenen Adler einer ihrer Kontrahenten schnappen und sich mit diesem in die „Safe Zone“ bewegen, die sich in einem 2 x 2 Raster in der Mitte der Arena befindet und die nicht als Ziel von Angriffen ausgewählt werden darf – wobei Spieler fürs Betreten der „Safe Zone“ und für das Verweilen in der „Safe Zone“ Münzen bezahlen müssen. Wenn einem Spieler dies gelingt, endet der Wettkampf sofort und der Adlerdieb wird mit der höchsten Auszeichnung, der Adlermedaille, belohnt. Allerdings ist dies leichter gesagt als getan, da der Gladiator, der gerade einen goldenen Adler trägt, seine Spezialfähigkeit nicht nutzen kann. Während der Schwertkämpfer und die Speerkämpferin sich bei aktivierter Spezialfähigkeit „unter Schild“ bewegen und sich bei Abgabe von Münzen somit vor gegnerischem Schaden bewahren können, darf sich die flinke Dolchkämpferin bis zu zwei Felder weit in eine Richtung bewegen. Der Keulenkämpfer hat zwar nicht viel Reichweite, kann einen anderen Gladiator bei aktivierter Spezialfähigkeit jedoch gleich beim ersten Treffer komplett ausknocken.


Ist der erste Wettkampf vorbei und eine Medaille an den Sieger vergeben – wobei die Spieler für richtige Vorhersagen bei der Strategieerklärung Extramünzen bekommen –, geht es wieder mit der Ausrüstungsphase für die Nachmittagsvorstellung los und ein zweiter Wettkampf wird ausgetragen, für den die Spieler ihre gesammelten Münzen des ersten Wettkampfs behalten dürfen. 

Fazit

Gladigala ist eines der Spiele, das mit Sicherheit die Gemüter spalten wird. Die einen werden vielleicht sagen, es sei witzlos à la Scotland Yard herumzuraten, wohin sich der feindliche Gladiator nun bewegen mag und wo er angreifen wird. Doch ich gehöre nicht dazu. Mir hat Gladigala viel Spaß gemacht – gerade auch wegen der ständigen Psychospielchen, ganz nach dem Motto: "Du denkst wohl, ich bewege mich hierher. Aber was, wenn du denkst, dass ich denke, dass du denkst ich bewege mich hierher?" Das kann man natürlich immer weiterspinnen und die ständige Ungewissheit führt unweigerlich zu einer Menge Spannung, da man sich nie sicher sein kann, was die gegnerischen Gladiatoren schlussendlich tun werden. Sollte ich mich also vorwärts Richtung Gegner aufmachen, um für die kommende Runde eine bessere Ausgangsposition für meinen Angriff zu haben, oder gehe ich das Risiko mit meinem angeschlagenen Kämpfer lieber nicht ein und ziehe mich lieber leicht zurück?


Trotz der ganzen "Herumgeraterei", oder, wie ich es vorhin positiver ausgedrückt habe, "Psychospielchen", kommt die strategische Planung ebenfalls nicht zu kurz. Wenn sich ein gegnerischer Gladiator mir meinem goldenen Adler beispielsweise in Richtung "Safe Zone" aufmacht, sollte ich zunächst alle möglichen Züge des Gegners in Erwägung ziehen und dann entsprechend handeln, indem ich zum Beispiel gewisse Felder mit Angriffen versehe und mit eigenen Bewegungen wiederum andere Felder für den Gegner blockiere. Außerdem arbeiten die Schulen normalerweise zusammen, sobald sich wer einen goldenen Adler geschnappt hat. Wobei man die Ablenkung des Gegners theoretisch auch dafür nutzen könnte, sich in der Hoffnung, der Adlerdieb werde schon noch irgendwie gestoppt, selbst einen der gegnerischen goldenen Adler unter den Nagel zu reißen.


Solche Szenarien hängen natürlich auch stark von der Spielerzahl ab. Im Vierspielerspiel kommen mehrfache Adlerdiebstähle natürlich eher vor als im Drei- und Zweispielerspiel. Zu dritt ergibt sich womöglich das Problem, dass einer der Spieler von den anderen zweien dezent eingekesselt wird, sodass diese Position zunächst den erfahreneren Gladiatoren zugeteilt werden sollte. Im Duell funktioniert das Spiel auch sehr gut, wobei das vorzeitige Wetten in diesem Modus wegfällt und durch eine andere Mechanik ersetzt wird. Daher spiele ich das Spiel trotz des drohenden Chaos - oder gerade deswegen? - am liebsten zu dritt oder in Vollbesetzung. Denn durch die Strategieerklärung noch vor der eigentlichen Prügelei zeigt man im Grunde ja schon an, welche Gladiatorenschule man im kommenden Wettkampf besonders hartnäckig bekämpfen wird. So entsteht eine besondere Dynamik, die viel Platz für die unterschiedlichsten Spielsituationen schafft. Durch die Spezialfähigkeiten der Gladiatoren, den Einsatz der Publikumsmarker sowie das Upgraden der Gladiatoren kommt zudem noch mehr Varianz ins Spiel.


Dennoch hält sich die Varianz alles in allem in Grenzen, da es insgesamt doch nur vier verschiedene Gladiatorentypen gibt, die jeweils nur eine Spezialfähigkeit haben – und zwei von ihnen sogar dieselbe –, nur ein Spielfeld mit einem stets sehr ähnlichen Aufbau und nur zwei Möglichkeiten zu gewinnen. Daher stellt sich die Frage, wie groß der Langzeitspielspaß letztlich sein wird. Neue Spielpläne und Gladiatoren sowie weitere Möglichkeiten, Münzen für strategische Moves, Fähigkeiten oder neue Upgrades auszugeben, könnten das Spielgeschehen mit Sicherheit noch interessanter machen. Doch selbst ohne erweiternde Spielmaterialien und -mechanismen sollte der gelegentlichen Arenaprügelei auch in Zukunft nichts im Wege stehen. 

Einen Hinweis sollte ich jedoch noch all denjenigen geben, deren räumliches Vorstellungsvermögen sie regelmäßig dazu zwingt, die Stadtkarte nach den Himmelsrichtungen passend auszurichten und dann mit beiden Füßen hineinzusteigen, um sich wieder einigermaßen auszukennen. Denn dadurch, dass sich die Ausrichtung der Gladiatorenminiaturen nicht immer mit der Ausrichtung auf der eigenen Magnet- und Übersichtstafel deckt, muss im wahrsten Sinne um die Ecke gedacht werden. Das sollte den meisten vielleicht keine Probleme bereiten, für andere könnte dies jedoch zu einem regelmäßigen Orientierungsverlust führen, der es schließlich nötig macht, das eigene Spielmaterial ständig mit der Ausrichtung der Gladiatoren mitzudrehen, was wiederum – davon gehe ich zumindest aus – sehr nervig sein kann.


Nichtsdestotrotz kann ich guten Gewissens sagen, dass vor allem diejenigen, die sich beim Spielen gerne auf Psychospielchen einlassen und nichts dagegen haben, auch einmal daneben zu liegen oder zu hauen, wie man es aus Spielen wie Scotland Yard, Colt Express und co schon kennt; und die zudem starke Nerven bewahren, wenn man kurz vorm Ziel dann doch noch von einem mit vollem Schwung ausholenden Knüppelkämpfer ausgeknockt wird; für all diejenigen, die ein recht zugängliches und eher zügig gespieltes, mit einem schönen Thema versehenes Arenaspiel suchen, sollten mal einen Blick auf Gladigala werfen. Ich werde es sicher noch häufiger auf den Tisch holen, wenn mir nach einem stressigen Tag mal wieder der Sinn nach einer leidenschaftlichen Gladiatoren-Klopperei steht.

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Gladigala von Sharon Katz
Erschienen beim Tyto Games 
Für 2 bis 4 Spieler in ca. 45 Minuten ab 10 Jahren
sämtliche Bilder sind von uns selbst erstellt oder vom jeweiligen Pressematerial des Verlages (hier Tyto Games)
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